Stress lass nach! 6+1 Taschenmesser-Tools gegen akuten Stress

Stress lass nach! 6+1 Taschenmesser-Tools gegen akuten Stress

Der bewusste und kompetente Umgang mit Stress, das ausbalancieren von Anspannung und Entspannung (oder auch Anstrengung und Ent-Streng-ung) oder auch unter Belastungssituationen mit Ruhe und Kraft agieren zu können, sind Herausforderungen, die uns zumeist lebenslange Begleiter sind.

Ohne Zweifel ist es sehr lohnenswert, sich mit der Lebensfrage "Wo liegt eigentlich meine persönliche Balance und wie kann ich diese halten?" zu beschäftigen. In der Regel ist solch eine Frage jedoch nicht über Nacht beantwortet und verlangt eine gewisse Übung in der Selbstbeobachtung. Unabhängig davon geraten wir aber immer mal wieder in Situationen oder Phasen, in denen auch ein Zen-Meister "unter Druck" kommen würde. Mal eben kurz noch 2-3 Sachen für einen Kollegen erledigen, eine kurzfristige Änderung im Projektplan, eine wichtige Präsentation vor einer großen Zuhörerschaft, oder etwas Privates, dass kurzfristig ganz anders läuft als geplant. Dann kann es schon mal schnell stressig werden. Häufig merken wir das dann bei uns selbst daran, dass alles irgendwie zu viel wird, wir uns nicht mehr wie gewohnt konzentrieren können oder die Gedanken kreisen. Wir verspüren dann eine grundlegende Nervosität bis hin zu starken Stresssymptomen - denen wir dann häufig, zumindest gefühlt, hilflos ausgeliefert sind. Akuter Stress eben, der in der Regel auch nur für eine absehbare Zeitspanne (Minuten, Stunden, manchmal wenige Tage) andauert.

In diesen Momenten, die ein jeder und eine jede kennt, hilft es natürlich nicht, über die oben beschriebene Lebensfrage nach Balance nachzugrübeln. Hier sind "kleine" Tools nützlich, die uns schnell wieder runterbringen und uns (wortwörtlich) darin unterstützen, einen klaren Kopf zu bewahren. In den letzten Jahren habe ich auf Basis meiner eigenen Erfahrungen, sowie den Rückmeldungen, die ich von zahlreichen Teilnehmenden meiner Seminare zum Thema Selbstführung, Umgang mit Stress oder auch aus Yogakursen, erhalten habe, eine Reihe an "Taschenmesser-Tools" gegen akuten Stress erprobt und zusammengestellt.

Praktisch: Taschenmesser-Tools kann man immer mit dabei haben und überall anwenden.

Folgend möchte ich ein paar meiner Lieblings-Tools derart vorstellen, dass Du sie direkt für dich anwenden kannst. Die Tools sind wie ein Blumenstrauß zu verstehen: Ein paar Blumen werden Dir gefallen bzw. sind für dich nützlich, andere vielleicht eher weniger. Teilweise werde ich ein paar Hintergrunderklärungen zu den Tools geben, um zu verdeutlichen warum und wie sie wirken. "Taschenmesser-Tools" übrigens, da man sie immer mit dabeihaben und überwiegend überall anwenden und gebrauchen kann - egal ob im Meetingraum mit 20 Personen oder alleine im Garten ;-).

1.Wasseratmung

Vier Sekunden einatmen, den Atem zwei Sekunden halten, vier Sekunden ausatmen und (den leeren Atem) wieder zwei Sekunden halten. Es kann hilfreich sein, im Kopf bei jedem Schritt von 1 - 4 bzw. 1 - 2 zu zählen. Mindestens 5-mal wiederholen.

2. Impulsatmung

Sieben (kleine) Atemzüge stoßweise durch die Nase einatmen und 11 Atemzüge stoßweise wieder ausatmen. Mindestens 5-mal wiederholen.

Warum gleich zwei Atemübungen? Unsere Atmung ist eine wunderbare Möglichkeit unser Autonomes Nervensystem anzusprechen - es heißt übrigens Autonomes Nervensystem, da wir es eben nicht direkt, also willentlich Ansprechen können. Der Atem, den wir hingegen bewusst steuern können fungiert quasi als eine Art Brücke zu unserem vegetativen Nervensystem. So wird z.B. durch die Verlangsamung des Atems und durch längeres Ausatmen der Parasympathikus stimuliert und das Stresslevel somit gesenkt. Das merken wir dann daran, dass die Herzfrequenz und der Blutdruck sinken, Muskeln sich entspannen, die Darmaktivität sich verbessert etc.

