Schon einmal von Design Thinking gehört?
Design Thinking? Ist das etwas für Künstler oder Designer? Dies fragen sich Menschen, die zum ersten Mal mit der lösungsorientierten & menschenzentrierten Technik in Berührung kommen.
Doch einige der weltweit führenden Unternehmen wie Apple, Google, SAP und GE haben den Design Thinking Ansatz schnell für sich entdeckt und an führenden Universitäten der ganzen Welt, darunter die d.school (Hasso Plattner Institute of Design), Stanford, Harvard und MIT wird die Technik gelehrt. Aber wissen Sie, was Design Thinking ist und weshalb es so beliebt ist? Dieser Artikel ist nicht als allumfassende Design Thinking Bibel anzusehen, sondern soll Ihnen in Form eines Crash-Kurses einen ersten Einblick in die Methode ermöglichen und anhand von Beispielen eine Möglichkeit der Durchführung einer Produkt- oder Dienstleistungsentwicklung aufzeigen.
Was ist Design Thinking?
Design Thinking ist iterativer Prozess zur Lösung von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen wie z.B. für die Produkt- oder Dienstleistungsentwicklung in der Wirtschaft. Ziel hierbei ist es, auf kreative und innovative Weise den Kunden zu verstehen, dessen Probleme zu definieren und Lösungen zu finden, die mit unserem anfänglichen Verständnis möglicherweise nicht sofort erkennbar waren. Deshalb ist das Design Thinking als lösungsorientierten Ansatz zur Problemlösung zu sehen. Es ist eine Denk- und Arbeitsweise sowie eine Ansammlung von praktischen Methoden und orientiert sich an der Arbeit von Designern, die als eine Kombination aus Verstehen, Beobachtung, Ideenfindung, Verfeinerung, Ausführung und Lernen verstanden wird. Entwickler und Vertreter der Methode sind der Informatiker Terry Winograd, Larry Leifer und David Kelley, der Gründer der Design- und Innovationsagentur IDEO, die das Konzept auch vermarkten.
Ein zentraler Punkt beim Design Thinking ist es Verständnis für die Menschen bzw. Kunden zu entwickeln, für die in diesem Beispiel die Produkte oder Dienstleistungen entwickelt werden sollen. Es ist äußerst nützlich bei der Bewältigung von Problemen, die schlecht definiert oder unbekannt sind, indem das Problem auf menschenorientierte Weise herausgefunden wird, viele Ideen in Brainstorming-Sitzungen entstehen und einen praktischen Ansatz in der Prototypengenerierung und dessen Testung verfolgt.
"Design Thinking is a method for practical and creative problem-solving, that evolved from fields as varied as engineering, architecture and business. At its core, Design Thinking focuses on understanding people’s needs and creatively discovery of solutions to meet those needs. Its core concepts are understand, explore, prototype and evaluate" - IBM: How It Work Video
Das richtige Team
Stellen Sie sich vor, dass ein Team, das lediglich aus Männern besteht, ein für Frauen problemlösendes Produkt entwickeln sollen... was kommt nach ihrer Meinung dabei raus?
Auch beim Design Thinking ist ein 'zusammengewürfeltes' Team ratsam. Dies geht auch aus dem Vortrag Innovation Through Design Thinking von Tim Brown (CEO IDEO) am M.I.T. hervor. Die Annahme, welche aus dem Video hervorgeht, ist das die Methodik des Design Thinking darauf basiert, dass Probleme in multidisziplinären Teams besser gelöst werden können. Daher kann ein Team, welches aus verschiedenen Disziplinen, Herkünften und Überzeugungen 'zusammengewürfelt' wurde aufgrund der verschiedensten Erfahrungen, Meinungen und Ideen zu einem durchaus besseren Ergebnis führen.
