Gesundheitsminister Lauterbach tituliert „seine“ Krankenhausreform aufgrund des Krankenhausverbesserungsgesetzes (KHVVG) als Revolution. Hinweise darauf, welche Herausforderungen der Vollzug einer solchen Revolution mit sich bringt, gibt die aktuelle Krankenhausplanung in NRW, die in Teilen Blaupause für das KHVVG ist. Beide Planungen zielen auf einen gleichzeitigen Vollzug für alle Krankenhäuser: in NRW für über 300 Krankenhäuser, bundesweit für über 1.200. Das mündet in Massenverfahren, die äußerst fehleranfällig sind und mit einer gravierenden Verkürzung des Rechtsschutzes kombiniert werden. Diese Kombination gefährdet die Plantreue des Vollzuges. Nicht nur der Planung, auch dem Rechtsschutz steht eine Zeitenwende bevor. Es wird in den Händen der Oberverwaltungsgerichte liegen, ob und wieviel Schutz sie Patienten und Krankenhäusern gewähren oder ob sie Entscheidungen Politik und Medien überlassen.
Wie ich zu diesem Schluss komme und was das bedeuten kann, habe ich im folgenden Beitrag
Wichtigste Erkenntnisse sind:
- Fragmentierung: Der Plan erscheint grundsätzlich plausibel. Er basiert auf einer abgewogenen, innovativen und zukunftsweisenden Abwägung der Ziele der wohnortnahen Bedarfsdeckung, Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit. Allerdings verliert er aufgrund der hohen Fragmentierung die Versorgung der Menschen aus dem Blick. Weiterbildung wird erschwert und mittelbar die Wettbewerbsstellung der Grund- und Schwerpunktversorgung belastet. Das schwächt im Einzelfall Qualität, statt sie zu stärken.
- Wohnortnähe, Wirtschaftlichkeit und planfremde Wettbewerbseingriffe mit dem Risiko der Wartelistenmedizin: Die Anwendung des Planes, legt man die Anhörungsbescheide zu Grunde, gelingt quantitativ betrachtet in der Mehrzahl der Fälle. Diese Fälle sind indes unkritisch. In problematischeren Fällen – legt man das Kriterium der plankonformen Anwendung zu Grunde – gelingt die Plananwendung überwiegend nicht. Bedarfsgerechtigkeit wird bei den Kriterien Wohnortnähe und Quantität mitunter missachtet und Wirtschaftlichkeit als Erfordernis ausgeblendet, ebenso Interdependenzen mit dem Förderrecht. Insolvenzrisiken würden bei unveränderter Planung gesteigert, nicht gemindert. Zudem sind Eingriffe in den Wettbewerb zu besorgen, die durch kein Plankriterium gerechtfertigt werden können. Qualität mag also befördert werden, die aber mitunter örtlich schwer erreichbar wäre. Es drohte Wartelistenmedizin.
- Extreme (In)transparenz: Im Hinblick auf die Gestaltung von Verfahren gibt es extreme Ausprägungen. Es gibt eine Transparenz nie gekannten Ausmaßes in der Planung, bei abstrakten Datengrundlagen und Planungsergebnissen. Konsistenz und Schlüssigkeit werden dadurch so gut wie noch nie unterstützt. Im Hinblick auf die entscheidungserheblichen, krankenhausindividuellen Daten gilt das Gegenteil. Hier herrschen Intransparenz und Verschleierung vor.
- Offenheit in der Entwicklung: Wie die Plananwendung ausfällt, ist offen. Das Stellungnahmeverfahren, die Begleitung im Landtag wie auch die Presseöffentlichkeit scheinen vielfältige Revisionen und Überlegungen ausgelöst zu haben. Das hat bereits zu Korrekturen und einer Beförderung der Abgewogenheit geführt. Soweit versagende Entscheidungen aufrechterhalten werden, zeichnet sich aber aktuell ab, dass weder die Sachverhalts- noch die Verfahrensfehler behoben werden. Wie plannah oder planfern und verfahrenskonform oder verfahrenswidrig der Vollzug tatsächlich ausfällt, ist folglich noch offen.
- Recht als Stütze oder Störfaktor der Planerfüllung: Der Rechtsschutz wird eine Zeitenwende erfahren. Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung besteht das Risiko, dass selbst gravierende Fehlentscheidungen erst einmal vollzogen werden. Nachfolgend die Rechtswidrigkeit festzustellen, kommt regelhaft zu spät. Hier steht die Rechtsprechung im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes vor der Entscheidung, ihre Funktion faktisch aufzugeben oder Raum für Recht zu schaffen. Je nach Entscheidung wird Planung damit politisiert und dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Das Gegenmodell wäre, dass Recht seiner Funktion entsprechend die Zielerfüllung des Planes befördert, ebenso die Rationalität der Abwägung. Tatsächlich würde also die Anwendung herkömmlicher Rechtsgrundsätze die Planerfüllung unterstützen. Die Wahrnehmung scheint indes eine andere zu sein, was – bedauerlicherweise – mitunter sogar die Selbstwahrnehmung der Gerichte betrifft.
- KHVVG: Diese Tendenzen lassen sich nicht uneingeschränkt auf die zukünftige Planung auf Bundesebene gemäß des KHVVG übertragen. Das Problem der Fragmentierung dürfte sich ähnlich und ggf. sogar noch schärfer auswirken. Auswahlentscheidungen aber – wegen einer abweichenden Funktion der Planungsbehörden – unproblematischer ausfallen. Als noch problematischer dürfte sich hingegen die Anwendung von Mindestkriterien im Verhältnis zwischen MD und Planungsbehörden ausgestalten. Dort wird dann auch der Rechtsschutz vor noch einschneidenderen Entscheidungen stehen, je nachdem welches Rechtsschutzmodell im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sich durchsetzen kann.
- Vorrang der Finanzierung: Unabhängig davon gilt für Landes- wie für Bundesebene: Planung alleine löst keine Probleme und sichert keine Qualität, werden nicht auch die Mängel in der Betriebskostenfinanzierung und der Fördermittelfinanzierung behoben. Eine Planung, die demgegenüber so tut, als ob wir eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten und Fördermittel hätten, schadet dann weit mehr als sie nützt.
Immerhin kann diese Reform umgesetzt werden 😉