Wann genau gibt es eigentlich eine Abfindung?
Eine von vielen Irrtümern im Arbeitsrecht lautet: „Wer gekündigt wird, bekommt eine Abfindung.“ Doch ganz so einfach ist es nicht. Ein Anspruch auf Abfindung besteht tatsächlich nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Der gesetzliche Abfindungsanspruch aus § 1a KSchG bei betriebsbedingten Kündigungen
Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus und hält der betroffene Arbeitnehmer sie für unwirksam, strebt er in der Regel einen Kündigungsschutzprozess an. Die Vorschrift des § 1a KSchG eröffnet dem Arbeitnehmer in Fällen einer betriebsbedingten Kündigung nun eine Alternative zum Kündigungsschutzprozess: Statt sich gegen die Kündigung gerichtlich zur Wehr zu setzen, kann der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptieren und seinen gesetzlichen Abfindungsanspruch geltend machen. Dieser Abfindungsanspruch steht dem Arbeitnehmer nur dann zu, wenn er sich dazu entscheidet, die Kündigung nicht gerichtlich anzugreifen. Dieser alternative Weg bietet sich insbesondere für Beschäftigte an, die die Risiken eines Kündigungsschutzprozesses nicht auf sich nehmen möchten und bereits ein neues Arbeitsverhältnis in Aussicht haben. Die Höhe des Anspruchs beträgt für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses einen halben Monatsverdienst, § 1a Abs. 2 KSchG.
Voraussetzung für den Abfindungsanspruch ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und er die Abfindung nach Ablauf der Klagefrist beanspruchen kann, § 1a Abs. 1 S. 2. Unterlässt der Arbeitgeber einen solchen Hinweis oder bietet er nur eine geringere Abfindung als gesetzlich vorgesehen an, entsteht der gesetzliche Abfindungsanspruch aus § 1a KSchG nicht. Der Anspruch entsteht auch nicht, wenn es sich um eine verhaltensbedingte, personenbedingte oder außerordentliche Kündigung handelt.
Aufhebungs- und Abwicklungsverträge, Betriebsvereinbarungen
Den Parteien bleibt es aber auch in diesen Fällen überlassen, eine Abfindung im Rahmen eines Aufhebungsvertrages, eines Abwicklungsvertrages oder eines (außer-)gerichtlichen Vergleichs zu vereinbaren. Die Höhe der Abfindung kann sich an § 1a Abs. 2 KSchG orientieren, die Parteien können aber auch eine deutlich darunter oder darüber liegende Abfindung vereinbaren. Die Höhe der Abfindung kann zudem in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag festgelegt sein.
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Abfindungsanspruch bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht
Greift der Arbeitnehmer eine Kündigung gerichtlich an und stellt sich heraus, dass die Kündigung tatsächlich unwirksam ist, kann der Kündigungsschutzprozess das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bereits unabänderlich zerstört haben. Ist es für den Arbeitnehmer deshalb unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, sieht § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG vor, dass das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis auflöst und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilt? Dasselbe gilt auf Antrag des Arbeitgebers, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen.
Die Höhe der Abfindung ist im Unterschied zu § 1a KSchG nicht gesetzlich festgelegt, sie muss lediglich "angemessen" sein. Das Gericht orientiert sich dabei an der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter des Arbeitnehmers. Die Höchstgrenze der Abfindung beträgt nach § 10 Abs. 1 KSchG einen Betrag von 12 Monatsverdiensten. Höhere Grenzen gelten nach § 10 Abs. 2 KSchG für Arbeitnehmer ab 50 Jahren, deren Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat.
Nachteilsausgleich und Sozialplanabfindung
Werden aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, sehen Sozialpläne regelmäßig Abfindungen für die betroffenen Arbeitnehmer vor. Sie können dann wählen, ob sie die Kündigung aufgrund der Abfindung akzeptieren. Hält ein Arbeitnehmer die Kündigung für unwirksam, bleibt ihm noch der Weg zum Arbeitsgericht offen, bei dem er bei Unwirksamkeit der Kündigung ggf. eine Abfindung nach § 9 KSchG erhält. Bei Betriebsänderungen besteht außerdem ein Abfindungsanspruch aus § 113 Abs. 1 S. 1 BetrVG.
Abfindungsregelung im Arbeitsvertrag
Auch Arbeitsverträge können einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Abfindung regeln. So lag der Fall auch bei einem Abfindungsanspruch, über den das LAG Thüringen mit Urteil vom 14.12.2023, Az. 5 Sa 170/22, entschieden hat. Der Arbeitsvertrag regelte, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch in Höhe von mindestens einem Bruttomonatsgehalt für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich gekündigt oder einvernehmlich aufgehoben wird. Nachdem der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag kündigte, machte er den Abfindungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag geltend. Die Arbeitgeberin verweigerte die Zahlung, da sie der Meinung war, der Abfindungsanspruch bestehe nur bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Dieser Auffassung erteilte das LAG Thüringen eine Absage: Der Wortlaut des Arbeitsvertrages ist eindeutig: Dem Arbeitnehmer steht die Abfindung auch bei einer Eigenkündigung zu, da im Arbeitsvertrag keine Unterscheidung zwischen arbeitgeberseitiger oder arbeitnehmerseitiger Kündigung getroffen wird.