Weihnachten im Krisenmodus?
Interview zum Jahresausklang mit Alexander und Peter Kulitz I Quelle: ESTA Absaugtechnik

Weihnachten im Krisenmodus?

Guten Morgen, liebe LuftPost Community!

Weihnachten im Krisenmodus? Nein, danke! Denn allen trüben Konjunkturaussichten und Stimmungseinbrüchen zum Trotz möchten wir mit unserem geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Peter Kulitz und seinem Sohn Alexander Kulitz , Gesellschafter und ehemaliger Bundestagabgeordneter, zwar einerseits über die aktuellen enormen Herausforderungen sprechen, andererseits aber auch die Chancen beleuchten, die in jeder Krise liegen.


Die aktuelle Wirtschaftsflaute in Deutschland macht vielen Unternehmen schwer zu schaffen. Die Aussichten sind recht düster. Richten wir zunächst den Blick ins eigene Unternehmen: Quo vadis, ESTA?

Peter Kulitz: Eine Grundregel meines Vaters und ESTA-Gründers Günter Kulitz war, dass man beruflich immer „auf mehreren Standbeinen stehen“ soll. Dies haben wir über die vielen Jahrzehnte beherzigt und das Unternehmen in zwei vollkommen unterschiedliche Geschäftsbereiche aufgeteilt: 1. die Absaugtechnik für Industrie und Handwerk, die mit unseren Produkten das produzierende Gewerbe im In- und Ausland versorgt, und 2. die Schwimmbadtechnik mit dem Online-Handel ‚pools & wellness‘, der ein führender Anbieter von Schwimmbadzubehör im B2C-Geschäft ist. Durch diese Unternehmensstruktur konnten wir bislang den spürbaren Nachfragerückgang im Industriegeschäft mit dem Online-Handel in einem sehr speziellen Nischenmarkt weitestgehend ausgleichen. Der Grundsatz „auf mehreren Beinen stehen“ hat sich also bewährt. Gleichwohl sind auch wir abhängig von den politischen Rahmenbedingungen, die unsere Wirtschaft derzeit mehr belasten als befördern.


Was belastet mittelständische Unternehmen momentan am meisten?

Alexander Kulitz: Es ist die Summe an Belastungen, die für unsere Unternehmen zum echten Problem geworden ist! Der Erfüllungsaufwand für all diese ‚nicht wertschöpfenden Verpflichtungen‘ kostet Zeit und Geld. Es sind Zusatzkosten, die ein Markt und die Kunden nicht bereit sind, ins Uferlose zu bezahlen. Unnötige Bürokratie ist leider in allen Branchen zur Normalität geworden. All die ‚Beauftragten‘, die die Einhaltung von Regularien überwachen, müssen ausgebildet und bezahlt werden – vom Sicherheits-, Umwelt-, Brandschutz- bis zum Datenschutzbeauftragten. Jeder Betrieb hat täglich mit Dokumentations- und Transparenzpflichten zu kämpfen, die nicht der Wertschöpfung dienen, aber viel Zeit fressen. Von den derzeit diskutierten Bürokratiemonstern wie dem Lieferkettengesetz oder der CSR-Richtlinie ganz zu schweigen. Natürlich treffen diese Gesetze – entgegen der Behauptung mancher Politiker – den Mittelstand, und zwar massiv!


Eine überbordende Bürokratie ist das eine, aber das ist sicher nicht das einzige Problem für Unternehmen?

Alexander Kulitz: Das ist wohl wahr, denn wären zumindest die übrigen Rahmenbedingungen perfekt, könnte man die Bürokratiekosten sicherlich im Wettbewerbsvergleich kompensieren. Aber leider sind die Energiekosten bei uns rund viermal so hoch wie bei ausländischen Wettbewerbern. Straßen, Schienen und Brücken sind in einem so desolaten Zustand, dass man für den Transport teilweise massive Umwege sowie Staus und Standzeiten einkalkulieren muss. Fachkräfte sind nur noch schwer zu finden, und man darf es den Jugendlichen kaum verübeln, wenn die Arbeitsmarktattraktivität im internationalen Vergleich stark nachgelassen hat. Wenn dann noch die Unternehmensbelastung durch Steuern und Abgaben erheblich über dem Durchschnitt liegt, wird einem schnell bewusst, dass die Summe an Belastungen trotz aller Innovationskraft und ‚Made in Germany‘-Qualität unsere Wettbewerbsfähigkeit massiv einschränkt.


Quelle: ESTA Absaugtechnik

Brauchen wir eine „Wirtschaft First“-Agenda, wie sie z.B. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), gegenüber der Politik fordert?

