Vom Berg runter
In der Komplexität des Satzes steckt die Komplexität des Verfahrens: Kollaborative Szenarien weisen uns Wege in unterschiedliche Varianten möglicher Zukünfte. Das muss man sich erst mal erarbeiten, den Satz, wie die Methode. Es braucht Zeit, Hingabe - und für die Methode ein Budget, das nicht immer gegeben ist.
Gleichzeitig können wir mit Szenarien-Arbeit Geschichten entwickeln, können erarbeiten, wie unserer Zukunft aussehen kann - und uns so Orientierung geben. Und das auch in Zeiten wie diesen, in denen sich der Weg, den man gehen kann nicht erschließt, unklar bleibt, welcher Faden gesponnen werden soll.
Unser Experiment, diese Szenarien-Arbeit verkürzt ablaufen zu lassen, fand auf einem Berg statt. Das, worum es inhaltlich gehen sollte, um die Zukunft des Landes rund um den Berg, das lag uns zu Füßen, im Blick. Und war dennoch so weit entfernt. Wir hatten die Mühen gescheut, voller einzutauchen, es mitzunehmen auf unserem Weg - und so genuinen Kontakt vermieden. Und wie immer, wenn die Vermeidung des Kontaktes der Weg ist, zeigt der Weg etwas anderes. Er führt uns zu dem, was verstanden werden soll, etwas was wir vermeiden wollen, aber wissen und spüren sollten.
Jede Sackgasse ist ein Hinweis, dass der Weg woanders ist
Aus dem Workshop kommend, eröffnete sich uns ein Panorama über die Weite der unglaublichen Landschaft - und unserer Gefühlswelten, die in den Blick zu nehmen nicht leicht fiel: Scham, Trauer, die ganze Palette, die hervor steigt, wenn wir glauben, gescheitert zu sein.
Wir stiegen herab vom Berg, zu Fuß, durch die einbrechende Dunkelheit, reflektierten, resümierten. Die Nacht, der neue Morgen, und dann auf der Heimfahrt die Klarheit darüber, wie es weiter gehen könnte.
Und auch die, die wir in diesem Versuch begleitet hatten, waren sich klar geworden: Diesen Prototypen gilt es zur Seite zu stellen. Jede Sackgasse ist ein Hinweis, dass Dein Weg woanders ist.
Was bleibt? Unter anderem der Eindruck, wie stark doch der Kontrast ist zwischen den Mitteln, mit denen wir als Menschen unsere Geschichte und Geschichten aus der Vergangenheit in immer neuen Gewändern vermitteln, Opern, Filme, Bücher - und dem gegenüber die geringen Mittel, die wir einsetzen, um uns mit unserer Zukunft auseinander zu setzen. Mit der Zeit, in der wir uns, und in der sich unsere Nachfahren, aufhalten werden.
Was bleibt ist die Frage: Was braucht es, damit diese Zukunftsprozesse verstanden werden als etwas, in das wir als Gesellschaft investieren sollten?
Einige Tage später ist mir dieser Satz des buddhistischen Mönches Thich Nhat Hanh angeboten worden:
“The best way to take care of the future is to take care of the present moment.”
In der Gegenwart zu sein, “Presencing”, wie Peter Senge, Otto Scharmer und Kollegen es nennen - anzunehmen, was ist. Und damit bewußt umzugehen.
Das öffnet uns die Sinne für die immer schwierige Gratwanderung zwischen dem wirklich-Neues-ermöglichen und einem Machen-um-zu-vermeiden, bei dem letztendlich nur das Alte erhalten werden will. Gerade als Begleiter solcher Prozesse brauchen wir diese Qualität der offenen Sinne, müssen wissen, wann wir “hüben” - und wann “drüben” sind.
Im beschriebenen Falle war ich froh um die Präsenz meines Kollegen Stefan Fuchs, um seine Anwesenheit und unsere gemeinschaftliche Kapazität, miteinander in aufmerksamer Resonanz zu gehen (und das ist hier nicht nur figurativ gemeint, der gemeinsame Abstieg vom Berg, der Gang durch die grandiose Natur bei einbrechender Dunkelheit hat massgeblich dazu beigetragen. Auch das eine Übung in Sachen: “Probieren, Spüren, Reagieren”, wie Snowden es als Herangehensweise für komplizierte Situationen vorschlägt).
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