Unternehmensverkauf: Wahl zwischen Pest und Cholera?

Unternehmensverkauf: Wahl zwischen Pest und Cholera?

Über das Wohl und Wehe der Interessentenauswahl

Der demografische Wandel lässt die Zahl von Unternehmern mit Nachfolgeüberlegungen steigen. Wenn eine interne Nachfolgeregelung im Familienunternehmen nicht möglich ist und ein Unternehmensverkauf ansteht, stellt sich die Frage, an wen verkaufe ich mein erfolgreiches „Lebenswerk“? In Diskussionen über geeignete mögliche Käufer entsteht nicht selten der Eindruck, der Unternehmer habe hier nur die Wahl zwischen „Pest und Cholera“. Der Verkauf an einen Wettbewerber kommt nicht in Frage! Da wird für das Lebenswerk die Gefahr heraufbeschworen, zur bloßen Niederlassung degradiert zu werden oder schlimmer noch, dass Standortschließungen drohen. Und an einen Finanzinvestor, also Private Equity, kommt eine Veräußerung schon gar nicht in Frage. Die vom Politiker Franz Müntefering initiierte „Heuschrecken“-Debatte wird heute immer noch gerne aus der Schublade gezogen. Es lohnt eine differenzierte Betrachtung, denn ohne Käufer gibt es nun mal keine externe Nachfolgeregelung. Gerade für mittelständische Familienunternehmen ist die Qualität, Expertise und Glaubwürdigkeit des Käufers wesentlich. Dem kann eine spezifische Interessentenauswahl und die richtige Strukturierung des Verkaufsprozesses Rechnung tragen. Schließlich geht es hier nicht um ein Auto oder Grundstück, sondern ein erfolgreiches „Lebenswerk“. Reine „Vermittlung“ und „Makelei“ sind hier nicht gefragt, sondern fundierte Beratung und Begleitung im Interesse ausschließlich des Verkäufers.

„Wettbewerber“/Strategische Käufer

Kein Verkauf an Wettbewerber? Pauschale Aussagen oder Wertungen helfen bei Unternehmensverkäufen nicht. Es stellt sich die Frage, wer ist eigentlich wirklich echter Wettbewerber zu dem zu verkaufenden Unternehmen. Bei näherer Analyse zeigt sich häufig, dass es „Wettbewerber“ gibt, deren Produktportfolio eher komplementär ist oder für die der Zukauf des Unternehmens ein Zugang zu anderen regionalen Märkten oder Kunden und damit ebenfalls komplementär ist. Die Bezeichnung „Wettbewerber“ greift hier zu kurz, es sind richtigerweise strategische Käufer, weil sich die Aktivitäten von Zielunternehmen und Käufer ergänzen. Der Verkauf an einen Strategen zum richtigen Zeitpunkt (!) kann aber auch deshalb angezeigt sein, wenn sich Märkte konsolidieren und Klein gegen Gross kein Zukunftsmodell ist. Ebenfalls kann der Verkauf an einen strategischen „Partner“ sinnvoll sein, um z.B. die Vertriebskraft des eigenen Unternehmens zu stärken, weil es allein zu riskant oder zu teuer ist, Stützpunkte im Ausland aufzubauen. Die Unternehmensnachfolge ist damit auch nicht zwingend eine Frage des Alters des Unternehmensinhabers. Im ersten Schritt müssen auch nicht immer gleich 100% der Anteile verkauft werden. Der Behalt einer Beteiligung lässt den Verkäufer an der weiteren Entwicklung des Unternehmens partizipieren. Es kann also strategisch richtig Sinn machen, an einen sogenannten Wettbewerber zu verkaufen – es muss „nur“ der richtige sein. Das Portfolio geeigneter strategischer Käufer lässt sich zudem sehr gut um sogenannte Konglomerate erweitern. Das sind regelmäßig international aufgestellte Unternehmensgruppen, die mit einer breiteren Branchenausrichtung attraktive mittelgroße Unternehmen benachbarter Sektoren erwerben. Gutes Research des M&A Beraters bringt hierzu häufig Vorschläge, an die der Eigentümer vorher gar nicht gedacht hat. Insoweit noch ein Wort zur Branchenexpertise des Beraters mit vielen Transaktionen in einer Branche. Was hilft diese generelle Branchenkenntnis wirklich, wenn das Unternehmen sehr erfolgreich in einer ganz speziellen Nische, einem Sub-Sub-Sektor, tätig ist? Da helfen – Expertise hin oder her - nur sehr gutes Research und ein breites Netzwerk des Beraters. Erfahrene und wirklich gute Berater können in nahezu jedem Sektor passende potenzielle Käufer identifizieren – wenn sie für das mögliche Projekt tatsächlich „brennen“. Dies sollte der Unternehmer im persönlichen Gespräch schnell herausfinden.

