Humorstarre nach Schockstarre

Die erste Corona-Welle löste einen medialen „Overkill“ von Katastrophennachrichten aus (Stephan Russ-Mohl, Das Corona-Panikorchester, Süddeutsche Zeitung (SZ) v. 26.10.2020). Sie führte zu einer Schockstarre, die nach der Wahrnehmung des Lehrstuhlinhabers für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt a. M., Prof. Dr. Uwe Volkmann, auch die Gerichte erfasst hatte (Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2020, 3153). Die in dem Beitrag konstatierte langsame Lösung der judikativen Schockstarre erwies sich als vorübergehend und kehrte zurück, als die Infektionszahlen, wie von Wissenschaftlern vorhergesagt, von der Politik aber gleichwohl nicht vorhergesehen (?), hochschnellte - auf die doppelte Größenordnung der ersten Welle. Es mag hier so sein, wie es der Regensburger Ordinarius Prof. Dr. Gerrit Manssen bei einer Untersuchung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Beurteilungsspielräumen der Exekutive herausgefunden hat: Wenn die Rechtsprechung davor zurückscheut, selbst die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen, besonders im Sicherheitsbereich, zieht sie sich gewissermaßen hinter einen Beurteilungsspielraum der Exekutive zurück (vgl. Manssen, Beurteilungsspielräume der Landesmedienanstalten, BLM e-book Band 8, 2020, S. 107). So bescherte uns der Sommer 2020 nur einen kurzen Grundrechtefrühling.

Was die Bevölkerung will, wird in der veröffentlichten Meinung unterschiedlich dargestellt. Nach Umfragen gebe es einen Ende März mit 36% angegebenen Teil in der Bevölkerung, der härtere Maßnahmen fordere. In dem Artikel wird der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte mit der Aussage zitiert: "Politik ist responsiv." Das zielt auf den Druck durch Bürger, dh aus Politikersicht: potenzielle Wähler. Aber nicht nur für den Einfluss auf die Politik gilt: „Wer laut ist, setzt sich durch.“ Das gilt auch für die Meinungsbildung in der Bevölkerung. Was „das Volk“ laut Umfragen will, ist stark beeinflusst von der Medienberichterstattung. Und so kreist die Sache um sich selbst. Eins indes kristallisiert sich heraus, und da stimmen die veröffentlichten Umfragen mit meinem persönlichen Eindruck überein: Die Zufriedenheit der Menschen mit dem Corona-Management der Regierung nähert sich Schritt für Schritt der Nullmarke. Da hilft die tapfere Behauptung des Vizekanzlers Olaf Scholz nichts mehr, der nächtliche Ausgangssperren für nachvollziehbar und angemessen erklärt. Am 25.4.2021 soll lt. Stuttgarter Zeitung die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) speziell gegen die Ausgangssperre Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erhoben haben.

Was offenbar ein shit-storm-fähiger Teil des Gesellschaft nicht will: Dass sich Schauspieler satirisch zur Corona-Krise äußern. Ob der Beitrag "Alles dichtmachen" lustig, aufrüttelnd oder jenseits der Geschmacksgrenze war, kann ich nicht beurteilen, weil ich ihn bisher noch nicht gesehen habe. In einem stimme ich Steven Sowa, Lachen verboten, 29.4.2021, von t-online überein: Die Reaktionen derer, die sich selbst für „die Guten“ halten, sind absolut inakzeptabel.

Aber das ist leider nichts Neues.

Jan Josef Liefers, der an der Kampagne beteiligt war und sich zwischenzeitlich von ihr distanziert habe, soll sich sofort bei der Gegenaktion „Alle mal ‚ne Schicht machen“ angemeldet haben. Aber man will ihn dort nicht. Zumindest Professor Jochen A. Werner vom Essener Universitätsklinikum hat das definitiv abgelehnt.

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