Spaltung und kein Ende?
Schon lange habe ich den Eindruck, dass sich in unserer Gesellschaft Gräben vertiefen. Dazu hat nicht nur das freie Internet beigetragen, in dem jeder ungehindert Hass und Häme über Andersdenkende und Anderslebende verbreiten darf. Wesentlich dazu beigetragen hat auch der politische Umgang mit der Pandemie.
Die Verantwortlichen, allen voran Frau Merkel, haben keinen offenen Diskurs über Einschätzungen und Maßnahmen zugelassen, sondern mit einer einseitigen Besetzung ihres Beratergremiums einen Tunnelblick auf das pandemische Geschehen etabliert. Herrn Drosten und dem RKI wurde eine Rolle zugewiesen, die früher in der katholischen Kirche dem unfehlbaren Lehramt zukam. Wehe dem, der an deren „Wahrheiten“ zweifelt oder gar andere Meinungen vertritt. Häresie! Und mit vergleichbaren Mitteln wie denen der autoritären Kirche wird seitdem an der Durchsetzung immer schärferer Maßnahmen gearbeitet. Anstelle der Angst vor dem jüngsten Gericht schürt jedes jüngste Gerücht die Angst vor schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen und Katastrophen für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft. „Jede Familie wird einen Coronatoten beklagen“ (der österreichische Bundeskanzler Kurz) und auch jetzt zum Herbst wieder pünktlich die Androhung der nächsten Welle mit katastrophalen Ausmaßen. Anstatt auf der Kanzel zu stehen, sitzen die heutigen Bußprediger in den Talkshows, allen voran Karl Lauterbach, der selbsternannte Pandemie-Experte. Ihre Botschaft bestand und besteht ausschließlich darin, den Menschen ihre Sündhaftigkeit vorzuhalten und ihnen mittels drastischer Weltuntergangsfantasien Angst zu machen. Sie verkündeten den nicht büßenden Sündern das baldige Strafgericht Gottes und forderten von allen Gläubigen öffentliche Sündenbekenntnisse und Reuebekundungen ein. An die Stelle von Taufe und Ablass ist heute die Impfung getreten. Sie verspricht Erlösung und Zugehörigkeit.
Den Medien fehlt kritische Distanz
Was mich wundert, ist, wie freiwillig die öffentlichen Medien jede kritische Distanz aufgegeben haben. Selbst aus Zeitungen, Magazinen und Sendungen, die früher mal als investigativ und kritisch galten, tönt der gleiche Regierungssprech: die Angstmache, der Druck, sich impfen zu lassen – und das im Verbund mit Verunglimpfung Andersdenkender. Fachleuten, die zu anderen Einschätzungen kommen, wird die Expertise abgesprochen, Nichtimpfbereite werden mit Querdenkern und Verschwörungstheoretikern gleichgesetzt und als „Gefährder“ (ein Begriff aus der Terrorismusbekämpfung) oder als „Unsolidarische“ gebrandmarkt, als eine Art „Volksschädlinge“ – selbstverständlich ohne diesen Begriff direkt zu verwenden, aber mit der deutlichen Tendenz, zwischen „den Guten“ und „den Bösen“ zu spalten und die Wut der „Guten“ auf die „bösen“ renitenten Uneinsichtigen zu schüren. Die Wirkungen sind bis in Freundeskreise zu spüren, in denen plötzlich keine sachliche Diskussion mehr stattfinden kann, sondern stattdessen Emotionen und Druck das Gespräch bestimmen
Vorläufiger Höhepunkt der Spaltung
ist das Ende der unentgeltlichen Tests, damit sich die Normalsterblichen den Zugang zum Normalleben nicht mehr leisten können und endlich einknicken, und dazu die 2-G-Regel und das Ende der Lohnfortzahlung im Quarantänefall der Ungeimpften als zusätzlicher Druck. Das alles unterlegt mit dem selbstgerechten „selber schuld, wenn Ihr Euch nicht impfen lasst, dann müsst Ihr auch die Folgen tragen.