Finanzinvestoren/Family Offices als Käufer

Private Equity schon gar nicht? Ja, das sogenannte Heuschrecken-Thema kommt immer wieder dann auf den Tisch, wenn ein Unternehmen in der Eigentümerschaft eines Finanzinvestors in eine Schieflage gerät (was bei dem zugrundeliegenden Unternehmen Grohe übrigens gar nicht der Fall war – im Gegenteil war dies eine außerordentlich erfolgreiche Unternehmensentwicklung in Private Equity Händen). Eine Schieflage kann grundsätzlich auch bei einem strategischen Erwerber entstehen. Und wie viele Unternehmen geraten ohne externe Gesellschafter, ohne Verkauf, in Schieflage? Wenn sich Familienunternehmen etwas näher mit Private Equity beschäftigen, wird schnell klar, dass im langfristigen Durchschnitt etwa 20% bis 30% aller Unternehmenstransaktionen im Mittelstand mit Finanzinvestoren als Käufer realisiert werden. Das früher hervorgehobene Motiv der Renditeerzielung primär über die Hebelwirkung des eingesetzten Fremdkapitals („Leverage-Effekt“), ist heute überholt. Private Equity mag Mittelstand, mag erfolgreiche Geschäftsmodelle mit Potentialen, die sie weiter entwickeln können. Fakt ist, dass die Entwicklung von Unternehmen in der Hand von Finanzinvestoren während der Haltedauer, die heute mit häufig fünf bis sieben Jahren deutlich länger ist als früher, in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle positiv ist. Wenn der Unternehmer mithin sein Lebenswerk nicht an einen „Wettbewerber“ veräußern möchte, kann Private Equity der Käufer sein, der die mittelständische Struktur des Unternehmens bewahrt. Regelmäßig wird bei solchen Unternehmensnachfolgen das bestehende oder, wenn erforderlich, neues externes Management am Unternehmen beteiligt und damit auch neues Unternehmertum geschaffen. Dass Finanzinvestoren Partner auf Zeit sind, sollte den Unternehmer nicht schrecken. Absehbare Zeithorizonte können gerade Katalysatoren für eine positive Unternehmensentwicklung sein. Wie schon früher an anderer Stelle adressiert*: Verkäufe von einem Finanzinvestor zum nächsten, sogenannte Secondary- oder Tertiary-Buy-outs, haftet kein Makel an. Solche Transaktionen können nur realisiert werden, wenn drei Parteien voll überzeugt sind von den Perspektiven des Unternehmens: (i) ein anderer Private Equity Investor sieht in dem Unternehmen weiteres Potential, (ii) eine Bank unterstützt den Erwerb mit einer betraglich passenden Akquisitionsfinanzierung und last but not least (iii) das Management sitzt mit im Boot und befürwortet die Transaktion. Ferner gibt es mit der zunehmenden Zahl von sehr renommierten Family Offices auch Investoren, die mittelständische Unternehmen dauerhaft halten. Dies sind Adressen, die substanzielles Eigenkapital haben, weil sie früher ein großes Unternehmen veräußert haben und nun als Teil der Anlagestrategie direkt in den Mittelstand investieren, oder es handelt sich um aktive, große und erfolgreiche Familienunternehmen, die hohe operative Erträge aus dem Kerngeschäft für Investments in interessante mittelständische Unternehmen verwenden. Das ist Private Equity, privates (Unternehmer-)Kapital, im originären Sinne. Für den verkaufenden Unternehmensinhaber ist dieser Käufermarkt mangels Erfahrung meist nicht transparent. Ein erfahrener Berater kennt die „guten“ Adressen, deren Teams, die Portfolios und den Umgang mit Unternehmen.

