Traktoren zieht es zu High-Tech

Traktoren zieht es zu High-Tech

Traktoren zieht es in Richtung High-Tech

Der Schweizer Markt stagniert, aber die Maschinen werden teurer, stärker und leichter

Von Andreas Schwander

Traktoren bekommt man meistens nur zu sehen, wenn sie auf der Landstrasse vor einem fahren und der Termin der nächsten Sitzung drängt. Doch ohne Traktoren gibt’s nichts – kein Kaffee während der Sitzung, kein Zucker, keinen Kaffeerahm. Und zum Mittagessen gibt’s weder Fleisch noch Kartoffeln, kein Salat und keine Teigwaren. Praktisch alle Nahrungsmittel, die wir täglich konsumieren, mit Ausnahme von Fisch, wären ohne mehrere längere Traktorentransporte innerhalb der Lieferkette nicht möglich. Oder die Nahrungsmittel wären viel teurer. Denn zu Zeiten der Bilderbuch-Albert-Anker-Landwirtschaft mit Ross und Wagen gaben Schweizer Haushalte noch mehr als die Hälfte ihres Einkommens fürs Essen aus. Heute sind es weniger als zehn Prozent. Den Preissturz bei den Nahrungsmitteln verdanken wir vor allem der Mechanisierung der Landwirtschaft, deren zentrales Element der Traktor ist.

In der Schweiz nimmt die Zahl der Bauernbetriebe laufend ab. Trotzdem steigt die Zahl der Traktoren. Im Jahr 2000 kamen auf rund 70 000 Bauernbetriebe 124 000 zugelassene Traktoren. 2017 waren es noch 51 000 Betriebe. Diese fuhren aber rund 140 000 Traktoren. Allerdings wird trotz schrumpfender Zahl Betriebe die bewirtschaftete Landfläche kaum kleiner. Das Land von pensionierten Bauern wird dann meist von jüngeren gepachtet und für die zusätzliche Fläche brauchen sie neue Maschinen.

Modernste Flotte

Die Zahl der neu zugelassenen Traktoren pro Jahr hängt von den Ernteerträgen ab, aber auch von den Politik- und Subventionswindrichtungen in Bern. Allerdings gibt es ein paar Fixpunkte. Wurden im Jahr 2000 laut der Fachzeitschrift «Die Grüne» noch 2957 Traktoren neu zugelassen, waren es im Jahr 2017 nur noch 2000 Fahrzeuge. Dafür sind in den letzten Jahren die Traktoren immer leichter, aber auch immer leistungsfähiger und teurer geworden. Leichtbau am Traktor kostet, aber bei einem gegebenen Gesamtgewicht kann er dann mehr Last mitnehmen. Zudem ist den Bauern die Schonung des Bodens wichtig. So richtet ein Monstrum mit gewaltig breiten Reifen deutlich weniger Schaden am Boden an als ein alter Klappertraktor mit schmalen Rädern, die den Boden drunter so stark verdichten, dass dann nichts mehr wächst. Ebenfalls typisch für die Schweiz ist, dass die Schweizer Traktorenflotte die modernste in Europa ist, mit der tiefsten Anzahl jährlicher Betriebsstunden. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Betriebe in der Schweiz in der Regel kleiner sind als in der EU und auch auf einem kleineren Hof der Traktor täglich gebraucht wird.

Ein altgedienter Verkäufer sagt dazu allerdings: «Ich mache immer drei Offerten und der Bauer nimmt immer die teuerste Variante». Und die Verkäufer staunen bisweilen selber darüber, dass der meistverkaufte Traktor in der Schweiz der «Rolls Royce» ist, die deutsche Traktoren-Edelmarke Fendt mit einem Marktanteil von 19 Prozent. Deren populärstes Modell kostet in der Grundausführung 115 000 Franken, während die Verfolger von New Holland, John Deere, Deutz-Fahr oder Massey Ferguson wie mit vergleichbarer Leistung schon ab etwa 85 000 Franken brauchbare Maschinen anbieten. Grundsätzlich gilt bei allen mehr oder weniger «1000 Franken pro PS», wobei «vergleichbar» ein dehnbarer Begriff ist. Denn kaum ein Traktor wird in derselben Konfiguration ausgeliefert und die Unterschiede sind deutlich grösser als bei Autos. Jeder Bauer hat andere Ansprüche, bedingt durch die Topographie, ob im Flachland oder in den Bergen, ob er oft auf der Strasse fährt oder mehr im Feld, ob er Ackerbau betreibt oder Viehwirtschaft und ob er von der Gemeinde im Winter einen Schneeräumauftrag hat.

Die angehängte Maschine befiehlt

Vor allem im Ackerbau macht die Technologie im Moment grosse Sprünge. GPS-geführte Traktoren gibt es schon länger. Damit können die Maschinen millimetergenau immer in der selben Spur übers Feld fahren, ohne immer wieder andere Pflanzen zu zerdrücken und ohne eine einzige Fahrt zu viel zu machen. Mittlerweile steuert aber nicht mehr der Traktor die angehängte Maschine, sondern die Maschinen steuert den Traktor und übertragen ihm ihre Daten. So verlangsamt eine Ballenpresse oder eine Mähmaschine den Traktor, wenn an einer Stelle sehr viel gewachsen ist und sie nicht mehr alles Material verarbeiten kann. Sie beschleunigt aber auch, wenn an einer andern Stelle nichts wächst. Gleichzeitig überträgt sie die Geodaten dieser Stelle an den Traktor. Dieser teilt dann im nächsten Jahr der Säh- oder Düngemaschine, sie solle an besagter kahlen Stelle etwas mehr sähen oder düngen.

Ein nächster Schritt wären dann so genannte Feldroboter, welche komplett autonom agieren. Solche Maschinen gibt e zwar schon. Allerdings steht ihrem breiteren Einsatz noch die Gesetzgebung im Weg. Doch schon jetzt könnten GPS-geführte Traktoren auf dem Feld selber praktisch autonom operieren, so dass ein Fahrer in naher Zukunft mehrere Maschinen bedienen kann und sich nur noch auf den Traktor setzen muss, sobald er auf der Strasse fährt.

Lohnunternehmer kaufen grosse Maschinen

Ein wichtiger für die steigenden Leistungen und die steigenden Preise der in der Schweiz verkauften Traktoren sind denn auch genau jene Maschinen, die öfters auf der Strasse unterwegs sind und die mittlerweile die Dimensionen von Lokomotiven angenommen haben. Diese Grosstraktoren werden in der Regel nicht von den Bauern selber betrieben, sondern von so genannten Lohnunternehmern. Sie haben kein eigenes Land, sondern vermieten lediglich ihren Maschinenpark zusammen mit dem Personal.

Das ist vor allem im Herbst wichtig, wenn etwa während der Zuckerrübenernte sehr grosse Mengen an Rüben in kurzer Zeit transportiert werden müssen. Und das sind dann genau jene Traktoren, hinter denen sich Autofahrer über die Landwirtschaft ärgern. Doch gegen den Ärger hilft nur eines: Man ruft sich in Erinnerung, dass es ohne den Traktor da vorne nichts zu essen gäbe – und wenn es etwas gäbe, wer es so teuer, dass man sich das Auto, in dem man hinter dem Traktor herfährt, nicht leisten könnte.

 

Stephan Ackermann

Bereichsleiter Produktmanagement / Director Product Management bei PÖTTINGER Landtechnik GmbH

6 Jahre

Bravo, sehr guter Artikel, dennoch schreibt man die gute, alte Sämaschine noch immer ohne "h" 😉

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