Warum so viel Büro und so wenig Homeoffice in der zweiten Welle?

Warum so viel Büro und so wenig Homeoffice in der zweiten Welle?

Weniger Menschen als im ersten Lockdown sind gegenwärtig – Januar 2021 – im Homeoffice: Während in der ersten Welle im April 2020 noch 27% angaben, ausschließlich oder überwiegend im Homeoffice zu arbeiten, waren es im November 2020 nur 14%.* Woran das liegt? Neben technischen Ursachen scheint dies vor allem kulturelle Gründe zu haben, wie unsere Wahrnehmungen und Gespräche bei Kund:innen ergeben.

Technische Ursachen?

Kurz zu den technischen Ursachen. Das Wissen um die Pandemie ist im Lauf des letzten Jahres gewachsen, es kann gezielter reagiert werden: Technische Lösungen wie Lüftungsanlagen oder Plexiglaswände wurden eingerichtet, die sozialen Verhaltensweisen sind eingeübt: Abstand, Masken, Hygiene. Das macht es leichter, trotz Corona am Arbeitsplatz zu sein. 

Auf der anderen Seite scheint es ungleich schwieriger zu sein, zuhause zu arbeiten. In manchen Regionen ist schlicht die digitale Infrastruktur ein Hemmschuh: Schlechte Internetverbindung - manchmal aber auch ungenügende technische Anbindung an das System des Arbeitgebers oder schlicht fehlende technische Ausrüstung zuhause.

Kulturelle Gründe?

Maßgeblich für die niedrige Homeofficequote könnten aber kulturelle Gründe sein. Aus Mitarbeiter:innensicht hat das Homeoffice neben Vorteilen auch manche Nachteile: Man muss mit den Ablenkungen von Haushalt und Familie zurecht kommen, sich für die Arbeit abgrenzen, auch wenn die Kinder im Distanzlernen zusätzliche Betreuung und Aufmerksamkeit brauchen. Und es fehlt der Flurfunk, das informelle Gespräch mit den Kolleg:innen, die schnelle Abstimmung zwischen Tür und Angel, Wahrnehmung und Wertschätzung im Alltag – es fehlt mithin die kulturelle und emotionale Grundierung des Arbeitsortes.

Der Flurfunk fehlt. Es geht um Vertrauen und Kontrolle.

Ein zweiter Grund könnten die Bedürfnisse der Führungskräfte sein: Chef:innen bekommen nicht mit, was die eigenen Leute arbeiten, wie sie sich abstimmen, ob und wie sie an den Zielen dran sind. Wenn das eigene Team vor Ort ist, präsent, dann können Führungskräfte schnell hinschauen und fragen, was läuft. Es geht um Vertrauen und Kontrolle. Es werde beim Homeoffice überdeutlich, so hören wir, in welchen Bereichen mit Command and Control und in welchen mit Vertrauen und Befähigung geführt wird.

Da bislang das Direktionsrecht des Arbeitgebers galt, also letztlich die Entscheidung über Homeoffice beim Arbeitgeber lag, war so für die Führung der Weg zur Präsenzpflicht kurz.

Wer hat welche Bedürfnisse?

Die Bedürfnisse beider Seiten müssen ernstgenommen werden, wenn Homeoffice im Lockdown und darüber hinaus funktionieren soll: Das Bedürfnis der Mitarbeiter:innen nach Flurfunk – insofern er nicht nur Geschwätz, sondern Netzwerkkommunikation ist und Selbststeuerung ermöglicht. Das Bedürfnis der Chef:innen nach Supervision, nach Einblick in das, was läuft – insofern dies nicht nur der Kontrolle dient, sondern Mitarbeiter:innen orientiert, befähigt und Vertrauen stärkt.

Was hilft?

Wir könnten uns virtuelle Dialoge vorstellen, online Stand-up-Meetings oder Retros, in denen Mitarbeiter:innen sich gegenseitig – und den Chefs – erzählen, was gerade gut läuft, wo es hakt. Runden, in denen zugehört und nicht nur gesendet wird. Runden, in denen dann auch die Chef:innen sagen, was ihnen gut passt, was ihnen wichtig ist, wo sie Fragen oder Input haben, und so Rahmen und Orientierung geben. Wenn diese Runden eingeübt und gut moderiert werden, sind sie eine Investition in Offenheit und Vertrauen – Schritte zu einer Kultur, die Homeoffice attraktiver und leichter für alle Beteiligten macht.

* Quelle: Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung, Dezember 2020

Silvia Specht

Executive Consultant

4 Jahre

Gute Perspektive, nicht nur technisch, auch kulturell muss Home Office funktionieren. Virtuelle "Treffen am Kaffeeautomaten", eine zwanglose Runde zum Wochenausklang … das führen manche unserer Kunden ein, um den Sozialkontakt jenseits der rein fachlichen Themen aufrecht zu erhalten. In den Unternehmensräumlichkeiten tauschen wir uns ja auch zwischen Tür und Angel aus.

Achim Stirner

Kaufmännischer Projektleiter Großprojekte - Mach es - "Carpe Diem - Nutze den Tag" - Gib jedem Tag die Chance der schönste Deines Lebens zu sein

4 Jahre

Habe in meinen Projekten schon im ersten Lockdown tägliche "das Daily" um 9 Uhr eingeführt. Das wurde sehr gut angenommen und ist seitdem fester Bestandteil. Meinen Chef konnten wir von einem "Weekly" überzeugen und "das läuft" jetzt auch sehr gut. Die lockere "Kaffeerunde" für die, die einfach mal 15 Minuten Kontakt haben wollen ist leider eingeschlafen ... (das war ein optionaler Termin zweimal pro Woche in der Mittagspause) Mit ein bisschen "Organisation" können alle sehr gut Kontakt halten (auch wenn das nicht alle persönlichen Kontakte ersetzen kann).

Philipp Blomeyer

audiatur et altera pars

4 Jahre

Das ist relevant. Die zufällige Begegnung fehlt. Eine neue Routine brauchen wir, die eine Leichtigkeit gleich der zufälligen Begegnung fördert. Das kann eine regelmäßige virtuelle Zusammenkunft am Morgen sein - in der sich alle sehen können. Hilfreich ist, Raum für das scheinbar Banale zu geben - und sei es der Blick und ein freundlicher Kommentar zu einem Bild im Hintergrund. Es ist ganz einfach: es für einige von uns die erste Pandemie - da kann nichts perfekt sein.

Doris Tito

CEO Peter Möhrle Stiftung

4 Jahre

Guter Ansatz, über den es sich lohnt nachzudenken.

Nina Carstensen

Ein Leben ohne CiviCRM ist möglich, aber sinnlos!

4 Jahre

Spannend! Vielen Dank für deine Sicht auf dieses Thema!

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