Von Abschottung und Sylt-Partys
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Von Abschottung und Sylt-Partys

Liebe Leserinnen und Leser!

Bevor wir auf das kurze Video von einer Party auf Sylt zu sprechen kommen, möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was die Welt verbindet: den globalen Handel. Beide, der Inhalt des Videos und der globale Handel, haben miteinander zu tun. 

Mit teilweise drastischen Zollerhöhungen setzt Joe Biden im US-Wahlkampf aktuell scheinbar ein Zeichen für die wirtschaftliche Autonomie der USA. Der Ökonom Harald Oberhofer hat diese Fortsetzung des Trumpschen Protektionismus für uns analysiert und erklärt, warum diese auf den ersten Blick leere Geste (der Zoll auf E-Autos aus China betrifft lediglich 12.000 Autos im Jahr) die US-Wirtschaft weiter schwächen kann. Zum Kommentar von Harald Oberhofer bitte hier entlang

Um amerikanische Unternehmen zu schützen, kündigte US-Präsident Joe Biden Zollerhöhungen auf chinesische Importe an, die seiner Meinung nach von Peking in unfairer Weise subventioniert werden, darunter Elektrofahrzeuge, Solarzellen, Halbleiter und moderne Batterien. © Getty Images

Die Abschottungsfalle

Schon vor sechs Jahren summierten sich die Kosten für die Importzölle, die Donald Trump sich ausgedacht hatte, auf monatlich 1,4 Milliarden Dollar, die direttissima an Konsumenten und US-Unternehmen, die in China Vorprodukte einkaufen, weitergegeben wurden. Das belegt eine Studie, auf die Oberhofer sich bezieht. 

Auch der Blick nach Asien zeigt, dass Protektionismus unerwünschte Nebenfolgen haben kann: In den Häfen Indonesiens stapelten sich zwischenzeitlich 26.000 Container, nachdem Präsident Joko Widodo im März Einfuhrbeschränkungen für bestimmte Konsumgüter eingeführt hatte. Es war etwas ähnliches passiert, wie in den USA – Einfuhren wurden bürokratischer und teurer und die Kosten durch Preissteigerungen weitergegeben. Widodo nahm die Bestimmungen nun teilweise zurück, nachdem auch die indonesische Weizenproduktion von den Preiserhöhungen erfasst worden war, berichtet Bloomberg

Mehr Offenheit wagen

Trotz der Negativbeispiele ist ökonomische Abkopplung – vor allem von China – derzeit en vogue: Australien wird eine Milliarde Australische Dollar (610,3 Millionen Euro) in die Herstellung von Solarzellen investieren; Indien subventioniert die heimische Produktion von Elektrofahrzeugen; die Europäische Union erwägt ebenfalls, neue Zölle auf bestimmte Produkte aus China zu erheben. Wie analysierte Gabriel Felbermayr im September? Nicht ein zu viel an Abhängigkeiten ist das Problem, sondern ein zu wenig. An die Stelle von Abschottung sollte rigoroser Wettbewerb und eine Vielzahl vernetzter, wechselseitiger Abhängigkeiten treten, um das System insgesamt robust zu halten, so sein Vorschlag. Zum Beitrag von Gabriel Felbermayr bitte hier entlang

Die Lehren der Nadelöhre 

Im März 2021 reichten vier Tage und ein querliegendes Schiff, um zehn Milliarden Dollar an Kosten zu produzieren; der Einsturz der Brücke in Baltimore durch die Kollision mit dem Containerschiff Dali kostete die Versicherer vier Milliarden Dollar. Das Schiff wurde erst in dieser Woche von der Unfallstelle entfernt, sechs Menschen starben bei der Havarie. Die Containerschifffahrt ist so etwas wie die Achillesferse des globalen Handels, denn das System ist wenig redundant: Nur eine Handvoll Reedereien wickelt den Handel ab, der durch zwei Engstellen durch muss, den Suez- und den Panamakanal. Was das bedeutet, haben wir in unserer aktuellen Zahlenspielerei sichtbar gemacht. Bitte hier entlang

Einige wenige Reedereien dominieren die Containerschifffahrt.

Also doch abschotten?

Die Angetrunkenen, die auf Sylt fröhlich „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ grölten (zu einem Lied eines italienischen DJ) scheinen genau das zu wollen. Keine gute Idee, dazu ein Beispiel: 13 Prozent aller Patentanmeldungen in Deutschland gehen auf Personen mit ausländischen Wurzeln zurück. Ohne Ausländer keine Innovation. Warum gerade qualifizierte Zuwanderung so wichtig ist, haben wir außerdem in unserem Dossier über Zuwanderung gezeigt. 

Im Fadenkreuz

Putin hat Russland derweil auf einen ewigen Krieg eingeschworen. Wie Alexander Dubowy anlässlich der aktuellen Personalrochaden noch einmal überzeugend deutlich macht, geht es ihm dabei nicht „nur“ um die Ukraine, sondern um die Demokratie des Westens. Bitte hier entlang.

Zu guter Letzt: Die Buntheit der Welt lässt sich gottseidank nicht einfach abschaffen. In unserer aktuellen Forschungsreise nehmen wir Sie mit in die Welt der Blatthornkäfer. Allein in Österreich herrscht eine beruhigende Vielfalt: Sieben Familien gibt es, und mindestens 200 Arten. Bitte hier entlang. 

Ein schönes Wochenende wünscht:

Der Pragmaticus


Kommentar der Woche:

Gegenwind – Thomas Eppinger über Antisemitismus 

Unser Kolumnist Thomas Eppinger geht noch einmal zwei Wochen zurück, zum Eurovision Song Contest, wo sich die israelische Delegation mit Sängerin Eden Golan heftiger Kritik anderer Delegationen ausgesetzt sah. Eppinger sieht darin nichts als Antisemitismus, die Kritik an Israel sei nur vorgeschoben, wie auch bei anderen Protesten gegen den Gaza-Krieg: „Bei keinem anderen Land käme man auf die absurde Idee, Sängerinnen auszubuhen, Studenten vom Campus zu jagen oder Kommilitonen zu verprügeln, um gegen dessen Politik zu demonstrieren.“ Zum Kommentar von Thomas Eppinger bitte hier entlang


Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Website Der Pragmaticus.


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