Wein und Kaffee, Kaffee und Wein. Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
"Coffee and Wine" von Morten Scholer ist das erste seiner Art, das so intensiv die Gmeinsamkeiten und Unterschiede vergleicht

Wein und Kaffee, Kaffee und Wein. Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Wir Kaffeemenschen benutzen oft den Satz «Das ist wie beim Wein!», wenn wir etwas über Kaffee erklären möchten. Doch hält der Vergleich der beiden Genussmittel stand? Gibt es wirklich so viele Gemeinsamkeiten?

Original-Post auf www.kaffeemacher.ch

Im September 2018 habe ich mir das oben abgebildete Buch von Morten Scholer gekauft, «Coffee and Wine». Der Autor vergleicht die beiden Genussmittel so präzise, wie das noch niemand vor ihm gemacht hat. An hunderten Beispielen zeigt er auf, dass die beiden Produkte nur oberflächlich sehr ähnlich sind, wenn wir aber in die Tiefen gehen, wir viel mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten feststellen.

Das schmerzt jetzt die Kaffeemenschen unter uns vielleicht etwas. Aber schmerzt es die Weinmenschen auch? Ich glaube (noch) nicht. Der Drang, Kaffee oft mit Wein zu vergleichen, kommt wohl stark aus der Kaffee-Ecke.

Kürzlich machte ich eine Kaffee-Degustation für Laien, was immer höchst spannend ist. Ich versuchte, möglichst extreme Kaffees mit dem Gewohnten zu mischen. Wir hatten Kaffees aus Brasilien, Kenia, Äthiopien und Zentralamerika, verschiedene Aufbereitungen und verschiedene Alter und Röstgrade. Um aufzuzeigen, wie unterschiedlich die Kaffees sind, sagte ich: «Wenn wir hier Wein trinken würden, dann wären das wohl ein Riesling, ein Traubensaft, eine Amarone, ein Chardonnay und ein Pinot Noir.» Es wurde geschmunzelt – die Anlehnung an das Weinjargon wurde verstanden.

Würden nun Weinmenschen sagen: «Diese Weindegustation ist wie beim Kaffee? Wir vergleichen…» – wohl kaum. Es gibt einfache Gründe: die Mehrheit der Genussmenschen haben wohl eher schon eine Weinverkostung, aber noch keine Kaffeeverkostung mitgemacht. Bei Wein fühlen sich viele sattelfester, als bei Kaffee. Und wenn mal eine Kaffeeverkostung gemacht wurde, dann höchst selten in einer Form, die einer Weinverkostung überhaupt ebenbürtig ist: als Cupping (weil die ehrlichste Form, Kaffee zu analysieren), strukturiert und objektiv.

Wenn ich sehe, dass Espresso-Degustationen als Vergleich herangezogen werden, dann haben wir hier einige unüberwindbare Herausforderungen: Espresso muss zuerst mal gut extrahiert werden. Und dann muss man willens und fähig sein, mehrere Espressi hintereinander zu kippen und analysieren zu können – und wer macht das schon mit Genuss? Vorher belegt es einem pelzig die Zunge wie ein junger Barolo und jedes nächste Getränk schmeckt nur halb so gut.

Abenteuerlustig beim Wein, konservativ beim Kaffee

Gleichzeitig, und das ist mein persönliches Empfinden, ist man bei Wein etwas abenteuerlustiger als bei Kaffee. Kaffee ist das intime Ritual, die persönlichen fünf Minuten am Morgen, die man jemandem nicht wegnehmen, geschweige denn streitig machen kann. Da weiss jeder Kaffeetrinker, was er genau will und braucht. Keine Diskussion. Ganz anders die Situation am Abend, im Restaurant, als Belohnung fürs Tageswerk, da verlässt man sich gerne auf die Kenntnisse der Sommeliers, oder studiert genüsslich die Weinkarte. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich beim Menu ziemlich schnell wählen kann, dann die letzten zwei Drittel der Zeit bis zur Bestellung in der Weinkarte versinke. Weil es einfach Spass macht und lehrreich ist.

Kaffeekarten und Weinkarten

Und die Kaffeekarte? Es steht dann vielleicht so was wie «unsere Kaffeespezialitäten», was aber niemals mit «unser Spezialitätenkaffee» verwechselt werden sollte. Das sind zwei verschiedene Dinge, hören sich aber beide gut an. Ausgedehnte Kaffeekarten gibt es leider noch viel zu wenig. Es ist auch technisch schwer umsetzbar, wenn man für Frische steht – um 20 Weine frisch zu halten, öffne ich sie einfach noch nicht. Ein paar Tage länger altern, tut ihnen nicht schlecht. Den Kaffee aber ein paar Tage länger altern, kann diesen in Mitleidenschaft ziehen.

Kaffee und Wein sind unterschiedlich. Als Kaffeemenschen können wir Wein heranziehen, um Empfindungen, sensorische Eindrücke und Interpretationen zu vergleichen. Ebenfalls dient uns das Weinvokabular auch im Kaffee, wir können es gut in die Kaffeesprache einbinden.

Sobald es aber in den Anbau geht, da hören die Gemeinsamkeiten auf. Ein Beispiel? Reben, die auf trockenem, kargen und steilen Boden wachsen, haben die Chance auf sehr gute Gewächse. Kaffeebäume, die auf trockenen, kargen und steilen Böden wachsen, sterben ab.

Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten schmecken

Wir finden mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. In einem gemeinsamen Interview mit Seyma Bas gehen wir im Salz und Pfeffer (2/2018) genau auf diese Thematik ein. Mit der Weinexpertin Seyma Bas veranstalten die Kaffeemacher auch einen intensiven 1-tägigen Wein- und Kaffeekurs (auf Englisch und Deutsch). Im Fokus steht die Fermentation und deren Rolle in der Geschmacksbildung.

sven ahlborn

Gründer und kulinarisch-kreativer Denker, Schreiber und Fotograf bei O SUSSURRADOR

5 Jahre

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen