Sprachenvielfalt oder nicht?
Pfingsten ist der Feiertag der Kommunikationsleute. Die Apostel, erfüllt vom Heiligen Geist, werden von allen verstanden, die ihnen zuhören. Und nicht nur das, die Zuhörer glauben fortan, es ist der Start der Missionierung. Nun können nicht alle Kommunikationsleute für sich in Anspruch nehmen, das ultimativ Gute und Heilbringende zu vertreten und auch wenn sie zahlreiche Sprachen sprechen bleibt für sie die Unsicherheit, ob sie verstanden werden. Das ist überhaupt das Spannende an diesem Text der Apostelgeschichte. Für jede Lektorin ist es die Herausforderung des Kirchen-Jahres, all die Sprachgebiete fehlerfrei aufzuzählen: Parther, Meder und Elamiter, Menchen aus Mesopotamien, Judäa, Kappadokien, Pontus, Asien, Phrygien, Pamphylien, Ägypten, Libyen und Kyrene, Römer, Juden, Proselyten, Kreter und Araber. Es heisst aber nicht, dass die Apostel all die Sprachen sprechen, sondern dass sie von ihnen verstanden werden. Das ist etwas, das in der Kommunikation auch heute gerne übersehen wird. Es geht nicht so sehr darum, was gesagt wird – welcher Protagonist mit welchem Zitat vertreten ist und welche juristische Feinheit berücksichtigt wird –, sondern was verstanden wird. Das ist wie bei der Reputation, was alles Tolles gemacht wird reicht nicht, entscheidend ist, welche Haltung dahinter wahrgenommen wird.
Aber zurück zum Feiertag. Das Problem, das an Pfingsten gelöst wird, ist ja eigentlich hausgemacht, bzw. wenn man das so unverblümt auf den Tisch bringen darf, von Gott gemacht. Das Alte Testament erzählt kurz nach der Sintflut die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Im Buch Genesis wird eine Menschheit beschrieben, die ein einziges Volk war, eine einzige Sprache redete und etwas ganz Grosses realisieren wollte. Eine Stadt bauen mit einem gewaltigen Turm, der bis zum Himmel ragen sollte. Das fand Gott nicht gut und verwirrte ihre Sprache, sodass keiner mehr den anderen verstehen konnte und zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde. Wird an Pfingsten wegen des richtigen Zwecks ein Weg gefunden, diesen Umstand wieder zu überwinden? Liegt es am Unterscheid vom alten zum neuen Testament? Hier der strafende Gott und dort der liebende, der seinen Sohn für die Menschheit opfert? Ich weiss es nicht, ich bin kein Theologe.
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Auf jeden Fall haben wir heute rund 1300 km südlich von Babel einen Turm mit 828 Metern und 163 Etagen, genannt Burj Khalifa, in der Schweiz wächst die Pharma baulich 205 Meter in die Höhe und selbst die Post wird in Basel bald in 89 Metern Höhe am Himmel kratzen. Vor allem aber haben wir heut rund 6’500 Sprachen über die ganze Erdkugel verteilt. Alleine in Papua-Neuguinea sind es – je nach Quelle – bis zu 860 verschiedene. Mindestens 700 davon sind jedoch in den nächsten Jahren vom Aussterben bedroht, zusammen mit ihren Sprechern. In Guatemala durfte ich Ende der 80er Jahre erleben, dass in dem kleinen Land allein rund 30 Sprachen gesprochen wurden. Ich befürchte es sind heute auch viele weniger. Es bleibt weltweit aber immer noch eine immense Vielzahl an Sprachen.
Ist das nun als Strafe zu betrachten, wie im Buch Genesis? Oder ist es nicht doch eher ein Segen, der uns vor Augen führt, dass es viele Möglichkeiten gibt, die Welt zu betrachten und das, was uns beglückt oder bedrückt in Worte zu fassen? Ich weiss, die Meinungen darüber gehen auseinander und es gibt Leute, die meinen, die Welt wäre besser, wenn nur englisch oder Mandarin gesprochen würde. Vielleicht kommt es ja mal so weit. Was aber heute schon sicher ist: die Missverständnisse werden dadurch nicht verschwinden. Und es geht ums Verstehenwollen und ums Verstandenwerdenwollen. Darüber werde ich noch ein wenig nachdenken. Als Kommunikationsmensch. An Pfingsten. Frohes Fest!
Digital Engagement Manager, Solution & Service Designer bei Die Schweizerische Post
1 JahrDas wurde heute morgen auch im Vatikan gelebt... dank den Dolmetschern war es ein Erfolg
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1 JahrWunderbar und Danke. Gleichfalls frohes Fest.