3. Gute-Laune-Anker

Egal ob Bilder (z.B. vom letzten Urlaub), aufheiternde Zitate oder andere Dinge, die darin unterstützen, in eine positive Stimmung zu kommen oder die einen an erfolgreiche Momente erinnern – in Sichtweite vom Arbeitsbereich platziert, bieten diese Erinnerungen kleine Anker für eine entspanntere Grundstimmung. Manche Anker wirken erfahrungsgemäß quasi auf Lebenszeit, andere wollen von Zeit zur Zeit mal erneuert werden.

In stressigen Situationen tendieren wir dazu einen "kognitiven Tunnelblick" zu entwickeln. Wir fokussieren dann nur noch auf den Stressauslöser oder unser eigenes gestresst sein, was dazu führt, dass wir positive Aspekte oder auch eigene Ressourcen wortwörtlich aus dem Blick verlieren. Die oben beschriebenen "Anker" können dann ein Gegengewicht herstellen und darin unterstützen, die Perspektive wieder zu öffnen.

4. Positiver Tagesrückblick

Fast schon so was wie ein Klassiker der positiven Psychologie, der unscheibar daher kommt, aber große Wirkung entfalten kann: sich abends fünf Minuten Zeit nehmen und drei Momente notieren, die einen an diesem Tag glücklich gemacht haben. Leitfragen könnten sein: "Was war heute schön?" "Was hat mich heute glücklich gemacht?" "Wofür bin ich dankbar?" So lernt das Gehirn (wieder) mehr auf die positiven Aspekte des Alltäglichen zu fokussieren und wir erleben diese bewusster und intensiver. Am besten mindestens 21 Tage am Stück machen. Mit der Zeit fällt es erfahrungsgemäß immer leichter positive Momente zu erinnern (das Gehirn lernt quasi mit einem anderen Blick durch die Welt zu gehen) und die Liste kann dann auch auf fünf bis zehn Punkte erweitert werden.

Zu Beginn ist es vielleicht an manchen Tagen etwas schwierig, gleich drei Dinge für den Tagesrückblick zu finden. Dann kann es hilfreich sein, sich daran zu erinnern das es manchmal auch die kleinen Dinge sind, die uns einen Glücksmoment spenden. Das kann auch mal die Tasse Kaffee oder Tee am Morgen oder ein Sonnenstrahl im Gesicht sein. Nach und nach lernt das Gehirn verstärkt auf solche Momente zu achten und uns wird bewusster, was uns gut tut und Glück empfinden lässt.

5. Oxytocin-Boost

Eine andere (sympathische!) Person für mindestens 20 Sekunden umarmen. Dadurch wird die Ausschüttung des Hormons Oxytocin angeregt und somit u.a. Gefühle der Zufriedenheit gefördert und Stressreaktionen gemindert.

Oxytocin wird auch als das "Kuschelhormon" bezeichnet, da es ein Gefühl von bedeutsamen Beziehungen in uns entstehen lässt. Die Ausschüttung regt die Reduzierung des Blutdrucks und den Abbau von Cortisol (das "Stresshormon") an. Abgesehen davon wurden in Studien verschiedenste weitere positive Effekte nachgewiesen. Darunter zum Beispiel auch die Stärkung des Immunsystems, mehr Vertrauen in Andere und uns selbst oder auch eine regulatorische Wirkung auf das Körpergewicht.

6. Körperliche Bewegung

Leichte sportliche Aktivitäten, wie z.B. Spazieren gehen, Joggen, Schwimmen, Fahrradfahren oder auch Yoga, bauen unmittelbar einen bedeutenden Anteil des körperlichen Stresserlebens ab.

Wenn wir in Stress geraten produziert der Körper das oben bereits genannte Stresshormon Cortisol (außerdem noch Adrenalin, Insulin und Noradrenalin). Cortisol versetzt unseren Körper in einen Alarmzustand, so dass im Notfall schnell und viel Energie zur Verfügung gestellt werden kann. Der Clou an der Sache: Früher reagierten wir in Stresssituationen, wie zum Beispiel das plötzliche Auftauchen des berühmtberüchtigten Säbelzahntigers, mit körperlicher Bewegung (Kampf oder Flucht). Im modernen Büroalltag ist die Stressreaktion des Körpers (Ausschüttung von Cortisol) geblieben, aber die anschließende Bewegung bleibt in der Regel aus, wodurch die innere Spannung nicht angemessen abgebaut werden kann.

