Warum die "Zerstückelung des Zusammenhangs"​ eine unserer größten Herausforderungen ist.

Warum die "Zerstückelung des Zusammenhangs" eine unserer größten Herausforderungen ist.

Cyrill: Du siehst in der "Zerstückelung des Zusammenhangs" eine grosse Gefahr. Wo lauert diese Gefahr?

Ines: Die Zerstückelung des Zusammenhangs kann man als einen kulturellen Trend bezeichnen. Die Menschen lesen keine Zeitschriften oder Zeitungen mehr, schnappen sich nur noch kleine Teilstücke an Informationen auf, in Push-Nachrichten oder ähnlichem. Wir neigen dazu, komplexe Zusammenhänge gar nicht wahrzunehmen oder sogar aktiv auszublenden. Unsere gesamte menschliche Kultur ist aktuell eine Silo-Kultur. Das gilt auch und insbesondere für die Unternehmen. Dort haben wir einen Digitalisierungs-Manager, einen CX Manager, einen Produkt-Entwickler, einen Research & Development Manager, einen Marktforscher oder Insight-Manager. Das grosse Ganze gerät jedoch aus dem Blick. Die Integration aller Sichtweisen ist die grosse Herausforderung. Du selbst schilderst immer wieder, wie schwer es ist die Abteilungen miteinander zu verbinden.

Sie wollen nicht interagieren, vermeiden es gar, wo es möglich ist. Als ob nicht jeder Unternehmensbereich auf die Wahrnehmung beim Kunden Einfluss hätte – und die Kunden-Experience in eine "Abteilung" weggesperrt werden könnte.

Das Agieren der meisten Unternehmen bezieht sich nicht systematisch auf die Kunden-Perspektive. Viele kennen diese gar nicht und beschäftigen sich nur mit den "eigenen" Strukturen, ihres eigenen Bereichs.

Unsere Kultur denkt und agiert aktuell nicht ganzheitlich. Überhaupt ganzheitlich, was für ein Begriff. Er geht bei den meisten wohl als selbstverständlich durch. Zu selbstverständlich – denn er versteht sich nicht von selbst. Wir trennen Körper vom Geist, Mensch von Familie, Unternehmen von Kunden, Corona vom Klima. Symptome vom auslösenden Sinn. Selbst bei unserem eigenen Körper. Warum tun wir das? Weil es einfacher ist, als das Ganze zu betrachten. Weil man leicht verrückt werden kann, wenn man alles und jedes bei oder jedem Tun bedenkt. Weil man nicht der Mahner, der mit dem erhobenen Zeigefinger sein will, der der Spassverderber ist. Wir alle wollen geliebt werden. Weil es bequemer ist, nur den kleinen bequemen Ausschnitt zu betrachten? Nur die Zahlen des Unternehmens, nicht den Kunden? Nur den Lockdown in Deutschland, nicht die Impfnotwendigkeit weltweit? Oder vielleicht auch, weil man glaubt, selbst dann keine Freude mehr am Leben zu haben oder haben zu dürfen? Nicht mehr Geniessen und ja auch Konsumieren zu dürfen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man sich die Konsequenzen immer und jedes Mal klar macht.

Als Psychologin darf ich sagen: der Zusammenhang, das Ganzheitliche bringt auch enormen Spass. Den Sinn zu suchen, zu sehen und zu finden – etwas zu verstehen. Aha-Erlebnisse. Kann erschütternd sein, aber auch ein Hochgenuss. Und ich liebe es, den Zusammenhang bewusst zu geniessen!

 

Cyrill Luchsinger

CX, die Kunden begeistert und Unternehmen voranbringt.

3 Jahre

Ines Imdahl Der Artikel (auf meinem Profil) mit allen acht Teilen unseres Gesprächs hat aktuell eine "Like-Rate" von 18 Prozent! Notabene bei einem Artikel mit 14 Minuten Lesezeit! Eine grossartige Reaktion der Community auf deine einordnende und inspirierende Gedankenreise!

Amine Moussa

Head of the Accounting and Finance Department in the National Insurance Company "S.A.A"

3 Jahre

Beautiful picture

Lars Utermöhlen

Enterprise IT Architekt aus Passion. Eine gute IT muss sich nachhaltig in eine Organisation integrieren lassen. (Hier als Privatperson aktiv)

3 Jahre

Ines Imdahl Cyrill Luchsinger Vielen Dank für diesen sehr wertvollen Beitrag den ich voll und ganz Teile! Die Personen die mich kennen wissen, dass ich ein Freund von ganzheitlichen Vorgehen bin und ein systemisches Vorgehen bei der Lösung von Problemen bevorzuge. Prinzipien der Synergetik und des Operation Research haben mich schon immer begeistert und treiben mich bei diesem Vorgehen an. Ein Prinzip des Operation Research ist das Branch and Bound Verfahren bei dem versucht wird für ein ganzzahliges Optmierungsproblem die beste Lösung zu finden. Doch viele Probleme sind viel Komplexer nach derzeitigen Kenntnisstand (z.B. NP vollständige Probleme). Und es gibt so vieles von dem wir Menschen nicht wissen wie es funktioniert, wir aber meinen es verändern zu müssen- höchstwahrscheinlich aus Neugier, Macht, Unwissen, ... -ich weiss es nicht. Hier möchte ich gerne noch einmal die Thematik mit dem Wetter aufgreifen, die ich vor ein paar Wochen kommentiert habe. Ich bin Euch beiden sehr dankbar, dass Ihr darauf eingeht dass das Betrachten oder die Zerlegung von Teilaspekten nicht immer das Problem löst und oft die zwischen den Teilaspekten vorliegenden Wirkungszusammenhänge nicht verstanden werden.

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