Staatlich verordneter Stillstand am Bau?
Immer mehr Baustellen drohen durch mangelnde Genehmigungen ins Stocken zu geraten

Staatlich verordneter Stillstand am Bau?

Seit zwei Monaten dauern die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nun in Deutschland an. Die Baubranche hat sich verhältnismäßig gut darauf einstellen und anpassen können. Es gab nur sehr bedingt Stilllegungen von Baustellen, die zumeist auf fehlendes Personal oder Material zurückzuführen waren, wie das Handelsblatt berichtete. Nach einem kurzen Schockmoment, den auch wir bei klarx mit der Vermietung von Baumaschinen gespürt haben, ging es wieder aufwärts. Auf den Baustellen brummt es und geht voran. 

Baugenehmigungen können Flaschenhals werden

Das bedingt allerdings, dass es eine Genehmigung zum Bauen gibt. Prominentestes Beispiel dafür ist derzeit wohl das offene Genehmigungsverfahren um die neue Gigafactory des Elektroauto-Herstellers Tesla, die in Brandenburg entstehen soll. Das Projekt hat nicht nur Anhänger und ist daher Bestandteil einer kontroversen Diskussion, die sich auch in Einwänden zur Baugenehmigung widerspiegelt. Nach Informationen des Handelsblatt lagen 373 Einwendungen vor, die eine Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig machen. Wie es sich für eine gute Verwaltung gehört, gibt es dafür selbstverständlich ein klar definiertes Verfahren, um die Öffentlichkeit an Projekten dieser Tragweite zu beteiligen. Dafür müssen Unterlagen ausgelegt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Auch im Jahr 2020 nehmen unsere Verwaltungen das mit dem “Auslegen” noch sehr wörtlich. Denn die Dokumente werden normalerweise in Behörden physisch zugänglich gemacht. Das mit dem physischen Kontakt in der Öffentlichkeit funktioniert ja derzeit nur sehr schlecht. Darum liegen jetzt zahlreiche Verfahren auf Eis. „Betroffen sind Großvorhaben, die in aufwendigen Genehmigungs-, Planfeststellungs- und Bebauungsplanverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zugelassen werden müssen“, sagt Fritz von Hammerstein, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS dem Handelsblatt. Die Konsequenzen sind je nach Projekt unterschiedlich. Im prominenten Fall Tesla wurde trotz der Einwände und noch ausstehenden Baugenehmigung bereits dreimal ein vorzeitiger Baubeginn beantragt, dem auch stattgegeben wurde. Daher geht es auf der Baustelle in Brandenburg derzeit gut voran, wie man auf dem Twitter-Channel @Gf4Tesla eindrücklich verfolgen kann.

Bremsen die Bauverwaltungen?

Doch neben den Schwierigkeiten bei der öffentlichen Auslegung im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung gibt es in den Verwaltungen noch eine weitere Baustelle. Die Einschränkungen durch Corona haben nämlich auch dazu geführt, dass teilweise Personal nicht im Büro oder auf der Baustelle für Genehmigungen und Abnahmen arbeiten konnte. Ein Teil des Problems ist hausgemacht. Denn es zeigt sich, dass nicht nur die Baubranche sondern vor allem auch die öffentliche Verwaltung Schlusslicht bei der Digitalisierung ist und Homeoffice aufgrund mangelnder IT-Infrastruktur nicht möglich war. Der Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Reinhard Quast, kommentiere dies gegenüber der Allgemeinen Bauzeitung wie folgt: „Noch ist die Bauwirtschaft eine der Branchen, die die Konjunktur in der Corona-Krise besonders stützt. Auf vielen Baustellen kann derzeit weiterhin gearbeitet werden. Allerdings darf die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit in der öffentlichen Verwaltung die Bautätigkeit nicht behindern“. „Es kann nicht sein, dass einsatzfähige Bauunternehmen in Kurzarbeit gehen, weil in den Kommunen keine Beschlüsse zur Freigabe von Geldern oder für die Planung von Bauleistungen gefasst werden“, so Quast abschließend. Die Situation um die Digitalisierung am Bau könnte somit zum Treppenwitz verkommen: Jahrelang war von Politik und Öffentlichkeit auf die Baubranche wegen den Defiziten in der Digitalisierung eingedroschen worden. Jetzt zeigt sich, dass entsprechende Defizite in der Bauverwaltung den reibungslosen Ablauf auf der Baustelle gefährden können. Ein staatlich verordneter Stillstand also?