Die Phasen des Design Thinking:
Da das Design Thinking aus kontinuierlichem experimentieren, skizzieren, prototypen und testen besteht, gibt es auch verschiedene Varianten der Durchführung bzw. der Anzahl von Prozessschritten, die heute im Einsatz sind. Der Prozess kann drei bis sieben ´Phasen´, ´Stufen´ oder ´Modi´ beinhalten. Allerdings ist auch festzustellen, dass alle Varianten des Design Thinking sehr ähnlich sind. Alle Varianten verkörpern die gleichen Prinzipien, die 1969 vom Nobelpreisträger Herbert Simon in ´The Sciences of the Artificial´ erstmals beschrieben wurden. Doch fortan konzentrieren wir uns auf das vom Hasso-Plattner-Institute of Design in Stanford (auch unter d.school bekannt) vorgeschlagene Fünf-Phasen-Modell.
Dieses Modell ist eines der bekanntesten und teilt die fünf Phasen des Design Thinking wie folgt ein:
Empathise (Eintauchen) – Empathie für Ihren Kunden
Define (Fokussieren) – Definieren Sie die Bedürfnisse, Probleme Ihrer Kunden und Ihre Erkenntnisse
Ideate (Ideen kreieren) – Ideen für innovative Lösungen entwickeln, indem Sie Ihre Annahmen hinterfragen
Prototype (Prototypen erzeugen) – mit einem Prototyp der Lösung beginnen
Test – testen der Lösung!
Es ist wichtig zu beachten, dass die fünf Phasen nicht immer sequenziell stattfinden. Sie müssen keiner bestimmten Reihenfolge folgen und können oft parallel und iterativ sein. Aus diesem Grund sollten die Phasen nicht als ein hierarchischer Prozess verstanden werden. Merken Sie beim Testen z.B. das Ihr Prototyp nicht den Kundenwünschen entspricht, müssen Sie nicht unbedingt wieder von vorne anfangen. Während des Testens können Sie beispielsweise bereits neue Ideen aufgrund der neuen Erkenntnisse entwickeln.
Im folgenden Schaubild sind mögliche Sprungpunkte eingezeichnet:
Was ist nun zu tun in den einzelnen Phasen? Hier ein kleiner Design Thinking Crash-Kurs:
Gehen Sie raus aus ihrem Büro und verstehen Sie ihren Kunden! Empathie ist von Ihrem Schreibtisch aus nicht möglich, hier treffen Sie nur Annahmen. Tauchen Sie ein in die Welt des Kunden oder gar Nicht-Kunden, um diese zu verstehen.
Wo befinden sich Ihre Kunden? Vor dem Supermarkt, im Stadtpark oder doch im Schwimmbad? Gehen Sie dorthin, wo sich Ihre Kunden befinden und versuchen Sie ihn zu verstehen. Wie gehen Sie vor? Hier ist ein möglicher Fragebogen:
- Beginnen Sie Ihr Interview, indem Sie sich und den Grund des Interviews vorstellen. Sorgen Sie dafür, dass sich ihr Gesprächspartner wohlfühlt.
- Break the Ice! Stellen Sie Fragen bzgl. des Alters, des Berufes oder Hobbys (Tipp: notieren Sie sich das Alter und Vorlieben für später)
- Nun stellen Sie eine generelle Frage wie z.B.: "Magst/möchten Du/Sie mir über Ihre letzte Erfahrung mit .... erzählen?"
- Jetzt kommt Ihr Gesprächspartner ins Reden, also folgt eine spezifische Frage z.B.: "Wie hast/haben Du/Sie in dieser Situation gefühlt"
- ...und nun fragen Sie nach den Wünschen oder Lösungsvorschlag Ihres Kunden: "Was würdest/würden Du/Sie sich wünschen" oder "Wie würden Sie es lösen?"
Achten Sie darauf, dass Sie Ihrem Gesprächspartner die Lösung bzw. ihre eigene Meinung nicht vorbereiten oder Ihre gewünschte Lösung womöglich suggerieren. Dies würde Sie in der Findung möglicher Lösungen behindern, da der Gesprächspartner wahrscheinlich an etwas anderes gedacht hatte, Sie ihm aber die Aussage zurechtgelegt haben. Finden Sie heraus, wie Ihr Kunde das zu verbessernde Produkt oder Dienstleistung verwendet. Führen Sie hierfür, wenn möglich die Interviews zu zweit, damit Sie sich untereinander Feedback geben können und eine Person die Aussagen notieren kann.