Dabei ist inzwischen nicht mehr zu leugnen: die Impfung schützt allenfalls vor einem schweren Verlauf, sie dient rein dem Selbstschutz! Denn auch Geimpfte bleiben Träger des Virus und sind daher ebenso potenzielle Gefährder wie Ungeimpfte! Damit erweist sich der moralische Appell, sich zugunsten der Gemeinschaft impfen zu lassen, als unsinnig. Ebenso wenig noch zu leugnen: eine Herdenimmunität lässt sich über die Impfung nicht erreichen. In der Abwägung zwischen der möglichen Gefahr einer Ansteckung und eines schweren Verlaufes auf der einen Seite und den möglichen Spätfolgen eines völlig neuen Impfverfahrens ohne Langzeiterfahrung auf der anderen Seite entscheide ich mich in Kenntnis und bewusster Einschätzung meiner Gesundheit einerseits und in Kenntnis von heftigen Spätfolgen der genetischen Impfstoffe z.B. bei HIV und Dengue-Fieber andererseits, mich (noch) nicht impfen zu lassen. Damit gehe ich ein Risiko für mich selbst ein und gefährde Niemanden mehr als Geimpfte auch. Evtl benötige ich dann eines Tages doch ein Intensivbett, aber dafür zahle ich ja Krankenkassenbeiträge, als Privatversicherter mehr als genug, und zahle damit u.a. solidarisch für die Folgen von Alkohol- und Nikotinmissbrauch, Bewegungsmangel, Fastfood-Ernährung, Übergewicht, gefährlichen Sportarten wie Ski-Fahren etc. Meine medizinische Versorgung nun an die Bedingung der Teilnahme an einem Großexperiment zu knüpfen, widerspricht dem Grundgesetz und der Menschenwürde. Selbst wegen Mordes oder Kindesmissbrauch Verurteilten steht auf Kosten der Solidargemeinschaft eine optimale medizinische Behandlung zu.
Existentielle Versäumnisse?
Das Ganze hat aber nicht nur eine politische Dimension, in der wir uns fragen müssen, auf welcher Datenbasis und in welcher Güterabwägung von welcher legitimierten Macht wir wie heftige Einschnitte in Grundrechte wie lange hinnehmen müssen und wollen und welches solidarisierende Krisenmanagement wir stattdessen bräuchten. Das Ganze hat auch eine psychologische und existentielle Dimension. Denn ich frage mich und uns, welche Lektionen wir auf diesen Gebieten in der Vergangenheit nicht gelernt haben, dass es zu so einer gesellschaftlichen Entwicklung kommen konnte?
Empfohlen von LinkedIn
Woher kommt diese hohe Angstbereitschaft,
die noch ansteckender als das Virus zu sein scheint? Ist das unsichtbare Virus vielleicht zu einem Symbol geworden, das uns die Unwägbarkeit des Lebens trotz aller abgeschlossenen Versicherungen vor Augen führt? Ist das Virus eine Kränkung, die uns an unsere grundlegende Verletzbarkeit erinnert? Sigmund Freud sprach einmal vom Menschen als „Prothesengott“, der sich dank seiner Errungenschaften gottgleich wähnt und dabei doch nur einem grandiosen Selbstbetrug unterliegt. Ist die unzureichend getestete Impfung eine weitere Prothese, die wir uns bereitwilligst anziehen, um uns wieder sicher zu fühlen? Dabei ist die Gefahr, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, bedeutend höher als die Gefahr eines schwerwiegenden Covid-Verlaufes oder der Gefahr, daran zu sterben. Doch diese Gefahr glauben wir zu kennen und zu beherrschen. Ein weiterer Selbstbetrug. Die Kontingenzerfahrung, dass es eine Zeit gab, in der wir noch nicht waren, und eine Zeit geben wird, in der wir nicht mehr sein werden, und dass dazwischen eine Zeit liegt, von der wir nicht wissen, wie lange sie dauert, die aber vom ersten bis zum letzten Atemzug von Krankheit, Leid und Sinnlosigkeit gefährdet ist, ist das der Abgrund, in den uns die Pandemie voller Schrecken blicken lässt? Gehört es nicht zu den wichtigsten Reifungsaufgaben, diese Realität zu akzeptieren und das Leben trotzdem mit Zuversicht und Lebensfreude anzugehen?
Ist die hohe Angstbereitschaft letztlich eine Auswirkung unserer unterschwelligen Angst vor dem Tod, mit dem wir in unserer Gesellschaft immer noch keine Versöhnung gefunden haben? Was für ein Paradox: um den Tod zu vermeiden, holen sich viele Angstbestimmte den Tod schon jetzt in ihr Leben, indem sie sich freiwillig vom Leben ausschießen. Wann und unter welchen Umständen sind wir denn bereit, abzutreten? Was, glauben wir, schuldet uns das Leben bis dahin? Gar nichts! Verdrängen wir deshalb den Tod? Gut, wir schreiben Testamente und Patientenverfügungen, sichern uns rechtlich, aber bereiten wir uns existentiell darauf vor? Akzeptieren wir die Vergänglichkeit, das ständige Kommen und Gehen, und leben wir die Abschiede bewusst? Unter welchen Bedingungen bilanzieren wir unser Leben als gelungen und erfüllt? Setzten wir dabei auf Dinge außerhalb von uns, die wir haben müssen, oder auf innere Qualitäten, die wir sein können?
Woher kommt diese hohe Bereitschaft, sich gängeln zu lassen?
