Transparente Kaffee-Kommunikation. Wofür?
Kürzlich bekam ich die Gelegenheit, am Soziologischen Seminar der Universität Luzern über Kaffee und Transparenz zu sprechen. Hier gebe ich eine kurze Zusammenfassung, was ich mit den Studierenden besprechen konnte.
"Transparenz als Wirtschaftlicher Wert" hiess das Seminar von Dr. des. Judith Nyfeler, die mit ihren Studierenden untersucht, was die Chancen und Herausforderungen totaler Transparenz für Unternehmen und Politik bedeuten.
Ich nahm die Einladung herzlich gerne an; selten bekommt man die Möglichkeit, seinen unternehmerischen Ansatz und eine innere Haltung auf kritische Art und Weise zu spiegeln. Es ist etwas anderes, wenn wir die Chance haben, mit nicht-Kaffeemenschen über diese Themen zu sprechen.
Zusammenfassung der Punkte meiner Präsentation:
Transparenz als Grundannahme und nicht als Modewort
Auswahl heisst Verantwortung
- wer mehr Auswahl hat auf der Kaffee-Kette, hat automatisch mehr Verantwortung über seine Entscheide
- Ich sehe die Reihenfolge so: da Röster mehr Auswahl haben, wo sie den Kaffee kaufen (tausende von Rohkaffees), haben sie eine grössere Verantwortung in ihrer Rohkaffeeauswahl, als die Konsumenten.
- Die Konsumenten können nur das kaufen, was ihnen den Röster anbieten (i.a.R. ca. 10+ Produkte pro Rösterei).
Kaffee ist kein romantisches Produkt
- Kaffee bleibt in seiner Grundkonstitution ein klassisches Kolonialprodukt. Der Rohstoff kommt in das verarbeitende Land, wo er "veredelt" wird
- in der besten aller Welten würde Kaffee an Ort und Stelle wo er wächst, geröstet werden. So würde die Wertschöpfung im "Ursprung" bleiben
Warum Transparenz?
- für uns: intrinsischer Wert > wirtschaftlicher Wert
- wir sehen keinen anderen Weg, wie wir mit Kaffee, dem Einkauf, dem Rösten und der Zubereitung umgehen könnten
- dadurch, dass wir selbst Kaffee in Nicaragua produzieren, schärft dies unsere Wahrnehmung, wie wir mit Kaffee arbeiten wollen
- Romantisierung und Mystifizierung von Kaffee irritiert uns eher, der gegensätzliche Ansatz ist die Transparenz
- evtl. wirkt sich das in Zukunft auch wirtschaftlich aus. Momentan sind wir aber in einer Phase, in der wir noch nicht genau sehen können, wohin diese Transparenz-Reise geht, und welchen wirtschaftlichen Einfluss auf uns sie genau spielen wird
Was sagen Kollegen dazu?
Raphael Studer von algrano, Zürich
"Im Kaffeehandel fliessen Informationen immer noch nur in eine Richtung. Konkret aus der Sicht des Rösters: als Einkäufer kenne ich nur die Details meines Einkaufs, nicht aber die Details des Einkaufs meines Verkäufers. Als Produzent: Kenne ich nur die Details zu meinem Verkauf, nicht aber die Details des Verkaufs an den Röster. Die Person die am meisten weiss, ist in der Mitte. ...
Weiter sagt er:
Transparenz: ist stärker als traceability (die oft als physische Rückverfolgbarkeit ausgelegt wird: wir verfolgen die Kette zurück ändern sie aber nicht). Transparenz sollte in einer Handelsbeziehung herrschen (muss nicht publik sein - Neid Nachbarn, andere Kunden). Es bedeutet Information fliesst in beide Richtungen."
ich merke mir:
- traceability (Rückverfolgbarkeit) ist nicht gleich Transparenz
- Transparenz nur dann komplett, wenn die Informationen in alle Richtungen fliessen
Roger Wittwer von der Kafischmitte, Langnau i.E.
"Transparenz hat nur einen positiven wirtschaftlichen Effekt wenn die Akteure am Markt grossteils intransparent agieren. Transparenz wirkt dann verstärkt, wenn die Branche (z.B. Rohstoffhandel) als „tendenziell unfair“ ggü. dem schwächsten Akteur wahrgenommen wird.
