Wertsprungmanagement – Turnaround mit Wertsprung – wie geht das?

Wertsprungmanagement – Turnaround mit Wertsprung – wie geht das?

Der achte Teil unserer monatlichen Kurzartikel zu Wertsprungmanagement befasst sich mit dem Thema Turnaround und den sich daraus ergebenden Opportunitäten für Wertsprünge. 

Zeit zur Umkehr: Die Begriffe „Turnaround“ bzw. „Turnaround-Management“ sind im deutschen Sprachraum bestens etabliert. Turnaround bringt das Umdrehen in einer persönlich oder geschäftlich verfahrenen Angelegenheit zum Ausdruck. Ein Turnaround fordert zum Umkehren oder ‚Andersdrehen’ auf. Am häufigsten wird Turnaround im Zusammenhang mit einer in Schieflage geratenen Unternehmung oder einem blockierten Projekt verwendet.

Typisch bei einem Unternehmens-Turnaround: ein Unternehmen steht an einem kritischen Punkt. Turnarounds haben immer etwas mit mehr oder weniger ausgeprägten, verdeckten oder offenen Krisensituationen zu tun, die letztendlich existenzgefährdend sind. Ein ‚Weitermachen-wie-bisher’ ist keine oder höchstens eine zeitlich befristete Option. 

In allen Fällen sind Maßnahmen notwendig um die kurzfristige Überlebensfähigkeit (bei Liquiditätskrise) bzw. die mittel- bis langfristige Lebensfähigkeit (bei Strategie- oder Ertragskrise) der Unternehmung sicherzustellen. Solche Maßnahmen sind häufig dringend und einschneidend. Der Zeitaspekt, die Wahl und der Einsatz der entsprechenden Instrumente spielt somit eine entscheidende Rolle.

Wertsprungpotentiale in Krisen: Unter einem Wertsprung verstehen wir eine Vervielfachung des Unternehmenswertes. Die Möglichkeit zur Vervielfachung hängt stark vom Ausgangspunkt ab: je schwieriger und aussichtsloser die Situation, je entsprechend tiefer der verbleibende Unternehmenswert, desto grösser ist das Potential für einen Wertsprung. 

Der hier angesprochene Basiseffekt findet sich insbesondere in Krisensituationen, die hohe Risiken für alle Beteiligten - insbesondere für Kapitalgeber - mit sich bringen.

Krisen in allen Facetten: Es lassen sich drei grundsätzliche Arten von Unternehmenskrisen unterscheiden:

  • Strategiekrise 
  • Ertragskrise
  • Liquiditätskrise

Eine Strategiekrise bedingt eine strategische Neuorientierung. Gelingt dies nicht, wird die Unternehmung früher oder später in eine Ertragskrise mit sinkenden Umsätzen, schrumpfenden Bruttomargen und Verlusten rutschen. Gemäss Jörg Müller-Ganz beträgt die Reaktionszeit bei einer strategischen Krise 3-5 Jahre, bei einer Ertragskrise 1-3 Jahre und bei einer Liquiditätskrise weniger als 12 Monate. Das klassische, in der kollektiven Erinnerung tief eingeprägte Schweizer-Beispiel für diese Abfolge liefert die Swissair (bzw. SAirGroup). Diese durchlief alle Krisensituationen mit Zwischenstationen wie die Hunter-Strategie, vielschichtige Führungskrisen, exogene Einflüsse (u.a. steigende Kerosinpreise, 9/11) bis schließlich hin zum finalen Akt des Grounding.

Sanierungsfall - viel Potential auf tiefer Basis: Was macht Sanierungsfälle interessant für eine Wertsprungstrategie? Bei einem Sanierungsfall sind die liquiden Mittel sowie das Eigenkapital im Normalfall weitestgehend aufgebraucht. Die gesetzlichen Bilanzierungsbestimmungen zu Fortführungs- wie auch zu Liquidierungswerten in Verbindungen mit den Pflichten der Organe (v.a. Verwaltungsrat und Revisionsstelle) setzen klare zeitliche wie haftungsrechtliche Grenzen. 

In diesen Situationen machen diejenigen Wertsprünge, die a) Ideen haben, wie sie das (schlummernde) Potential wieder erwecken, b) das Eigenkapital mit den damit verbundenen Eigentumsrechten sichern können und c) die notwendige Liquidität für die Weiterführung der Unternehmens einbringen (im Sinne von ‚Pay-to-Play’). Oft sind das bestehende oder neue Kapitalgeber sowie Manager mit hoher Risiko- und Leistungsbereitschaft.