Seit Beginn der Pandemie behandeln uns die politisch Verantwortlichen wie Kinder. Der Psychiater Eric Berne hat mit seiner Transaktionsanalyse ein geniales Modell geliefert, um zu verstehen, was warum und wie in der Kommunikation zwischen Menschen abläuft. Kurzgefasst ist er der Überzeugung, dass jede unserer Mitteilungen aus einer bestimmten Befindlichkeit erfolgt, die er als Ich-Zustand bezeichnet, und die unsere Gesprächspartner verleitet, aus einem komplementären Ich-Zustand zu antworten. Im Zustand des „Eltern-Ich“ agieren wir als Autoritätsperson, einerseits besorgt fürsorglich und andererseits fordernd und kritisierend. Damit drängen wir unser Gegenüber unbewusst in die Kind-Rolle, so dass dieses spontan komplementär aus dem „Kind-Ich“ antwortet. Zum „Kind-Ich“ gehört einerseits das „angepasste Kind“, das sich den elterlichen Forderungen und Beurteilungen unterwirft, andererseits das „rebellische Kind“, das in einen trotzigen Widerstand geht und aggressiv wird. Weiterhin gibt es noch den Zustand des „spontanen Kindes“, in dem wir uns befinden, wenn wir ausgelassen, neugierig, experimentierfreudig sind. Im Zustand des „Erwachsenen-Ich“ sammeln wir Informationen und werten diese aus, argumentieren sachorientiert und logisch, orientiert an Fakten und Daten.
Frau Merkel kommunizierte ständig aus dem fürsorglichen Eltern-Ich („Mutti“), warnt vor großen Gefahren, appelliert an uns und moralisiert. Herr Söder ergänzte aus dem fordernden Eltern-Ich, gab den „Papi“, der auch mal streng sein muss, selbstverständlich aus reiner Fürsorge, und wird damit zum Traum-Kanzlerkandidat, zum Moses, der uns mit starker Hand aus dem Elend führen würde. Evidenzbasierte Daten, Erklärungen über Kriterien der Güterabwägung und Kriterien der Entscheidungen, inhaltliche und faktenbasierte Auseinandersetzung mit kritischen Fragen nahe Null! Daher wundert es mich nicht, dass in der komplementären Reaktion die einen sich im Kind-Ich in die Panik treiben lassen und froh sind, unter die elterlichen Fittiche der politischen Macher kriechen zu können. Andere passen sich einfach pragmatisch und zum Teil fraglos an die Regeln an (um wieder ein „normales“ Leben führen zu können). Wieder andere gehen rebellisch in den Widerstand und verstehen sich dabei ganz kindlich trotzig als die „querdenkende Intelligenzia“ und noch andere rebellieren gegen die „Geschwister“, die es sich herausnehmen, als Erwachsene zu fragen und eigenständig zu denken und zu entscheiden. Sind wir so satt, abgestumpft oder sediert, dass wir nicht mehr merken, wie -oft in kleinen Schritten- übergriffig an den Grundmomenten unserer parlamentarischen Demokratie gerüttelt wird?
Woher kommt die heftige Aggression?
Seit Beginn der Pandemie bestimmt das Narrativ vom „Krieg gegen das Killervirus“ die politische, medizinische und mediale Berichterstattung. Klar, dass kein Krieg ohne Aggressionsbereitschaft geführt werden kann, die Reihen festgeschlossen und verlässliche Befehlsausführung voraussetzend. Klar, dass man im Krieg nur noch Freund oder Feind kennt. Diese Energie wird benötigt, um die Idee von der Ausmerzung des Virus aufrecht zu erhalten. Aber die Aggression verweist auf mehr: auf Frustration und wiederum die Angst. Haben uns die Globalisierung und die offene Gesellschaft so verunsichert und überfordert, dass wir das Unterscheidende, infrage stellende nicht mehr ertragen können?
Was brauchen wir?
Wir brauchen mehr denn je jetzt Menschen, die aus dem Erwachsenenstatus agieren, die sich trotz Anfeindung nicht aus ihrer Mitte bringen lassen, die jedem Angebot der Spaltung mit integrativer Kraft begegnen, die klar für ihre Interessen eintreten in Respekt vor den Interessen anderer, und die ein gutes Standing haben. Das aber setzt voraus, dass diese Menschen im Frieden mit sich selbst sind und darum die Gegensätzlichkeiten in sich selbst und im Außen aushalten können. So ist die Pandemiekrise auch Teil einer spirituellen Krise. Denn die aufgeworfenen Fragen und Anforderungen bedürfen psychischer und spiritueller Kompetenzen, um den Themen anders zu begegnen und daran zu wachsen. Die letzten Jahre wirkten weltweit auf vielen Ebenen wie ein gewaltiges Aufbäumen spaltender Kräfte, die es allen noch einmal zeigen wollen. Was wir deshalb benötigen, ist ein geistiger und spiritueller Klimawandel: innere Befriedung und Integration statt Spaltung, wohlwollende Güte allem Existierendem gegenüber. Das Außen ist immer ein Spiegel des Inneren. Umso wichtiger, dass integrative wohlwollende Kräfte einer neuen Vision von einem Leben im Einklang mit uns selbst, im Einklang mit der uns umgebenden Natur und im Einklang mit unseren Mitmenschen den Weg bahnen.