Peter Kulitz: Ja, wir brauchen ein komplettes Umdenken. Dabei ist Politik oftmals auch ein ‚Spiegel der Gesellschaft‘. Unsere Produktionskosten sind durch die vielen von Alexander schon beschriebenen gesetzlichen Auflagen nicht mehr wettbewerbsfähig. Trotzdem erschallt bereits der Ruf nach einer ‚Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich‘. In keinem anderen Land der Welt werden derartige Forderungen laut! Auch den seit Jahren erfolgenden Warnungen der Wirtschaft vor diesen Fehlentwicklungen begegnet unser (Noch-) Kanzler mit den Worten: ‚Die Klage ist das Lied des Kaufmanns.‘ Was für eine Despektierlichkeit, um nicht zu sagen Verächtlichkeit, die mit diesen Worten zum Ausdruck kommt! Für mich hat sich dieser Kanzler damit zumindest wirtschaftspolitisch desavouiert.

Alexander Kulitz: Ludwig Erhard wusste, ‚Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts‘. Heute scheint die Politik mit dieser einfachen Volksweisheit nicht mehr viel anfangen zu können. Prosperität, Wohlstand und sogar der Sozialstaat basieren auf der volkswirtschaftlichen Leistung einer Gesellschaft. Daher erübrigt sich die Frage, ob wir eine ‚Wirtschaftsagenda‘ brauchen. Die Wirtschaft sollte Dreh- und Angelpunkt vernünftiger Ordnungspolitik sein, denn nur unter den richtigen Rahmenbedingungen kann eine (soziale) Marktwirtschaft florieren. Dazu gehört auch die Weisheit, dass ‚der Staat nicht der bessere Unternehmer ist‘. Über die Jahre hinweg hat die politische Bevormundung der Unternehmen durch ideologisch getriebene Gesetzgebung massiv zugenommen. Wenn ich heute die Firma ESTA mit denselben unternehmerischen Entscheidungen wie mein Großvater 1972 ins Leben rufen wollte, würde die Firma keine Woche existieren, weil wir gegen so viele Regularien und Vorgaben verstoßen hätten.


Sie fordern also im Gegenteil: Schluss mit der politischen Bevormundung und keine weitere Agenda?

Alexander Kulitz: Exakt! Wir brauchen definitiv keine ‚politische Wirtschaftsagenda‘ mehr. Solche ‚Agenden‘ haben wir haufenweise. Von der EU wird jetzt ein ‚Industrial Deal‘ gefordert, nachdem der ‚Green Deal‘ eher eine Abschwächung der EU-Wirtschaftsleistung bewirkt hat. Ich warne vor neuen Bevormundungsinitiativen. Ganz nach dem Motto ‚Schuster, bleib bei deinem Leisten‘ sollte sich die Politik in einem schlanken, aber starken Staat auf Rahmenbedingungen beschränken, die den Unternehmen Planungssicherheit und Freiheit in ihrer unternehmerischen Kreativität geben. Dazu braucht es keine Agenda, sondern ein anderes Selbstverständnis der Politik. Was hilfreich wäre, ist das von Friedrich Merz während des Europawahlkampfes mehrfach ins Spiel gebrachte Belastungsmoratorium für die Wirtschaft. Ich hoffe, dass er sich als zukünftiger Bundeskanzler an diese gute Idee erinnert. Darüber hinaus sollte der Staat sich um seine primären Aufgaben wie Infrastruktur, Sicherheit, Bildung und ein gutes, internationales Zusammenwirken für freie und offene Märkte bemühen. Das wäre meiner Meinung nach die beste politische Agenda, die wir von einer wahrscheinlichen neuen ‚GroKo‘ erwarten dürfen.


Viele Unternehmer halten den Bruch der Ampel-Regierung in diesen instabilen Zeiten für unverantwortlich, für andere wiederum war das Aus längst überfällig. Wie sehen Sie das?

Peter Kulitz: Im Nachhinein betrachtet, hätte die Aufkündigung dieser Koalition schon früher erfolgen müssen, um eine neue Legitimation für ‚harte und konsequente Maßnahmen‘ zu schaffen. Ob dies allerdings mit Neuwahlen passieren wird, erscheint derzeit fraglich, denn sie münden wohl zwangsläufig wieder in eine ‚Koalition widerstreitender Ideologien‘. Wir können uns aber keine weitere ‚Wahlperiode des Scheiterns‘ leisten. Die gemäßigten politischen Parteien müssen die richtigen Prioritäten setzen. In den USA hieß es schon vor über 20 Jahren und lange vor Trump: „It‘s the economy, stupid“, ein Wahlkampfspruch Bill Clintons, der ihn ins Amt brachte. Wir sollten das auch in Deutschland beherzigen, sonst gerät unsere Gesellschaft aus den Fugen.