In diesem Schritt (ca. 30 - 60 min) geht es darum, den Fokus für die Ideenfindung festzulegen. Nachdem Sie nun genug Interviews geführt haben (je mehr, desto besser) kondensieren Sie die gewonnen Erkenntnisse und definieren einen bestimmten Kunden (auch Persona genannt), für den Sie ein Produkt oder eine Dienstleistung schaffen möchten. Achten Sie hierbei darauf, nicht eine Kundengruppe (wie z.B. Bahnpendler) zu definieren, sondern einen bestimmten Kunden. Eine Lösung für jugendliche Bahnpendler und gleichzeitig für Personen in der Pension werden Sie nicht finden. Dies wird Ihnen weiterhin auch bei der Kontrolle der Lösungsfindung im späteren Prozess dienen.
Erstellen Sie einen spezifischen Kunden. Hierzu gehören unter anderem die ein Name (Max Mustermann), das Alter (27 Jahre), der Beruf (Busfahrer), Status (verheiratet) und Wohnort (Wien). Nun definieren Sie seine Persönlichkeit, seine Interessen & Hobbys, seine Ziele & Motivationen und seine Frustrationen & ´Pains` (was ihn schmerzt oder nervt).
Auch eine klare Beschreibung des Themas bzw. des Kundenziels, für das die Ideen generiert werden sollen wird im späteren Schritt dabei helfen, eine Lösung zu finden und um diese zu überprüfen, ob Ihre Idee überhaupt dem Vorhaben gerecht geworden ist.
Hierfür ist ein "Wie können wir ... für wen?" Frage-Rahmen zu empfehlen. Hierbei ist darauf zu achten, dass es eine positive Frage ergibt, die nicht lösungsvorgebend, nicht zu breit und nicht zu eng formuliert ist.
Beispiele für schlechte Fragen:
"Wie können wir den Aufenthalt in Schnellrestaurants verbessern?" (Wieso: für wen wollen wir verbessern? Wann beginnt der Aufenthalt?)
"Wie können wir ein Fahrrad bauen, welches von alleine fährt?" (wieso: die Frage gibt die Lösung 'selbstfahrendes Fahrrad' vor)
Beispiele für geeignete Fragen:
"Wie können wir den Stadionaufenthalt bei Fußballspielen für Senioren einfacher gestalten?" (wieso: Frage beinhaltet die Zielgruppe, den Zweck und gibt keine Lösung vor)
"Wie können wir die Wartezeit am Bahnhof für pendelnde Studenten effizienter gestalten?"
Da Sie nun wissen, für wen Sie das Produkt oder die Dienstleistung entwickeln möchten und welches Problem Sie damit lösen möchten, kann ihr Team mit dem Brainstorming anfangen!
Es gibt hierfür mehrere Ansätze und Methoden, wie die Ideen generiert werden. Folgend sind zwei Möglichkeiten beschrieben.
- Post It (Haftnotiz) - Methode (15 min)
Jeder der Gruppe nimmt sich einen Block Haftnotizen und schreibt all seine Ideen, ohne sich vorher mit den anderen zu unterhalten auf die Haftnotizen. Nach 5 min übergibt man seinen Block im Uhrzeigersinn weiter. Die Aufgabe ist nun innerhalb der nächsten 5 min auf den Ideen des anderen aufzubauen und diese auszubauen. Dieser Schritt wiederholt sich noch ein weiteres Mal. Im nächsten Schritt gilt es, diese Ideen nach Gemeinsamkeiten zu sortieren und sie mittels eines Ranking-Systems zu sortieren. Zu empfehlen ist hierfür die 'Visualize the Vote' Methode, bei der jedes Teammitglied eine gewisse Anzahl an kleinen Sticker bekommt und diese auf seine favorisierten Ideen klebt. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Ideen die Bedürfnisse der Kunden erfüllen, die 'Pains' beseitigt, einen gewissen wirtschaftlichen Rahmen besitzen und umsetzbar sind.
2. offenes Gruppen Brainstorming
Die Gruppe sitzt in einem Kreis und eine Person notiert z.B. auf einem Whiteboard, der Reihe nach, die Ideen der Gruppenmitglieder. Hierfür ist ein geregelter Ablauf empfehlenswert oder ein Moderator, welcher Meldungen annimmt.