Strukturierung Verkaufsprozess: Ansprache und Käuferzahl

Käuferauswahl und Strukturierung des Verkaufsprozesses sind untrennbar miteinander verbunden. Kein Käufer mag eine breite Ansprache vieler Interessenten durch den M&A-Berater. Das bekommt er durch die Art des Verkaufsprozesses auch schnell heraus und kann dazu führen, dass die Priorität für das Unternehmen sinkt. Andererseits werden interessante Käufer regelmäßig überhäuft mit Akquisitionsvorschlägen. Mit „Schema F“ Verkaufsprozessen gelingen keine herausragenden Ergebnisse. Insbesondere bei Transaktionen für mittelständische Unternehmen, ist es sehr wichtig, dass bei jedem potenziellen Käufer von Anfang an der Eindruck entsteht, dass es eine selektive und spezifische Ansprache ist. Die Ansprache durch den Berater muss also „herausstechen“ aus der Vielzahl von Projektvorschlägen, die der potenzielle Käufer bekommt. Das setzt lange Erfahrung und sehr sorgfältige Vorbereitung voraus. Dazu gehört auch, dass es dem Berater gelingt, frühzeitig persönlichen Kontakt mit dem potenziellen Käufer aufzunehmen, um ein echtes Erwerbsinteresse zu erfragen und einen Eindruck zu bekommen. Kurzinterviews mögen C-Level Entscheider nicht, bevor sie eine Unterlage in der Hand haben. Mit der richtigen Ansprache durch Seniorität gelingt dies aber sehr häufig. Allerdings werden bei Schema F Prozessen regelmäßig „Mittelgewichte“ eingesetzt – zumal, wenn eine breite Ansprache erfolgt. Ich höre dies immer wieder von Käuferseite. Wenn es um „Lebenswerke“ bei Unternehmensnachfolgen im Mittelstand geht, ist auch der früher vorherrschende, hier nur in Stichworten wiedergegebene Ablauf (i) Ansprache, (ii) Vertraulichkeitserklärung, (iii) Unternehmensmemorandum mit Prozessbrief (Beschreibung des Projektablaufes), (iv) Einholung Kaufpreisindikation, (v) Managementpräsentation für ausgewählte Bieter, etc. zu hinterfragen. Gute Interessenten frühzeitig mit dem Verkäufer an den Tisch zu bekommen und danach eine deutlich fundiertere Kaufpreisofferte vom Interessenten zu bekommen, kann sehr sinnvoll sein. Statt reiner Managementpräsentation ein „Unternehmergespräch“, Dialog in beide Richtungen. Dies bringt dem veräußernden Unternehmer viel mehr Futter zur Einschätzung, ob der Interessent auch der richtige Käufer sein könnte. Solche maßgeschneiderten Projektabläufe bringen regelmäßig auch höhere Kaufpreise, weil beim möglichen Käufer ein viel besserer Eindruck vom Unternehmen und Verkäufer entsteht.

Das lässt sich nur realisieren, wenn die von Verkäufer und Berater gemeinsam vereinbarte sogenannte „Short-List“ möglicher Käufer wirklich eine überschaubare Liste ist. Vor einiger Zeit las ich in einer Transaktionsmeldung die Aussage eines Verkäufers an den Berater: „Danke, dass Sie aus 160 angesprochenen Kandidaten den richtigen ausgewählt haben“. In dem Fall hat der Berater das Projekt wohl als Marketinginstrument genutzt. So kreiert man nur unpersönlichen E-Mail Traffic, nicht aber Interesse für ein Lebenswerk. Und die finale Auswahl obliegt ja wohl auch dem Verkäufer. Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht mit selektiven Ansprachen guter möglicher Interessenten, so dass unbedingt hinreichender Wettbewerb um das Unternehmen besteht, aber auch alle Interessenten besonders fokussiert sind auf das Projekt. Wie bereits an anderer Stelle adressiert**, können das in dem einen Projekt 8 oder 15, in einem anderen auch 18 oder 25 mögliche Käufer sein, aber niemals 160 und auch nicht 50 oder 80. Sehr hilfreich ist zudem eine Priorisierung von möglichen Käufern in A (Ansprache sofort) und B (Ansprache später) Kandidaten. Die Erfahrung lehrt, dass sich mancher zunächst als B-Kandidat eingeordnete mögliche Käufer gar nicht so selten als „der“ richtige Partner erweist.

Fazit

Die Auswahl möglicher strategischer Käufer/Wettbewerber und/oder Private Equity Investoren für mittelständische Unternehmen ist keine Wahl zwischen Pest und Cholera. Im Gegenteil: in beiden potenziellen Käufergruppen lassen sich für das spezielle Unternehmen interessante Erwerber finden, die das Lebenswerk gut fortentwickeln können, um die Nachfolgeregelung zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Die Erfahrung des Beraters und seine sorgfältige Vorarbeit in Verbindung mit der richtigen Ansprache und dem passenden Projektablauf führen regelmäßig zu sehr guten Ergebnissen.

* siehe mein Artikel: Private Equity - Partner für verschiedene Anlässe

** siehe mein Artikel: Die 10 Klippen bis zum erfolgreichen Vertragsabschluss

#Unternehmensverkauf #Nachfolgeregelung #Familienunternehmen #Mittelstand

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