Wie betrachtet man Trägerblech-basierte Fugenabdichtungssysteme richtig?
Beim Bau von Betonbauwerken treten eine Vielzahl von Fugen auf, die eine Schwachstelle im Bauwerk darstellen und die daher gegen eindringendes Wasser abgedichtet werden müssen. Für solche Fugen werden verschiedene Abdichtungssysteme angeboten. Diese müssen sich in die Gesamtkonstruktion und Abdichtungsebene einfügen, um eine optimale Funktionalität und damit Dichtigkeit zu gewährleisten. Bestätigt wird die Funktionsfähigkeit der Abdichtungssysteme in der Regel durch Verwendbarkeitsnachweise (z.B. abP). Darin werden beispielsweise Dichtigkeitsprüfungen bei erhöhten Wasserdrücken durchgeführt und bis zu gewissen Grenzwerten bestätigt. Dadurch können sich bereits erste Einschränkungen für Produkte ergeben, z.B. wenn die zu erwartenden maximalen Wasserdrücke an den Fugen größer sind als die in den Produktzulassungen genehmigten Anwendungsbereiche des Fugenabdichtungssystems.
Praktisch alle Fugenblech-Produkte (hier ein einfaches Schwarzblech) wirken zunächst als mechanische Barriere durch eine Wegverlängerung für eindringendes Wasser, da sie senkrecht in der Fuge eingebunden sind und sich dem, über die Fuge eindringenden, Wasser direkt physikalisch in den Weg stellen.
Der Nachteil dieses sehr einfachen Abdichtungssystems liegt auf der Hand. Die glatte Oberfläche des Stahlblechs bildet keine physikalische oder chemische Anbindung an den umgebenden Beton aus. Da der Beton beim Aushärten neben den bekannten zement-chemischen Hydratationsreaktionen durch weitere betontechnologische Randbedingungen beeinflusst wird, kommt es über die Nutzungszeit zu Kriech- und Schwindverformungen. Beide Faktoren führen im Grenzflächenkontaktbereich zwischen dem Beton und der glatten Abdichtungsproduktoberfläche zur Ausbildung eines groben, porigen Gefüges. Diese Grenzfläche stellt die Schwachstelle im Abdichtungsvermögen glatter Oberflächen wie Stahlblechen dar, wodurch einige Produkte zur Fugenabdichtung zusätzliche Wirkprinzipien nutzen, um diese Schwächezone besser abzudichten.
1. Raue Oberfläche:
Zusätzlich zur Wegverlängerung nutzen einige Fugenabdichtungssysteme eine raue Oberfläche als zusätzliches Wirkprinzip. Durch eine inerte mineralische Strukturierung der Oberfläche, die meist durch eine feine Quarzkörnung dargestellt ist, wird eine höhere Rauigkeit erzielt, um eine verbesserte Anbindung an den Frischbeton zu ermöglichen. Dadurch lässt sich der Verbund zum Frischbeton verbessern, führt aber nicht zwangsläufig zu einer besseren Abdichtung der Grenzfläche zwischen der Fugenblechoberfläche und dem erhärteten Beton. Das beschriebene Schwindverhalten von Beton bleibt bestehen und wird alleine durch eine raue Oberfläche nicht kompensiert. Die mechanische Verzahnung der rauen Oberfläche des Fugenabdichtungsprodukte mit dem aushärtenden Beton verlängert maximal die Wege für eindringendes Wasser, führt aber nicht zu einer Abdichtung der Schwächezone.
2. Klebrige Oberfläche:
Eine weitere Möglichkeit der Verbesserung des Abdichtungsvermögens stellt das Wirkprinzip einer klebrigen Oberfläche dar.
Hierbei wird das glatte Fugenblech mit einer klebrigen Substanz (z.B. Bitumen, Butyl, Acrylat) versehen, die dann eine rein physikalisch-adhäsive Verklebung mit dem umgebenden Beton herstellen soll. Das Wirkprinzip ist in zweierlei Hinsicht schwierig in der Praxis sicher anzuwenden. Zum einen stellt eine klebrige Oberfläche in der Praxis ein zusätzliches Müllproblem dar, da zum Schutz gegen Oberflächenverschmutzungen der klebrigen Wirksubstanz und damit gegen den Verlust der Klebrigkeit eine Schutzfolie benötigt wird, zum anderen muss die Schutzfolie beim Einbau komplett entfernt werden, um eine einheitliche klebrige Oberfläche zu gewährleisten. Auf der Oberfläche verbleibende Reste der Schutzfolie stellen immer eine Schwächung der Dichtwirkung dar und fördern als weg- und benetzbare Oberflächen das Eindringvermögen für Wasserzutritte über die Fuge. Abgesehen vom Müllproblem hilft die klebrige Oberfläche nur bedingt die betontechnologischen Randbedingungen des Betonschwindens zu kompensieren. Bei einer entsprechend dicken und flexiblen Ausbildung der Klebeschicht, kann es möglich sein, das Schwindverhalten des Betons zu kompensieren, vermutlich jedoch nicht auf Dauer. Die rein physikalische adhäsive Anbindung der klebrigen Oberfläche an den Beton unterliegt einem zersetzenden Hydrolyseprozess durch die Porenlösung des Betons mit ihrem pH-Wert > 12. Durch die Hydrolysereaktionen reduziert sich die Dauerelastizität vieler klebriger Substanzen deutlich und macht sie damit starrer, wodurch die physikalisch-adhäsiv abdichtende Wirkung in der Grenzfläche zwischen Fugenabdichtung und Beton mit der Zeit abnimmt.