Bei dieser Methode kann es jedoch sein, dass einzelne Mitglieder in der Gruppe verstummen oder ihre Ideen verwerfen, da sie denken ihre Idee sei zu verrückt. Deshalb sind hier folgende Tipps für die Ideengenerierung zu beachten:
- zuhören, wenn andere sprechen
- auf das Wort 'aber' verzichten
- verzichten Sie auf Beurteilung & arbeiten Sie an einer gemeinsamen Lösung!
Bei einem Workshop zur Thematik Design Thinking wurde die Aufgabe gestellt, aus einem DIN-A4 Papier innerhalb von 60 Sekunden einen Elefanten zu kreieren. Solche Übungen sind zum einen fördernd für das Teambuilding, aber auch um zu lernen, was Rapid-Prototyping in der Realität bedeutet. Bei fast allen Exemplaren konnte man zumindest anhand der Umrisse einen Elefanten erkennen, auch wenn man die Aufgabenstellung nicht kannte. Auch konnte man bei dieser Übung lernen, dass es beim Prototyping nicht um ein Design-Wettbewerb oder den schönsten Prototypen geht, sondern vielmehr um die Visualisierung der Idee! Beim Prototyping geht es darum, die Idee erlebbar zu machen. Hierfür gibt es einige Methoden, wie z.B.:
- Storytelling (auditiv) / Storyboard (visuell)
- visuelle Geschichte / Comic zur Beschreibung der Nutzererfahrung
- Papier-Prototypen (z.B. der Elefant)
- Wireframing (Schrittweiser Ablauf von Programmen - z.B. gemalt)
- Klickbare Prototypen - 'Clickdummies' (z.B. bei Apps)
- Rollenspiele
Hier ein Beispiel für ein Storyboard:
Vorteile eines Storyboards sind:
Visualisierung ihrer Lösung - leicht verständlich - Kunden hören Ihnen zu und verraten Ihnen was Sie von der Idee halten - hilft dabei die anfangs definierte Persona im Fokus zu behalten - kann dazu genutzt werden, um im nächsten Schritt (dem Testen) herauszufinden, ob die Kundenprobleme gelöst werden.
Nun gilt es Ihren Prototypen den Kunden und Nicht-Kunden zu präsentieren. Interessant hierbei ist die Erkenntnis des ersten Feedbacks, was an dem Prototyp gefällt oder was weiterhin verbessert werden muss. Ziel ist es nicht, das Produkt in diesem Stadium zu verkaufen, sondern herauszufinden, ob noch Anpassungen gewünscht oder nötig sind.
Hierbei ist auf den Grundsatz "enjoy to fail!" zu verweisen. Denn das Resultat eines Design Thinking Prozesses ist wie das perfekte Geburtstagsgeschenk - nicht gewünscht, aber durch Empathie perfekt getroffen. Falls es im ersten Anlauf also nicht klappen sollte, gehen Sie einen Schritt zurück und verbessern Sie Ihre Produkt- oder Dienstleistungsidee.
Schlussanmerkung: An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass eine nahezu unüberschaubare Vielzahl an Methoden für die einzelnen Prozessschritte bestehen. Der Einsatz der einzelnen Methoden ist meist vom Anwendungsbereich (Wissensmanagement, Prototypenfindung, Dienstleistungsprototyping etc.) abhängig. Dies kommt auch unter anderem auf den gesetzten Fokus, den einzuhaltenden Zeitrahmen und eigene Vorlieben an. Gerade beim Prototyping kann der Fokus entweder auf einer funktionsfähigen Simulation oder lediglich auf einer Visualisierung liegen. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Wir verwenden in unserem Startup [ORDITO] die Design Thinking Methode seit der ersten Sekunde, um lösungsorientiert die Produkte zu schaffen, die sich die Kunden wirklich wünschen. - [Eric Ryan Weisz]
Quellen:
IBM - How It Work: Design Thinking Video, veröffentlicht auf YouTube am 21.11.2014.
M. I. T. World: Innovation Through Design Thinking, Video des Vortrages von Tim Brown am Massachusetts Institute of Technology, 26. März 2006.
Pioneers: Design Thinking Workshop.
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5 JahreSehr interessanter Beitrag lieber Eric!!