Bildung macht stark - auch Unternehmen

Bildung macht stark - auch Unternehmen

Das WEF ist auch die Messe der Wirtschaftstrends - selbst wenn man es, so wie ich, nur am Bildschirm verfolgt. Zum WEF beliefern alle grossen Beratungshäuser und Wissensorganisationen die interessierte Öffentlichkeit mit ihren Analysen und Perspektiven zu Trends und Entwicklungen. Doch etwas ist anders dieses Jahr und hat mich zu diesem Artikel bewegt: Während man sich in der Vergangenheit aus dem Strauss der Trends jene heraussuchen konnte, die auf die eigene Branche oder das eigene Segment zutrafen, sind wir jetzt mit Transformationen der Gesellschaft und Wirtschaft konfrontiert, die alle Organisationen gleichermassen angehen. Was sie ausserdem gemeinsam haben ist, dass sie das Thema Aus- und Weiterbildung auf der Prioritätenliste weit nach oben schieben und Unternehmen wie Ausbildungsinstitutionen vor die Aufgabe stellen, diese gemeinsam neu zu denken.


In meinem letzten LinkedIn-Artikel verwendete ich für das Unternehmen die Analogie der Wellenreiterin, die die anrollenden Wellen erkennt und zu nutzen weiss. Wenn Wellen Trends versinnbildlichen und Monsterwellen Megatrends, dann sind die Entwicklungen, von denen hier die Rede ist mit Ozeanströmen zu vergleichen. Es sind drei Entwicklungen, die massive Transformationen erfordern, die digitale Transformation, die nachhaltige Transformation und die sozio-demographische Transformation.


  1. Die Herausforderung der digitalen Transformation ist nicht neu, sie wird aber laufend neu befeuert und mit der Marktreife von breitentauglichen Künstliche-Intelligenz-Anwendungen bekommt sie nochmals eine neue Qualität. Daneben bleiben die Aufgaben, Prozesse, Geschäftsmodelle und Arbeitskultur weiter anzupassen, wirkungsvollen Datenschutz zu garantieren und Cybersicherheit zu erhöhen.
  2. Noch weniger neu ist die Herausforderung der nachhaltigen Transformation. Hier ist es schlicht die Dringlichkeit, die mit jedem nicht optimal genutzten Monat grösser wird. Immerhin ist das Thema heute in allen Vorstandsetagen etabliert. Aber noch sind es zu wenige Pioniere, die ihre Wertschöpfung konsequent so umstellen, dass dabei in absehbarer Zeit kein CO2 mehr an die Atmosphäre abgegeben wird. Der grösste Mindset-Change findet bei diesen Unternehmen im Finanzwesen statt, damit klimaförderliche Investitionen nicht blockiert werden. Und im Schatten der dominierenden Klimagefahr sind die Haltung zum Konsum, der Umgang mit Ressourcen und Menschen nicht minder starke Schubkräfte dieser Transformation.
  3. Denn es gibt dort enge Zusammenhänge zu der dritten, der sozio-demographischen Herausforderung. Hier geht es nicht einfach nur um die schrumpfende Menge an Menschen auf unserem Arbeitsmarkt sondern auch darum, wie diese Menschen sich optimal einbringen können - und wollen. New Work ist ein Stichwort, das durch die Erlebnisse während der Pandemie Auftrieb erfahren hat. Vielfalt und Inklusion, Purpose, Agilität sind andere, die alle dafür stehen, dass die Rolle und zugleich die Erwartung des Menschen im Unternehmen sich verändert.


„Verändert sich“ heisst im Kontext dieser drei Transformationen „wird wichtiger“. Ein Unternehmen wird ohne das aktive, clevere Zutun „seiner“ Menschen aus keiner der drei Transformationen Positives ziehen können. Die eigenen Mitarbeitenden sind für die Wirtschaft der Hebel, um aus den Transformationen gestärkt hervorzugehen. Und sie sind ihr Ausgangspunkt, um einen positiven Beitrag in die Gesellschaft hinein zu leisten. Aber das lässt sich nicht mehr erreichen, ohne selbst aktiv zu werden und zu investieren. Es reicht für Unternehmen nicht, sich darauf zu verlassen, dass die Mitarbeitenden über Wesen, Risiken und Chancen zum Beispiel der künstlichen Intelligenz durch ihren privaten Medienkonsum informiert und aufgeklärt werden. Geschweige denn zu verstehen, was es für sie in ihrem Leben und damit auch Beruf konkret bedeutet und entsprechende Schlüsse für das eigene Handeln zu ziehen. Das wäre aber die Voraussetzung, um daran mitzuwirken, das Unternehmen, in dem sie sich engagieren, im Umgang mit diesen Transformationen, voranzubringen. Das macht eine neue Qualität dieser Strömungen aus, es fordert Wirtschaft und Ausbildungsstätten heraus, neue Wege zu gehen.