Sanierungsfälle brauchen Ideen, Fokus und viel Disziplin: Wichtig ist die richtige Einschätzung der Potentiale eines Sanierungsfalls:

  • das Unternehmen war mal erfolgreich - was ist noch da?
  • es hat ‚Assets’ wie Kunden, Lieferanten, Anlagen, Mitarbeiter, Vertriebsorganisation, Wissen, etc.
  • Druck und Wille für Veränderungen sind hoch

Solche ‚Assets’ verbunden mit einem schrittweisen Mitteleinsatz (Zahlungen gemäss erreichten Meilensteinen) und den richtigen operativen, finanziellen und rechtlichen Hebeln können in kurzer Zeit Wertsprungerträge generieren: 

  • der erste durch die Rückführung in die Gewinnzone 
  • der zweite durch das Nutzen des Momentums für Innovation und Wachstum 
  • der dritte durch den Verkauf 

Die erste sprunghafte Wertsteigerung ergibt sich bei einem erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen mit Gläubigern und Banken. Das rettet die Unternehmung vor dem Konkurs und schafft damit neue Optionen und damit neue Werthaltigkeit. Der richtig große Wertsprung wird mit dem Erreichen der (nachhaltigen) positiven Cashflow-Schwelle  realisiert. Mit diesem Schritt ist der Turnaround geschafft. Mit der neuen Ausrichtung und dem neuen ‚drive’sind die Erfolgsperspektiven positiv und ermöglichen eine Serie von weiteren Wertsprüngen.

Fazit: Die Kraft der Krise: Brüche oder beschleunigte Entwicklungen im Lebenszyklus einer Unternehmung bieten herausragende Möglichkeiten für den Einsatz von Wertsprungstrategien. Unternehmenskrisen sind typische Ausgangslagen für den Einsatz von Wertsprungmanagement. In Turnaround-Situationen besteht ein hoher Handlungsdruck und es entsteht eine zunehmende Änderungsbereitschaft. Krisen machen erfinderisch, regen die Kreativität an und setzen ungeahnte Kräfte frei. Jemand der sich bei einem Sanierungsfall (‚distressed company’) engagiert, erwirbt verschiedene Möglichkeiten (explizite & implizite Optionen) für signifikante Wertsprünge.

Vorschau: „Wertsprungertrag – welche Formen gibt es? “. Mehr dazu im Teil 9 (September 2018). 

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Zu dieser Serie an Kurzbeiträgen: 2018 wird jeden Monat ein Beitrag zu Wertsprungmanagement mit Schwergewicht auf Praxisbeispiele publiziert. Die bisher erschienenen Artikel finden Sie auf unsere Webpage www.qic.ch. Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Marius Fuchs unter marius.fuchs@qic.ch

Was ist ein Wertsprung? Ein Wertsprung ist ein signifikanter, oft sprunghafter Anstieg des Unternehmenswerts aufgrund von spezifischen Ereignissen oder Entwicklungen.

Es gibt zufällige und bewusst herbeigeführte Wertsprünge. Uns interessieren vorwiegend die bewusst geplanten und herbeigeführten Wertsprünge. Solche Wertsprünge finden im kurzfristigen (z.B. Ausnutzen einer Opportunität) oder im mittelfristigen Zeitfenster statt.

Ein Wertsprung entsteht aus dem geschickten Zusammenspiel der vier Elemente: 1) Wertsprungpromotor, 2) Wertsprungpotential, 3) Wertsprunghebel und 4) Wertsprungertrag. 

Historie: Der Wertsprungansatz basiert auf der Strategieschule von Prof. em. Dr. Cuno Pümpin (Universität St. Gallen – HSG). Er präsentierte die Grundidee in den späten 1990er Jahren. Seit 2015 entwickeln Cuno Pümpin und Marius Fuchs den Ansatz zur heutigen Wertsprungmethode weiter und machen ihn der Praxis zugänglich. 

Marius Fuchs praktiziert die Wertsprungmethode mit der von ihm 2008 gegründeten QIC Performance Consulting AG (QIC, www.qic.ch). Bisherige Beiträge, u.a. zum Thema „Unternehmerisches Investieren“ oder „Dynamische Unternehmensentwicklung“, sind unter www.qic.ch(Publikationen) verfügbar.

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Quellen für diesen Artikel:Pümpin Cuno: Das Dynamik-Prinzip: Zukunftsorientierungen für Unternehmer und Manager. Düsseldorf/Wien/New York, ECON Verlag, 1989. Müller-Ganz Jörg: Turnaround: Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen. Zürich, NZZ Libro, 2004; Wikipedia zu Swissair/SAirGroup.


Thomas Zehnder

Medtech ¦ Life Science Entrepreneur and Investor

5 Jahre

Gratulation, eine konzentrierte Sammlung von Lösungsansätzen im Turn-around Management. Was ist mit dem menschlichen Aspekt? Geht nicht den meisten Unternehmenskrisen eine Führungskrise voraus? Nur eine neue Strategie mit denselben Köpfen, könnte in vielen Fällen zu kurz greifen.

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