Wenn der Ankündigung keine Taten folgen (können), ist kommunikatives Wegducken die falsche Strategie

Wenn der Ankündigung keine Taten folgen (können), ist kommunikatives Wegducken die falsche Strategie

Von Peter Dietlmaier, CCounselors, Düsseldorf, und Dr. Thilo Goodall-Rathert, Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten, Zürich

Plötzlich fand sich das Familienunternehmen aus der deutschen Provinz bundesweit in den Schlagzeilen wieder. Mit seinem Geschäft in Russland werde es zum Unterstützer des Putin Regimes gegen die Ukraine, lautete der Vorwurf. Geschickt wollte das Unternehmen bei dem Thema einen Deckel draufmachen. Der Verkauf des Geschäfts in Russland wurde exklusiv gegenüber einem Medium angekündigt. Andere schrieben ab. Die Ankündigung wirkte bereits als Vollzug. Ruhe nach einer Welle der Aufmerksamkeit. Das Thema schien erledigt, bis jemand nach einigen Monaten nachfragte. In neuen Medienberichten zeichneten Journalisten nun nach, dass man dem Verkauf nicht nähergekommen war. Zwischenzeitlich wurde auch die Strategie im angeblichen Verlaufsprozess geändert. Anstatt des angekündigten Management Buyouts schien das Unternehmen nun mit einem sanktionierten russischen Unternehmen zu sprechen.

Über den Strategiewechsel, wie über die Schwierigkeiten im M&A-Prozess in Russland wurde nie kommuniziert. Keine Erklärungen. Man fühlte sich nach dem Stopp der ersten Welle kommunikativ auf der sicheren Seite. Fälschlicherweise, wie sich zeigte. Neben dem Aufwärmen der alten Geschichte führte die gewachsene Skepsis bezüglich der Glaubwürdigkeit des Unternehmens zu weiteren Recherchen. Nun geht es nicht nur um Russland, sondern auch um das Geschäft in Belarus.

Das deutsche Familienunternehmen ist nicht allein. Laut einer Analyse der Kyiv School of Economics haben knapp 140 deutsche und mehr als 60 Schweizer Unternehmen zwar angekündigt, dass sie in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine vor mehr als zwei Jahren und den damit verbundenen Sanktionen den Markt verlassen wollen. Aber heute sind sie immer noch da. 80 Schweizer und deutsche Unternehmen wie Obi, Henkel oder Mercedes-Benz haben den russischen Markt bereits verlassen (Stand: 28. Oktober 2024). Familienunternehmen sind dabei teilweise mit ihren eigenen Investitionen in Russland sehr konsequent umgegangen und haben ihr Geschäft einfach verschenkt. Angestellte Geschäftsführer und Vorstände können das in der Regel nicht tun. Sie sind in gewisser Weise nur Treuhänder. Das Unternehmen und dessen Werte gehören den Anteilseignern.

Auch unter einer neuen Trump-Regierung werden wir geopolitisch – zumindest nicht so schnell – zu einer flachen Welt zurückkehren. Der raue Ton und die Spannungen werden bleiben. Schliesslich hatten sich just in der Zeit der ersten Trump-Regierung die Beziehungen zwischen den USA und Russland weiter verschlechtert.

Damit wird die Lage für die Unternehmen, die heute noch in Russland tätig sind, obgleich sie schon draussen sein wollten, nicht einfacher. Wenn es nicht findige Investigativjournalisten sind, die immer wieder mal schauen, welche Versprechungen wirklich umgesetzt wurden, dann kann man davon ausgehen, dass zumindest politische Pressure Groups immer wieder einen Blick auf die Statistiken der Kyiv School of Economics werfen werden. Oder es sind Investoren, wie der PE-Fund, der sich von einer Beteiligung unbedingt trennen wollte, weil wiederum seine Investoren kein Investment halten sollten, das in dem russischen Markt noch aktiv ist.

Aber was machen, wenn man beim besten Willen nicht aus Russland rauskommt? Der Fall des deutschen Familienunternehmens aus der Provinz zeigt: Auf alle Fälle nicht schweigen. Nur, weil das Unternehmen nicht darüber redet, heisst das nicht, dass es andere nicht tun oder genauer hinschauen. Kommunikation kann zwar dazu führen, dass Probleme wieder Thema in den Medien werden. Gute Kommunikation kann aber auch dazu führen, dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit erhalten bleibt.

Evgeny Tonevitsky, PhD

Senior Government Relations Consultant | Former Government Advisor | GR Strategies for Special Situations

1 Woche

Es ist außerdem wichtig zu berücksichtigen, dass alle Medien- und Öffentlichkeitsaktivitäten von Unternehmen aus „unfreundlichen“ Jurisdiktionen von den russischen Behörden streng überwacht werden. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen umgehend Druck auf das Management in Russland ausgeübt wurde, nachdem es zu unvorsichtigen Handlungen oder Äußerungen der Zentrale gekommen war, wobei extreme Fälle bis hin zu Inhaftierungen oder der Einführung einer externen Verwaltung eskalierten. Daher sollte die Kommunikationsstrategie umfassend gestaltet sein und Risiken aus allen Perspektiven sorgfältig bewerten.

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