Urlaubsrecht: Können Urlaubsansprüche von langandauernd erkrankten Arbeitnehmern erlöschen?

Der seit 1989 beschäftigte Mitarbeiter erkrankte im Januar 2016 und schied, ohne wieder gesund zu werden, im Februar 2019 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Über die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 gerieten er und sein Arbeitgeber in Streit. Insgesamt ging es um ca. 5.500 EUR brutto Urlaubsabgeltung für 30 Tage offenen Urlaub aus 2016. (Zur Zusammensetzung des vorstehenden Urlaubsanspruchs: 20 Arbeitstage stellen den gesetzlichen Mindesturlaub dar; die weiteren zehn Tage sind der tarifliche Mehrurlaub.) Der Arbeitgeber war aber der Meinung, dass der Urlaub bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnis verfallen, sprich erloschen sei. Folglich wollte er nichts zahlen. Wer hat nun Recht? Die ersten beiden Instanzen hat der Arbeitgeber gewonnen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.01.2020 - 7 Sa 284/19): Bei langandauernd erkrankten Arbeitnehmern verfällt der Urlaubsanspruch aus einem Urlaubsjahr – gerechnet ab Jahresende des Urlaubsjahres - nach 15 Monaten, d.h., er erlischt am 31.03. des übernächsten Folgejahres. Hier sei laut LAG der Anspruch auf Urlaub aus 2016 am 31.03.2018 erloschen. Insofern gab es nichts mehr zum Abgelten. Den „Stolperstein“ in dem Fall hat der Arbeitgeber gemeistert: Zwar müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall von Urlaub hinweisen (sog. Mitwirkungsobliegenheit). Tut er das nicht, kann Urlaub sich sogar grenzenlos ansammeln. Diese Pflicht gelte aber ausnahmsweise nicht, wenn der Mitarbeiter andauernd erkrankt sei. Ob der Arbeitgeber für die Erkrankung verantwortlich sei (hier: angeblich Mobbing), spiele keine Rolle.

Der Fall ist noch nicht vorbei; die Revision ist zugelassen (BAG, 9 AZR 107/20).

Welche Lehre kann man als Arbeitgeber jetzt schon aus dem Fall ziehen? Den o.g. "Stolperstein" - die Mitwirkungsobliegenheit - könnte man zumindest für den vertraglichen Mehrurlaub im Arbeitsvertrag ausschließen. Auch den Verfall dieser Ansprüche könnte man außerhalb des Fristenregimes des Bunderurlaubsrechts (BUrlG) regeln. Das BUrlG schützt nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Warum sollte man das tun? Nicht immer hat man es mit langandauernd erkrankten Mitarbeitern zu tun. Derjenige Arbeitgeber, der seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachkommt, riskiert, dass sich die Urlaubsansprüche seines Mitarbeiters ohne Limit ansammeln.

Abschließender Hinweis: Wenn zu dem Mehrurlaub nichts im Arbeitsvertrag (oder Tarifvertrag) geregelt ist, gilt der sog. Gleichlauf, d.h., die strengen gesetzlichen Regelungen im BUrlG gelten dann nicht nur für den Mindesturlaub, sondern auch für den Mehrurlaub.




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