Planungssicherstellungsgesetz soll Abhilfe schaffen

Am 29. April wurde vom Bundeskabinett der Entwurf für ein Planungssicherstellungsgesetz beschlossen, das auf Vorschlag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) zurückging. Am 5. Mai wurde es dann mit dem Gesetzentwurf "zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der Covid-19-Pandemie" konkret. Er sieht vor, dass befristet bis zum 31. März 2021 eine Bekanntmachung von Unterlagen und Plänen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nun auch weitgehend über das Internet erfolgen könne. Grundsätzlich geht es um „formwahrende Alternativen für Verfahrensschritte in Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie in besonderen Entscheidungsverfahren“, die die Entscheidungs- und Arbeitsfähigkeit für Bauprojekte sicherstellen sollen. Der Bundestag berät am Donnerstag, 14. Mai 2020, abschließend eine halbe Stunde lang über den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der Covid-19-Pandemie“, bevor es in die Abstimmung geht. Das ist für ein neues Gesetz eine sportliche Geschwindigkeit und macht Mut, dass die Initiative um die Digitalisierung und Beschleunigung von Beteiligungsverfahren ernst gemeint ist.

Ohne nachhaltige Digitalisierung der Verwaltung droht Stillstand

Damit könnte zumindest der Anteil an Verzögerungen, die durch die momentan nicht mögliche physische Beteiligung der Öffentlichkeit entsteht, reduziert werden. Das Problem mit mangelnder Digitalisierung und BIM-Fähigkeit der Verwaltungen bleibt bestehen. Kaum ein Bauamt ist derzeit auf Homeoffice vorbereitet und ist dezentral arbeits- oder entscheidungsfähig. Daher ist Vorsicht bei zu großem Optimismus bezüglich der Wirksamkeit der Maßnahmen geboten. Es bleibt also auch für die Baubranche zunächst beim 1. Mai als Tag der Arbeit. Von Seiten der Regierung wurden jetzt aber zumindest Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Pandemie auf den Prozess der Baugenehmigungen abzufedern. Es bleibt zu hoffen, dass dies funktioniert und wir am Ende nicht tatsächlich einen staatlich verordneten Stillstand auf Baustellen durch fehlende Baugenehmigungen erleben.

Christian Holzapfel

Öffentlichkeitsbeteiligung Bahnprojekt Hannover-Bielefeld

4 Jahre

Den Bundestag als Hürde hat das Gesetz gestern genommen. Eine schöne Randnotiz finde ich, dass die Redebeiträge von Philipp Amthor eröffnet wurden – quasi die Fleischwerdung der beiden Begriffe Verwaltungsrecht und Digitalisierung. Der Bundesrat wird heute wohl eine deutlich kleinere Hürde für das Gesetz als die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen für die Verwaltung, um entsprechende digitale Beteiligung zu ermöglichen. Aber so kann man dann mit der Digitalisierung der Verwaltungen endlich mal anfangen. Dass digitale Beteiligung Menschen ohne Breitband und Computerkenntnisse ausschließt ist in meinen Augen auch nur ein Argument für den Breitbandausbau. Denn vermutlich korrelieren ansonsten die digitale und physische Barrierefreiheit auch stark. Sprich: Nicht alle Amtsstuben sind behindertengerecht und es bedarf bei der physischen Beteiligung einer deutlich höheren Mobilität. Jetzt bleibt abzuwarten wie die neuen Möglichkeiten genutzt werden und ob sie nicht ggf. sogar zu mehr Einwänden und langsameren Verfahren führen, da mehr Menschen eine einfachere Möglichkeit zur Beteiligung haben.

Thomas Pöll

✏️ Informationsvorsprung und 💡 Top-Themen in der 💡 Bauwirtschaft

4 Jahre

In Österreich ist das auf jeden Fall auch Thema - je weiter runter vom Bund, umso mehr. Bin gespannt, was in D da vorgelegt wird!

Christian Holzapfel

Öffentlichkeitsbeteiligung Bahnprojekt Hannover-Bielefeld

4 Jahre

Würde mich auch sehr interessieren wie die Allgemeine Bauzeitung ABZ und Robert Bachmann die Situation in den Verwaltungen sehen und, ob es da beispielsweise weiteren Input von Reinhard Quast, Felix Pakleppa oder Hübner Peter gab. Dass es um die Digitalisierung der Verwaltungen nicht gut bestellt ist – geschenkt. Aber wenn das jetzt tatsächlich ernsthafte Auswirkungen auf die Arbeit von Bauunternehmen hat, die die letzten Jahre so viel Prügel für ihre digitale Rückständigkeit bezogen haben, wäre das mal starke Ironie des Schicksals...

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