Akuter Handlungsbedarf: Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen (BAG vom 18.09.2018 - 9 AZR 162/18)

Akuter Handlungsbedarf: Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen (BAG vom 18.09.2018 - 9 AZR 162/18)

Nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) wurde viel darüber diskutiert, ob arbeitsvertragliche Verfallklauseln/Ausschlussfristen wirksam sind, die Mindestlohnansprüche nicht ausnehmen. Die Instanzrechtsprechung und die wohl überwiegende Literaturmeinung hielten solche Verfallklauseln nur für teilweise unwirksam (§ 3 MiLoG: „insoweit“). Dieser arbeitgeberfreundlichen Auffassung erteilte das BAG nun mit Urteil vom 18.09.2018 eine Absage (die Entscheidung liegt bislang nur als PRessemitteilung vor):

Eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne Einschränkung sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den nach § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasst, ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde.

Im zu entscheidenden Fall stritten die Parteien über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers. Dieser hatte die arbeitsvertraglich vereinbarte Verfallfrist versäumt. Die Verfallklausel im Arbeitsvertrag lautete (wie früher in der Praxis häufig verwendet):

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.“

Das BAG entschied, dass diese arbeitsvertragliche Verfallklausel nicht klar und verständlich, d.h. intransparent und damit insgesamt unwirksam sei, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme. Da § 3 Satz 1 MiLoG weder die Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB noch das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion nach § 306 BGB einschränke, könne die Verfallklausel auch nicht teilweise - für über den Mindestlohn hinausgehende Ansprüche - aufrechterhalten werden.

Hinweise: Damit müssen nun alle Verfallklauseln in Arbeitsverträgen erneut auf den Prüfstand. Zwar bezieht sich die Entscheidung des BAG nur auf Arbeitsverträge, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden. Jedoch ist auch bei der Änderung von älteren Arbeitsverträgen Vorsicht geboten, da die Gefahr besteht, dass eine Vertragsänderung als Neuabschluss gewertet wird. Dann gilt für den gesamten Vertrag die neue Rechtslage. Die früher übliche pauschale Formulierung für Verfallklauseln, wie sie dem BAG zur Prüfung vorlag, führt mangels Wirksamkeit nicht zum Verfall arbeitsvertraglicher Ansprüche.

Ob außer dem Mindestlohn noch andere Ansprüche von der Verfallklausel ausgenommen werden müssen, hat das BAG in seiner Pressemitteilung zum Urteil vom 18.09.2018 nicht thematisiert. Wie eine Verfallklausel rechtssicher zu formulieren ist, bleibt daher weiterhin unklar. Eines aber zeigt das Urteil des BAG auf jeden Fall: Arbeitgeber sollten sich lieber nicht allein auf eine arbeitsvertragliche Verfallklausel verlassen.


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