Wolfgang Grilz: Hierarchische Unternehmensstrukturen und ihre Alternativen
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Damit Unternehmen funktionieren, müssen sie sich in irgendeiner Weise eine Ordnung geben. Am häufigsten bedienen sie sich dabei hierarchischer Gliederungen. Führungskräfte in meinen Seminaren lachen immer wieder lauthals auf, wenn sie hören, was das Wort Hierarchie in der Übersetzung eigentlich bedeutet.
Heilige Ordnungen in Unternehmen
Das Wort Hierarchie ist altgriechischen Ursprungs und bedeutet „heilige Ordnung“. Eine Hierarchie bezeichnet also Elemente, die einander über- und untergeordnet sind, wobei diese Ordnung "gottgewollt" ist. Hierarchische Unternehmensstrukturen sind in diesem Sinne also Ordnungen, die keinesfalls in Frage gestellt werden dürfen. Sie haben den Vorteil, dass – zumindest in der Theorie – immer jemand da ist, der die Verantwortung trägt. Wenn Konflikte nicht durch soziale Interaktion bereinigt werden können, so entscheidet die zuvor festgelegte Hierarchie, wer entscheidungsbefugt ist. Mit einem lakonischen Spruch von Führungskräften gesagt: "Dann sticht eben der Ober den Unter."
In größeren Organisationen sind Hierarchien mit konkret ausdifferenzierten Funktionen verbunden, welche die MitarbeiterInnen ausfüllen. Diese Funktionen sind in Jobprofilen definiert, welche die Beschreibung der Verantwortungsbereiche und Befugnisse des Funktionsinhabers beinhalten. Außerdem sind sie mit Kompetenzmodellen hinterlegt, mit deren Hilfe nötige Kenntnisse und Fertigkeiten dokumentiert werden sollen. Auch dies bringt Klarheit und Überblick, erfordert von den MitarbeiterInnen aber auch ein hohes Maß an Anpassung an ihre Jobbeschreibungen und ist ein wenig flexibles Modell für Veränderungssituationen.
Funktionale Hierarchien machen transparent, wer an wen berichtet oder wer im Falle von Differenzen oder Konflikten Entscheidungen treffen darf. Die Theorie dahinter ist, dass Entscheidungen durch einen hierarchisch legitimierten Machtträger rascher getroffen werden können, als dies zum Beispiel unter demokratischen Bedingungen der Fall wäre. Soweit die Intention.
Die Praxis zeigt oft ein ganz anderes Bild, wie mir eine Gruppe von engagierten jungen Nachwuchs-Führungskräften einer großen Dienstleistungsorganisation kürzlich wieder berichtet hat. Entscheidungen werden oft gar nicht getroffen, oder aber es entstehen zumindest lange Wartezeiten. Die engagierten jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich dadurch demotiviert. Zudem werden Entscheidungen oft durch Personen getroffen, die weit vom operativen Geschehen entfernt sind. Die Mitarbeiter verwiesen in diesem Zusammenhang darauf, dass Entscheidungen nicht selten auch von schlechter Qualität sind, weil zu wenig Zeit für die Diskussion der Konsequenzen verwendet wird.
Viele Organisationen wissen über die Nachteile dieser hierarchischen Führungsstrukturen Bescheid und versuchen hier auch gegenzusteuern. Selbstverantwortliches Handeln ist in den allermeisten Organisationen ein wichtiger Unternehmenswert. Unter dem Stichwort Empowerment ermutigen Unternehmensleitungen ihre MitarbeiterInnen zu verstärkter Übernahme von Verantwortung. Auch werden einzelne Entscheidungsbefugnisse in der Hierarchie weiter unten angesiedelt. Gelegentlich wird auch die Zahl der hierarchischen Ebenen reduziert, um die Informationswege abzukürzen.
Unternehmen tun all dies aber vielfach, ohne dass sie die hierarchischen Prinzipien selbst in Frage stellen. Seit einigen Jahren scheint sich dies allerdings zu ändern. Es gibt eine Reihe von Organisationen, die den Innovationsbegriff nicht nur auf ihre Produkte und Dienstleistungen beziehen, sondern auch auf ihre innere Gestaltung. Sie experimentieren mit der Gestaltung ihrer eigenen Strukturen und hinterfragen dabei alles - auch die funktionalen und hierarchischen Prinzipien der Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In meinem Blog werde ich in den nächsten Wochen einige dieser Alternativen für die Gestaltung von Unternehmensstrukturen anhand von konkreten Unternehmensbeispielen vorstellen. Ich werde schildern, wie sie sich solche Unternehmen organisieren, was ihnen gelungen ist, aber auch, welche Schwierigkeiten sie dabei hatten sich entsprechend zu wandeln: https://www.grilz.at/blog/