Warum gute Technologien wichtig sind, aber wir nicht alleine darauf setzen sollten
Während ich diesen Artikel schreibe sitze ich gemütlich (!) bei 16°C in meinem Büro im Keller. Die Heizung war hier in diesem Jahr nie aufgedreht.

Warum gute Technologien wichtig sind, aber wir nicht alleine darauf setzen sollten

Achtung: Nicht blind nachmachen!


Wir stehen heutzutage vor einer ganzen Reihe an Herausforderungen und erforderlichen Wenden. Sei es die Energiewende, die Mobilitätswende, veränderte Ernährungsgewohnheiten und vieles mehr.


Dabei setzen wir zurecht auch auf den Einsatz sinnvoller und neuer Technologien.

Und wir streiten wie die Kesselflicker über Heizhämmer, diverse andere Hämmer, Zumutungen, Verbote und Verzicht. Und ob das alles überhaupt etwas bringt und falls ja wieviel.


Ich habe auf diesen Streit einfach keine Lust mehr. Ich habe für mich ein paar Notwendigkeiten erkannt, die ich auch nicht mehr in Frage stellen will.


Energiesparen gehört dabei - aus einer Vielzahl von Gründen - ebenfalls dazu.

Und da hat man schon durch sein eigenes Verhalten unter Umständen einen sehr großen Hebel

Gute Technik habe ich in meiner Doppelhaushälfte aus dem Jahr 2001.

Gute Wärmedämmung, eine Erdgasbrennwerttherme, eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine Solarthermieanlage für das warme Wasser, die einen großen Teil des Jahres komplett ausreicht.

An dieser Technik hat sich seitdem nichts geändert.

Was sich geändert hat, sind zum Einen die wärmeren Winter, und unser Heizverhalten.

So hat sich der Verbrauch entwickelt:

Von 2010 bis 2011 lag er mit 6 Personen und normalem Heizverhalten (19-20°C im ganzen Haus) bei 9717 kWh.

Von 2015 bis 2016, einem besonders warmen Winter, lag der Verbrauch mit nur noch drei Personen (Ich und zwei Kinder) bei 5236 kWh.


Und das hier ist die letzte Abrechnung für 2022 - 2023. Sie beträgt mit drei Personen und extrem reduzierter Heizung 2283 kWh.

Wie war das möglich, obwohl sich an der Technik nichts geändert hat?

Als wir mit einer damals noch fünfköpfigen Familie im Jahr 2001 beschlossen, eine Doppelhaushälfte neu zu bauen, war für mich klar, dass sie einen guten energetischen Standard haben sollte. Und der war damals auch schon vorgeschrieben.

Es war also verboten, einen schlechteren Standard neu zu bauen.

Billig war das nicht. Aber war es übergriffig? Nein! Ich bin sogar darüber hinausgegangen und habe zusätzlich eine Solarthermieanlage für das Brauchwasser und eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebaut.

Hat das finanziell nicht arg gedrückt? Ja, hat es. Aber mit Unterstützung von Eltern und Schwiegereltern haben wir es hinbekommen, wofür ich den vieren noch immer sehr dankbar bin.

Die technische Ausstattung macht es mir heute möglich, mein Heizverhalten in sehr weiten Grenzen auszuloten.

Aber Achtung! Das was ich jetzt beschreibe, sollte man nur nachmachen, wenn man weiß was man tut und worauf man achten muss. Sonst riskiert man unter Umständen erhebliche Bauschäden wie Schimmel!

Die gute Wärmedämmung der Wände und die Lüftungsanlage sorgen bei mir nämlich dafür, dass ich kein Kondenswasserproblem bekomme, auch wenn ich die Raumtemperatur weit absenke.

Als ich mal einen Winter wegen eines technischen Defekts ohne Lüftungsanlage auskommen musste, hatte ich die reinste Tropfsteinhöhle und musste dann doch deutlich mehr heizen und lüften.

Als Ingenieur und angehender Gebäudeenergieberater weiß ich ein wenig über feuchte Luft und Taupunktprobleme Bescheid, und dass man eine Wärmedämmung immer möglichst nah an der Wärmequelle vornehmen sollte, weil die Verluste neben der Temperaturdifferenz eben auch von der Fläche abhängen.

Die für mich wichtigste Wärmequelle, um die sich letztlich alles dreht, bin ich selbst. Und wie man auf dem Foto oben erkennen kann, kann ich die sehr gut wärmedämmen.

Das ist noch nicht einmal teuer.

Ja, ich habe viel angezogen. Neben einer langen Unterhose auch dicke Socken, Pantoffeln und einen richtig gemütlichen Pulli. Damit friere ich wirklich kein bisschen, weil einfach keine Haut freiliegt. Und ich halte es so auch in meinem Schlafzimmer bei 13°C sehr gut aus.

Keine Angst, ich bin kein Masochist. Wenn es mir ungemütlich würde, könnte ich die Heizung jederzeit auch wieder hochdrehen. Meine Tochter macht es sich in ihrem Zimmer auch etwas wärmer. Mit dem bekannten Verbrauchsergebnis.