Alexander Kulitz: ‚Nicht schön, aber richtig‘ hat Clemens Fuest, Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, treffend das Ampel-Aus kommentiert. Es kommt leider schlicht zu spät und wird nun in einen extrem schmutzigen Wahlkampf führen, den wir leider bereits zu spüren bekommen.


Was würden Sie als Erstes tun, wenn Sie nach den Neuwahlen, die voraussichtlich am 23. Februar 2025 stattfinden, das Zepter in der Hand hielten?

Peter Kulitz: Es gilt, die Prioritäten richtig zu setzen und mit deren konsequenter Umsetzung die ‚Glaubwürdigkeit‘ der politisch Verantwortlichen und das Vertrauen in eine kompetente Führung wiederherzustellen.

Alexander Kulitz: Ich würde alle Staatsorgane verpflichten, jegliches staatliches Handeln an dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Sinne des Art. 2 GG zu prüfen! Denn der größte Sündenfall meiner Ansicht nach ist, dass wir eines der wichtigsten Grundrechte, nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit, nicht mehr ernst nehmen. Nicht umsonst ist sie mit Art. 2 GG gleich an zweiter Stelle im Grundgesetz – nach der Menschenwürde – geregelt. Zudem würde ich eine echte ‚Entbürokratisierungskampagne‘ starten, mit einer verpflichtenden ‚Genehmigungsfiktion‘ nach spätestens 3 Monaten, einer ‚One in, two out‘-Regel bei der Gesetzgebung, einem Einstellungsstopp für alle Ministerien, und dem Normenkontrollausschuss würde ich sogar ein Veto-Recht einräumen wollen. Im Übrigen würde ich mich relativ nahe an dem ‚Wirtschaftspapier‘, das letztendlich den Koalitionsbruch beschleunigt hat, orientieren, da dort viele schnell umsetzbare, richtige Maßnahmen enthalten sind.


Weihnachten steht vor der Tür, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Viele Unternehmen und Arbeitnehmer sehen auch 2025 einer sehr unsicheren Zukunft entgegen. Was macht Ihnen persönlich Mut, nicht im Dauerkrisenmodus verharren zu müssen?

Peter Kulitz: Als ein Angehöriger der Nachkriegsgeneration konnte ich in den fünfziger und sechziger Jahren miterleben, wie eine am Boden zerstörte Gesellschaft mit Fleiß, Solidarität und Freude an der Arbeit (…. und damals gab’s kein ständiges Gerede von ‚work life balance‘!) das Land wieder aufgebaut und Wohlstand geschaffen hat. Das zeigt, welche Kraft in einer freien, demokratisch verfassten Gemeinschaft steckt. Sie muss wieder entfesselt werden, woran auch die Medien einen gehörigen Anteil haben. Dass dies möglich ist, hat diese ‚Generation des Wirtschaftswunders‘ ohne Jammern und ständigen Ruf nach staatlicher Fürsorge bewiesen. Sie war sich ihrer Eigenverantwortung für die Entwicklung des Gemeinwesens bewusst. Dies sollte uns allen ein Vorbild sein.

Alexander Kulitz: ‚Nur wenn der Druck hoch genug ist, entstehen Diamanten‘. Ich hoffe, dass der Ernst der Lage erkannt wird und wir in Deutschland im neuen Jahr alle gemeinsam zurück zu unseren Stärken finden.


Interview: Jenny Göser-Eckert

17.12.2024



ESTA Absaugtechnik wünscht frohe Weihnachten

Das LuftPost-Team wünscht Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Ein Jahr LuftPost ist buchstäblich an uns vorbeigeflattert. Wir sagen Danke für Ihr Interesse an unserem Newsletter und nehmen Sie auch 2025 wieder mit, u.a. zu unseren Kunden vor Ort und zeigen Ihnen, wie unsere Absaugtechnik in der Praxis eingesetzt wird. Selbstverständlich halten wir Sie auch über Produktneuheiten und Updates aus unserem Familienunternehmen auf dem Laufenden.



Haben Sie Themenwünsche oder Anregungen?

Wir freuen uns über Hinweise, Themenwünsche und Feedback, zum Beispiel via LinkedIn-Kommentar oder per E-Mail an luftpost@esta.com.

Wir wünschen Ihnen eine schöne Restwoche!

Herzliche Grüße

Ihr Team von ESTA Absaugtechnik



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Gerd Stiefel

The struggle we are in today, is developing the strength we all need for tomorrow. A.D. Wonderbuild

2 Wochen

Auch wenn es ein ungewöhnlich langer Beitrag ist. Es lohnt sich das gesamte Gespräch BIS ZUM SCHLUSS zu lesen. Dr. Peter Kulitz und Alexander Kulitz treffen mit jeder Aussage den Nagel auf den Kopf.

Lesenswert! Vielen Dank! Frohe Weihnachten und einen guten Start 2025!

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