Sprechstunde im Metaversum
Sicherlich konnten Sie es in letzter Zeit nicht vermeiden, den Begriff Metaversum oder Metaverse zu hören. Nicht etwa, weil sie eine Kritik über Neal Stephensons Science-Fiction-Roman Snow Crash anno 1992 verfolgt hätten. Wahrscheinlich haben Sie Berichte über Marc Zuckerberg und seine Visionen einer virtuellen, ungeahnt immersiven Realität erreicht, in der wir eines Tages leben und arbeiten sollen, wenn es nach ihm geht. Und weil Gesundheit eine Rolle spielt, wo gelebt und gearbeitet wird, ist das Thema auch für uns einen zweiten Blick wert. Auch wenn wir ja schon froh wären, wenn wir endlich das letzte Faxgerät ins Museum bringen könnten.
Alles nur Marketing?
Es ist zunächst ein schlauer Marketing-Move, das Thema Metaversum so zu besetzen, wie Zuckerberg es auch durch die Umbenennung von Facebook getan hat. Der Hype darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mehr als Marketing ist. Das Wort ist nicht neu (vgl. Stephenson 1992) und das Zukunftsinstitut hat unser Gesundheitswesen des Jahres 2049 schon als Metaversum prophezeit. In einer Studie sagen die Forscher die Auflösung der Grenze zwischen stationärer und ambulanter Medizin voraus. Digitale, leicht zu bedienende Tools werden Diagnosen so einfach und präzise machen, dass Patienten sie selbst stellen können.
Optimistisch in die Zukunft
Daten hoher Qualität werden mittels Assistenzsystemen erhoben und als Entscheidungsgrundlage an den Arzt übertragen, der sich im Metaversum mit dem Patienten trifft. Der physische Besuch beim Arzt werde die Ausnahme sein. Dank technischer Unterstützung haben Ärzte mehr Zeit für Patienten und können mehr auf deren individuelle Bedürfnisse eingehen. Medikamente würden quasi maßgeschneidert für den jeweiligen Patienten hergestellt. Die Angst vor einer entmenschlichten Medizin sei unbegründet. Die durchweg optimistische Studie geht auch davon aus, dass Patienten in die Sicherheit Ihrer Daten vertrauen und den neuen Techniken gegenüber aufgeschlossen sein werden.
Die neue Liebe zur Privatsphäre
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Indes unterstellen Kritiker Meta, f.k.a Facebook, die Umbenennung als Ablenkungsmanöver inszeniert zu haben, um von der aktuell kritischen Berichterstattung wegzukommen. Diese betrifft entscheidende Punkte, was Datensicherheit und Vertrauen angeht. Die Frage ist berechtigt, ob ausgerechnet dieses Unternehmen das nötige Vertrauen gewinnen kann.
Viel Investment, wenig Ertrag
Auch ist der technische Optimismus bisher reine Fiktion. Die Ressourcen, die den Tech-Giganten zur Verfügung stehen, versprechen viel und doch ist trotz langjährigen Engagements kein Durchbruch in Sicht. Microsoft mit seiner Plattform Mesh und Facebook mit dem Kauf von Oculus haben bereits enorme Ressourcen in die Entwicklung entsprechender Technologien und Kompetenzen investiert und auch die Gaming-Branche verfolgt hier starke Interessen, die interdisziplinär interessant sein könnten. Doch schon lange wird daran gearbeitet und bisher scheinen Durchbrüche nicht in Sicht. Devices wie VR-Brillen entkoppeln zu sehr vom realen Lebensumfeld, um das Metaversum über lange Zeiträume in den Alltag zu integrieren. Solange es eine Entweder-oder-Entscheidung ist, wird die virtuelle Variante spätestens den kürzeren ziehen, wenn das Baby schreit.
Andere bitte voran gehen
Von alledem abgesehen können wir im Gesundheitswesen zunächst anderen Branchen dabei zusehen, wie sie dem Thema begegnen. Es muss ja nicht gleich um Menschenleben gehen. Mesh ist z.B. auf dem Weg Ansätze eines Metaversums für Office-Kommunikation auf den Weg zu bringen. Erste Versionen arbeiten mit Avataren, die ihre Lippen synchron bewegen. Sobald solche Ansätze ernstzunehmende Formen erreichen, wird auch das Gesundheitswesen die Möglichkeiten prüfen. Zuckerbergs visionärer Enthusiasmus in allen Ehren erinnert uns das derzeit vorstellbare jedoch eher an Platons Höhlengleichnis als ans Holodeck von Raumschiff Enterprise.