Regelmäßiger Sport regt des Weiteren die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns an. Was sich wiederrum positiv auf unsere kognitiven Funktionen auswirken und somit die wahrgenommene Stressbewältigungskompetenz erhöhen kann. So erzielen zum Beispiel auch Schüler in vermeintlich schwächeren Fächern bessere Noten, wenn Sie vor dem Unterricht und vor Prüfungen Sport treiben.

+1 Ein Lied oder Mantra singen (oder summen)

Ich weiß, die meisten singen nicht gerne und glauben, dass sie auch nicht singen können (inklusive mir). Singen wirkt sich jedoch auf zahlreiche Arten und Weisen harmonisierend auf den Körper und Geist aus und soll deswegen als +1 hier genannt werden. Zum Beispiel fördert Singen den Abbau von Cortisol und regt die Produktion von Serotonin und Beta-Endorphinen an - unser Nervensystem entspannt sich. Falls Singen mal nicht möglich sein sollte, kann man ein Lied für sich auch leise summen.

Das rezitieren von Mantren ist durch den wiederholenden Charakter gleichzeitig noch eine sanfte Akupressur des Mundraums und kann die geistige Fokussierung unterstützen. Übrigens ist Singen auch immer automatisch eine Atemübung, bei der wir länger Aus- als Einatmen, was den Entspannungseffekt zusätzlich unterstützt (siehe auch Punkt 1 und 2).


Vielleicht hat die oder andere der hier genannten Taschenmesser-Tools ja Neugier geweckt?! Ich wünsche auf jeden Fall Freude und eine entspannende Wirkung beim Ausprobieren. Übrigens ist es bei diesen Methoden wie mit allen Dingen im Leben: Übung macht den Meister. Und auch der "Entspannungsmuskel" braucht bei Zeiten ein paar Anläufe für eine nachhaltige Kräftigung.

PS: Über Kommentare, Rückfragen oder auch geteilte Erfahrungen in den Kommentaren freue ich mich!

Lieber Daniel, Ein sehr informativer Artikel mit nützlichen Tipps & Tricks für das akute Stressmanagement! Danke dafür! :) Und ich gebe dir Recht, dass es neben diesen sehr sinnvollen “Taschenmesser Tool” auch Sinn macht sich generell damit zu beschäftigen, was man den braucht, um für sich in einer guten Balance zu sein. Gar nicht so einfach. Aber aus meiner Erfahrung kann einem das Tool LUXXprofile sehr dabei helfen, seine eigenen Motive besser zu verstehen. Also warum mache ich etwas? Was brauche ich für Glück und Zufriedenheit und was sind Gründe für Stress und Unzufriedenheit? Mit diesem Ansatz arbeite ich auch im Bereich der Burnout-Prävention. Ich würde mich freuen, wenn wir uns dazu mal austauschen. Liebe Grüße, Felicia

Bei mir ist es ein Espresso und die damit verbundene Nicht-Raucher-Pause - das hilft regelmäßig;)

Corinna Armbrüster

Professorin an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung

5 Jahre

Und ich summe vor mich hin ... Danke für die Erinnerung

Anette Stein-Hanusch

Leader in Mind GmbH l Executive Coach l Theory U Practitioner l Transformation l New Work l High Performance Teams

5 Jahre

Lieber Daniel, vielen Dank für Deine Tachsenmesser Tools, den Namen finde ich besonders gelungen. Die 5. habe ich noch gar nicht bedacht, aber eine wunderbare Erinnerung für eine körperliche Berührung zu sorgen. Bei 4. finde ich schön, zusätzlich entweder ein kleines Dankbarkeitstagebuch am Bett liegen zu haben und zu füllen, das nährt so schön an den Tagen, an denen man die Welt so düster sieht. Oder man füllt ein kleines Säckchen mit kleinen Edelsteinen für jeden gefundenen Glücks-oder Dankbarkeitsmoment. Da kann man dann am Ende der Woche vor Glück ein wenig über das volle Säckchen staunen. LG Anette

Daniel Pauw

Organizational Psychologist | Organisationsberater @covolution | Co-Founder New Work Men

5 Jahre

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