3. Quellende Oberfläche:
Fugenabdichtungen können auch Substanzen auf der Oberfläche tragen, die im Kontakt mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten volumenvergrößernde Reaktionen zeigen (z.B. Bentonit).
Diese Reaktionen können die Schwächezone zwischen Fugenabdichtungsoberfläche und umgebenden Beton schließen, wenn auch nur physikalisch-mechanisch. Eine dauerhafte Verbundreaktion z.B. durch eine chemische Verbundreaktion zwischen Blech und Beton wird dabei nicht aufgebaut. Es findet lediglich eine Wechselwirkung mit einem Fluid statt. Diese kann in der Praxis so groß sein, dass die betontechnologischen Schwindverformungen kompensiert werden können. Ist das eindringende Fluid allerdings mobil und bewegt sich im Randbereich reversibel, können die quellenden Bestandteile ggf. mit dem Fluid ausgeschwemmt werden, wodurch mit der Zeit bzw. mit steigender Belastung die abdichtende Wirkung nachlassen kann. Die Praxis hat gezeigt, dass während der Einbauphase es zu vorzeitigen Quellreaktionen der Beschichtung auf Grund der Witterungsverhältnisse kommen kann.
4. Reaktive Oberflächen und Kombinationen:
Da die Anwendung von einem zusätzlichen Wirkprinzip keine dauerhafte Verbesserung der Abdichtungswirkung von Fugenabdichtungssystemen erzielt, kombinieren hochwertigere Abdichtungssysteme mehrere Wirkprinzipien zur verbesserten Abdichtung von Fugen. Insbesondere die Kombination aus physikalischen und chemischen Anbindungen an den umgebenden Beton, idealerweise bereits aktive Reaktionen mit Bestandteilen oder Reaktionsprodukten aus dem Frischbeton verbessern die Abdichtung der Grenzflächen zwischen Fugenblech und Beton signifikant. Hervorzuheben sind reaktive Bestandteile (z.B. Zement) in Beschichtungen auf dem Fugenblech, da diese Stoffe chemisch reagieren und dauerhafte Anbindungen zwischen Beton und Fugenabdichtungsoberfläche erzeugen.
Eine solche reaktive bzw. aktive Beschichtung erscheint augenscheinlich starr, ist aber eher flexibel (Blech kann gebogen werden) und nur in einem alkalischen Milieu mit Fluiden reaktiv. Solche Hybridbeschichtungen haben eine starke Adhäsion zum Frischbeton, die auf chemische Reaktionen zurückzuführen sind. Die raue Oberfläche optimiert nicht nur die physikalische, mechanische Verkrallung mit dem Frischbeton sondern bietet dem Frischbeton eine vergrößerte aktive Reaktionsfläche an. Die in der Hybridbeschichtung eingelagerten, unhydrierten Zementpartikel reagieren im feuchten alkalischen Milieu und es bilden sich aus der Blechbeschichtung heraus CSH Kristalle, die in die Betonstruktur aktiv vordringen.
Das Schwindverhalten des Betons kann durch die reaktiven Bestandteile einer aktiven Beschichtung kompensiert werden. Weitere Porenräume in der geschwächten Randzone im Bereich der Grenzfläche zwischen Fugenabdichtungssystem und Beton werden durch die Reaktionsprodukte der Reaktivbeschichtung über die Lebensdauer der Fuge kontinuierlich gefüllt und damit dicht verschlossen. Mit der Zeit wird die Fugenabdichtung also immer besser. Trocknet der Kontaktbereich zwischen Beton und Fugenabdichtung aus, so kommen auch chemische Reaktionen zum Stillstand, werden aber direkt mit dem nächsten Kontakt zu einem Fluid reaktiviert.
Das Abdichten von Fugen in Betonkonstruktionen unterliegt verschiedenen zementchemischen und betontechnologischen Faktoren, sowie der Wechselwirkung zwischen umgebenden Beton und Fugenabdichtung mit und ohne Fluid, die bei der Wahl des richtigen Abdichtungssystems genauso berücksichtigt werden müssen, wie die Anforderungen an das Bauwerk bzw. die Fuge selbst, seinen Standort, die Nutzung bzw. die Nutzungsdauer. Zur Entwicklung einer, über lange Zeiträume, dichten Fuge, müssen die möglichen Wirkprinzipien zur Abdichtungsverbesserung richtig in einem Produkt kombiniert werden, um die nur zu einem sehr geringen Maße beeinfluss- und steuerbaren betontechnologischen Faktoren, die zur Schwächung der Grenzflächenkontakte zwischen Fugenabdichtung und Beton führen, zu kompensieren.
Die Praxis hat gezeigt, dass Kombinationen von Wirkprinzipien der Fugenabdichtungssystemen, insbesondere die Verbindung von physikalischen und chemischen Wechselwirkungen über reaktive Beschichtungen sehr vorteilhaft sind.
Verfasser: Dr. Jens Glowacky und Dipl.-Ing., Dipl.-Wirt.-Ing. Adrian Pflieger
Aufgestellt: 28.04.2021