Vertrieb als Wachstumsbremse? Leider immer noch zu häufig
von Guido Quelle
Wenn ein Fachbeitrag schon mit „eigentlich“ beginnt ...
Eigentlich ist die Aufgabe des Vertriebs klar: Den Markt ausbauen, die Kundenqualität erhöhen, zufriedene Kunden zu begeisterten Kunden machen, Empfehlungen generieren, die tollen Produkte des Unternehmens dem Markt verfügbar machen, die erste Zeile der Gewinn- und Verlustrechnung stärken und das nicht nur einmal, sondern wachsend. Kurz: Dauerhaft profitablen Umsatz generieren. Die Mission ist also eindeutig: Der Vertrieb ist der Treiber des unternehmensinternen Wirtschaftswachstums.
Zumindest sollte er es sein. In der Realität zeigen sich immer noch zu häufig exakt entgegengesetzte Kräfte, denn nicht selten laufen Vertriebseinheiten, die wir in Beratungsprojekten kennen lernen, nicht nur mit halber Kraft, oder mit gebremstem Schub. Sie bremsen mitunter selbst. So widersinnig es klingt: In vielen Unternehmen ist der Vertrieb eine große Wachstumsbremse. Damit Sie Ihrem Vertrieb auf den Zahn fühlen und beurteilen können, wo Sie interne Bremsen lösen können, folgen hier einige typische Beispiele, die ohne Berücksichtigung einer bestimmten Reihenfolge aufgelistet werden:
1. Interne Diskussionen um Vergütung(sbestandteile)
Vertriebsmitarbeiter sind nicht selten mit einem starken Ego und einem damit verbundenen Wettbewerbsbewusstsein ausgestattet. So sind Diskussionen über Gehälter, Provisionen, geldwerte Leistungen des Unternehmens, Dienstwagenausstattung, usw. im Vertrieb, unter den Vertriebsmitarbeitern durchaus an der Tagesordnung. Versuchen auch einige Unternehmen, dies vertraglich zu untersagen, können sie es doch nicht verhindern. Wenn Sie feststellen, dass diese Diskussionen über Dinge, die mit dem Geschäft nichts zu tun haben, nicht nur überhand nehmen, sondern sich auch Ungleichgewichte auftun, die beispielsweise ältere Mitarbeiter gegenüber leistungsfähigeren jüngeren Mitarbeitern bevorzugen, gebieten Sie hier Einhalt, denn Sie riskieren sonst, die Hygiene des unternehmensinternen Klimas zu verderben und Sie riskieren Leistungsverluste.
2. Selbstzufriedenheit
Wenn ich in meinen Vorträgen frage, wer zufriedene Kunden hat, melden sich stets fast alle Teilnehmer. Wenn ich frage, wer begeisterte Kunden hat, gehen viele Hände wieder herunter. Zufriedene Kunden sind die Basis des Geschäftes, aber das Wachstum kommt von begeisterten Kunden, die zu erhalten einer wesentlich höheren Anstrengung und vertrieblichen Intelligenz bedarf. In vielen Vertriebseinheiten, die wir kennengelernt haben, fanden wir eine gewisse Selbstzufriedenheit vor, die sich mit dem Verwalten zufriedener Kunden begnügte. Nicht nur, dass dadurch kein Wachstum entsteht, eine solche Haltung führt auch zu rückgängiger Wirtschaftskraft, weil sich die ehemals zufriedenen Kunden irgendwann abwenden werden.
3. Preis als Verkaufsargument
Mindestens die Hälfte aller Vertriebsteams, die ich kenne, beschwert sich darüber, dass der Wettbewerb wesentlich preisaggressiver sei und deshalb bessere und mehr Geschäfte mache. Wahrscheinlich ist der Prozentsatz sogar noch höher. Die Wahrheit ist aber, dass diese Klage fast immer von schwachen Vertrieben vorgebracht wird. Zu selten erfolgt eine Orientierung an denjenigen Wettbewerbern, die einen höheren Preis durchzusetzen in der Lage sind. Fakt ist: Über den Preis verkaufen kann jeder. Dazu benötigen wir keine hochbezahlte Vertriebsmannschaft. Mit der Diskussion über den vermeintlich zu hohen Preis wird in vielen Unternehmen unglaublich viel Zeit verschwendet, die wesentlich wirksamer am Markt eingesetzt werden könnte – zum Beispiel zur Durchsetzung eines höheren Preises.