Ich achte trotzdem immer penibel darauf, dass sich noch nicht einmal an meinen Fensterscheiben Kondenswasser bildet. Da das in meinem Haus durch die gute Dämmung der Außenwände definitiv IMMER die kältesten Stellen sind, bin ich dann insgesamt sicher.

Das wird vermutlich irgendwann passieren, wenn es draußen noch deutlich kälter wird. In diesem Fall drehe ich die Lüftungsanlage hoch und erhöhe dann doch mal die Raumtemperatur etwas. Kondenswasser ist keine Lappalie. Das muss man im Auge behalten, besonders wenn die Wände schlecht gedämmt sind.

Und keine Schränke oder ähnliches direkt an kalte Außenwände stellen, sonst sind böse Überraschungen vorprogrammiert!

Zur Zeit werden in meinem Haus genau ein Zimmer und ein Bad geheizt. Die restlichen Temperaturen ergeben sich mit abgedrehten Heizkörpern. Auch die Vorlauftemperatur der Heizung halte ich so gering wie möglich.

Warmes Wasser gönne ich mir allerdings für die schnelle Dusche morgens und nach der Arbeit.

Welches sind meine Erkenntnisse, die ich hier teilen möchte?

  1. Es lohnt sich, frühzeitig in gute Technik zu investieren und sich nicht zu lange darum herumzudrücken. Denn was ich hier tue, geht in einem schlecht gedämmten Haus vermutlich gründlich schief.
  2. Die Kombination aus Technik und Verhalten macht nochmal einen gewaltigen Unterschied, wie man an der Verbrauchsdifferenz von rund 57% zwischen 2015 und 2022 sehr gut erkennen kann. Die Lüftungsanlage ermöglicht mir das überhaupt erst, und das obwohl ich sogar im Heizungskeller noch meine Wäsche auf der Leine trockne. In meinem Haus ist es nie unangenehm feucht, und ich kann jedem die Option einer Lüftungsanlage nur wärmstens ans Herz legen. Gerade wenn man, mit gut gedämmten Außenwänden (!), die Heiztemperaturen in einigen Räumen stark absenken und damit Heizkosten sparen möchte.
  3. Für mich fühlt sich das überhaupt nicht nach Verzicht an, weil ich mich freiwillig dafür entschieden habe, das auszuprobieren - und weil ich mich erstaunlicherweise damit pudelwohl und sehr verantwortungsvoll fühle. Ich habe die Option, auf diese Weise etwas weniger zum Klimawandel beizutragen und etwas weniger Geld an unsympathische Gaslieferländer zu überweisen. Außerdem spare ich massenweise Geld, was ich auch sehr motivierend finde!
  4. Zumindest mein persönliches Wärmeempfinden hat sich erstaunlich angepasst. Wenn ich mich nur ein bisschen bewege, öffne ich bei 16°C meinen Pulli, um nicht zu schwitzen.

Wer gerne mehr zum Thema lesen möchte, der kann diese weiteren Artikel und Beiträge lesen.

Und ab März kann ich dann hoffentlich auch ganz offiziell im Raum Ludwigsburg Energieberatungen anbieten.




Frank Rumpf

Rentner und nun mache ich was Spaß macht

1 Jahr

Karsten vom Bruch Das ist gut was Sie hier beschreiben ist aber für die Meisten nicht praktikabel. Die meisten in Deutschland wohnen zur Miete und da kann man nun mal nicht machen was man will. Die Vorlaufthemperatur einer Heizung in einem Wohnblock ist nun mal auf eine vorgeschriebene Temperatur zu halten. In manchen Mietverträgen ist auch eine Mindestensthemperatur einzuhalten.

Duncan Miller

Expert Climate Change Advocacy, Geopolitics and Artificial Intelligence at Freelance Inc.

1 Jahr

Karsten vom Bruch ich grüße Sie. Dreh- und Angelpunkt ihrer Heiz-Strategie scheinen ein gestrickter Pullover und Funktionsunterwäsche zu sein. 🥶🤣🥵 Arno A. Evers Manfred Josef Hampel Robert Habeck

Winfried Willemer

Patent Manager bei Abberior Instruments GmbH

1 Jahr

Karsten vom Bruch Meine Heizung erlaubt es nicht, dass ich selber die Kennlinie optimiere. Dafür bräuchte ich einen Dongle. den aber nur Fachkräfte erhalten. Wissen Sie, ob es möglicherweise einen Rechtsanspruch darauf gibt, dass man eine Einstellmöglichkeit selber auch nutzen kann? Mit einer einmaligen Korrektur ist es ja eher nicht getan, sondern ich müsste mich sukzessive dem Optimum annähern. Es ist also keine sinnvolle Option, einen Handwerker damit zu beauftragen ... zumal ich als Physiker zumindest die Chance habe, die Auswirkungen mindestens in etwa so gut wie ein durchschnittlicher Installateur einzuschätzen.

Claudia Kairies-Balke

Kinder und Jugendlichenpsychotherapeutin

1 Jahr

Danke für den Einblick :)

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