Wichtig ist „vollständige“ Transparenz. „Ein bisschen“ Transparenz wirkt schnell mal unglaubwürdig. Ganz gefährlich ist „scheinbare oder vorgegaukelte“ Transparenz. Also wenn die Transparenz nicht oder nur zum Teil die Realität wiedergibt.
Auf Seiten der Kaffeebauern kann Transparenz hinderlich sein, wenn der Kaffee an mehrere Abnehmer zu unterschiedlichen Preisen verkauft wird. Folgen können Kundenverlust, Preisdruck, Neid der Nachbarn etc. sein."
ich merke mir:
- "ein bisschen Transparenz" als schädlicher Mechanismus
- totale Transparenz verlangt Konsequenz - sonst macht man sich verwundbar
Stefan Dachale, Mokuska Kaffee, Stuttgart
"Transparenz ist für uns nicht nur auf moralischer Ebene ein wichtiger Aspekt, sondern auch auf monetärer Seite. Spezialitätenkaffee, oder Specialty Coffee, bewegt sich preislich im oberen und teilweise sogar im Luxuspreissgement - gerade im Vergleich zu industriellem Mainstreamkaffee, den es im Lebensmitteleinzelhandel zu kaufen gibt und der für viele Kaffeetrinker die geschmackliche und preisliche Referenz ist. (…) Je detailgetreuer wir dies abbilden können, umso glaubwürdiger sind wir für unsere Kunden und umso nachhaltiger wird unsere Arbeit sein. In einer Marktnische wie Spezialitätenkaffee, in der das Bedürfnis nach mehr Produktinformationen stetig wächst, kann Transparenz ein Wettbewerbsvorteil sein und somit auch ein wirtschaftlicher (Mehr)wert.“
ich merke mir:
- wir dürfen höhere Verkaufspreise für Spezialitätenkaffees verlangen, sind dadurch aber in einer Bringschuld an Informationen, wieso der Kaffee teurer ist
Herausforderungen der Transparenz
wie sexy ist die Marketing-Botschaft?
Ein guter Bekannter meinte kürzlich,
dass wir unsere Mystik verlieren, wenn wir alles transparent machen. Das magische Moment, das auf Kunden anziehend wirken kann, ginge durch die totale Transparenz verloren.
Ich kann diese Kritik unter dem Gesichtspunkt eines Marketing-Ansatzes verstehen, der einen love brand schaffen möchte. Eine Marke, die viele Käufer kaufen, weil sie ihnen ein gutes Gefühl gibt.
Und hier sind wir gar nicht so weit davon entfernt - auch unser Ansatz, so transparent wie möglich über Kaffee zu berichten, wird unseren Partnern, Freunden, Fans und Kunden ein gutes Gefühl geben. Und wenn nicht, sind sie uns vielleicht aus anderen Gründen treu.
Dass Transparenz nicht so attraktiv zu kommunizieren ist, sehen wir als tolle Herausforderung:
wie schaffen wir es, komplexe Botschaften in knackige Portionen zu verpacken?
Eines ist transparente Kommunikation sicher nicht: einfach. Bei immer weniger Aufmerksamkeitsspanne, mehr Infos und mehr Farben, Bilder, etc., haben es die komplexeren Themen etwas schwieriger. Und das wird uns in der Zukunft begleiten.
Die positiven Effekte transparenter Kaffee-Kommunikation
- wir kommunizieren so klar wie nur möglich über das, was wir tun und werden so
- unverfänglich, überliefern die gleiche Geschichte und
- werden effizient in dem, wie wir etwas kommunizieren wollen und schaffen so
- Vertrauen zu unseren Partnern, Freunden und Lieferanten
Was tun wir bis jetzt?
Wie wir über Transparenz im Kaffee im Detail denken, schreiben wir hier: https://kaffeemacher.ch/transparenz/
In dieser Rubrik legen wir auch unsere Einkaufspreise offen, wie viel wir für unsere Rohkaffees bezahlen.
In einem Podcast mit Pascal Herzog spricht er von einem "Daten-Striptease" und fordert hier alle Parteien dazu auf, "richtig transparent zu sein" - wenn man vom Produzenten und dem Händler verlangt, so offen wie möglich mit Zahlen umzugehen, warum machen da viele Röster noch nicht mit?"
Pascals Worte hallen mir nach und fordern uns heraus, noch weiter an einer transparenten Kommunikation zu arbeiten, abzuwägen und uns selber herauszufordern.