Alle drei Transformationen sind für Unternehmen nur zu meistern, wenn es diesen gelingt, ihre Mitarbeiterschaft zu diesen Herausforderungen aufzuklären, auszubilden und zu aktivieren. Dazu muss das Thema Weiterbildung im Unternehmen stärker verknüpft mit Strategie, Kommunikation und Change und in Ökosystemen mit externen Bildungsanbietern angegangen werden. Und es muss vor allem stärker als Investition verstanden und entsprechend gezielt gesteuert werden. Es muss mehr investiert werden in die Aus- und Weiterbildung, vor allem aber strategischer.

Ausbildungsinstitutionen müssen sich fragen, wie sie Unternehmen dabei unterstützen können und wie sie ihr Angebot weiterentwickeln müssen, um Unternehmen bei diesen Transformationen in den nächsten Jahren wirkungsvoll zu begleiten.

Und schließlich müssen beide, Unternehmen und Ausbildungsinstitutionen, gemeinsam neue Wege suchen, um eine sich ergänzende Partnerschaft zu gestalten.


Für die Schweiz stellen diese Zusammenhänge eine grosse Chance dar. Der Nachteil des letzten Jahrhunderts, dass die Schweiz über kaum natürliche Ressourcen verfügt, dreht sich nun zum Vorteil. Denn er hat in der Schweiz ein herausragendes System der Berufsbildung und der berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung entstehen lassen, dessen Kern die enge Partnerschaft von Unternehmen und Ausbildungsinstitutionen ist. Dieser Vorteil, der die vergangenen Jahrzehnte erarbeitet wurde, kann sich jetzt nochmals um ein Vielfaches auszahlen. Wenn die Chance erkannt und genutzt wird.


Beim Lesen des Artikels mag man nun denken, dass ich die bedeutendsten Entwicklungen ausgelassen habe, nämlich die geopolitischen Spannungen und die Bedrängnis der freiheitlichen Demokratie. Das stimmt. Ein Grund dafür ist, dass diese Entwicklungen sich noch schwieriger mit wenigen Worten angemessen aufgreifen lassen. Der zweite Grund ist, dass sie mit den hier angesprochenen Entwicklungen zusammenhängen. Und der dritte Grund, weshalb ich sie es für vertretbar halte, sie hier nicht zu vertiefen ist, dass auch für Gewaltverzicht und Mündigkeit die Lösung auf die lange Sicht die gleiche ist: es ist die Bildung.

Cornelia von Dewitz

Corporate Communication ¦ Marketing ¦ Digital Transformation ¦ Change Management

11 Monate

Danke für den interessanten Artikel und das Teilen der Gedanken und Beobachtungen der Inhalte vom WEF dazu. Transformation ist ein grosses Wort, und erst recht, wenn die Antwort darauf in den drei von Dir beschriebenen Feldern stattfinden sollte. Vielleicht fängt man mit ersten Schritten an und begibt sich überhaupt erstmal vom Mindset her in eine Transitionsphase. Viele Unternehmen schieben das Thema Aus- und Weiterbildung in die Personalabteilung. Nicht, dass diese das nicht können, das möchte ich damit nicht sagen. Aber wenn der strategische Wert in Zeiten fundamentalen Wandels (durch KI, durch wirtschaftspolitische Verwerfungen, durch die erwähnten soziodemografischen Veränderungen, durch eine hohe Fluktuation oder den Fachkräftemangel) seitens der Führungscrew nicht erkannt wird, läuft man mittel- bis langfristig in ein ernstes Problem. Dass die Mitarbeitenden das wertvollste Gut eines Unternehmens sind und schlussendlich auch nur sie es nach vorn bringen können, ist oft noch nicht richtig angekommen. Es reicht eben nicht, ein Template für eine Weiterbildungsvereinbarung zu haben. Leistungen als Commodities und Mitarbeitende als ersetzbaren Produktionsfaktor zu sehen, das bricht Unternehmen à la longue das Genick.

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