4. Zu starkes Sendungsbewusstsein
Im Vertrieb wird nicht zu wenig geredet sondern zu viel. Gockelhaftes Verhalten ist in fast jedem Vertrieb an der einen oder anderen Stelle zu beobachten und nicht selten sind es gerade die an Jahren erfahrenen Vertriebsprofis, die im Kundendialog wesentlich zu hohe Gesprächsanteile haben. Der Kunde, meist schon über Jahre dabei, kennt dies schon und ist zu höflich, zu unterbrechen. Zusätzliches Geschäft wird dadurch aber nicht generiert. Ein Vertriebsmitarbeiter, der im Kundendialog mehr als 30 Prozent der Zeit redet, macht etwas falsch. Zuhören ist das Gebot der Stunde. Fragen zu stellen, ist die Kunst: Wer fragt, der führt. Es geht nicht darum, den Kunden einzulullen, bis er schlafend vom Stuhl rutscht. Es geht darum, herauszufinden, was der Kunde wirklich braucht und ihm nicht nur das zu verkaufen, was er will. Zwischen dem, was der Kunde will (und meist auch bekommt) und dem, was der Kunde braucht (was die meisten Vertriebe gar nicht erfahren) liegt ein enormes Profitabilitätspotenzial.
5. Unklare Schnittstellen und unklare Prioritäten
Zugegeben, für Schnittstellen und Prioritäten ist der Vertrieb nicht allein verantwortlich. Gleichwohl gilt, dass auch in diesem Fall eine Bremswirkung des Vertriebs eintritt. Wie also ist bei Ihnen die jeweilige Schnittstelle zwischen Vertrieb und Marketing, Einkauf, Controlling, Human Resources, Logistik, Produktion, Forschung und Entwicklung geregelt? Abgesehen davon, dass an diesen Schnittstellen regelhaft Millionen Euro verschwendet werden, ist es noch bemerkenswerter, wie viel Zeit dem Vertrieb durch ungeregelte Schnittstellen verloren geht – Zeit, die am Markt fehlt. Zeit, die der Wettbewerb vielleicht gerade nutzt.
Der wirkungsvolle Vertrieb – ein erster Schritt
In unseren Projekten zur Schaffung profitablen Wachstums ist ausgesprochen häufig der Vertrieb im Fokus – kein Wunder, wird doch hier über Wohl und Wehe des Unternehmens entschieden. Drei Dinge kristallisieren sich immer wieder als Erfolgsmuster heraus, um die Vertriebswirkung zu erhöhen:
- Der Vertrieb muss zwingend in die wichtigsten Unternehmensprojekte einbezogen werden und zwar so, dass er es nicht als Ballast empfindet.
- Administration im Vertrieb ist ebenso zwingend auf das Nötigste zu beschränken.
- Insbesondere die Schnittstelle zwischen Vertrieb und Auftragsbearbeitung ist unbedingt prozessual, idealerweise auf Basis von Fall-Klassen, zu regeln.
Es gäbe noch vieles darüber zu sagen, wie Sie den Vertrieb stärken können, doch dies würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Aber, wenn Sie sich schon bis hierher durchgekämpft haben, sollen Sie auch belohnt werden: Wir haben einen Kurztest erarbeitet, der Ihnen hilft, zur Schlagkraft von B2B-Vertrieben Auskunft zu erhalten. Fordern Sie ihn bei mir an, Stichwort: „Vertriebstest“: guido.quelle@mandat.de - gebührenfrei und unverbindlich, natürlich.
Prof. Dr. Guido Quelle ist geschäftsführender Gesellschafter der auf das Schaffen gesunden profitablen Wachstums spezialisierten Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.
© Guido Quelle 2019. Kontakt: guido.quelle@mandat.de
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Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes bei Intralogistik-Netzwerk in Baden-Württemberg e.V.
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