#StopHateforProfit
Das hätte ich mir auch nicht denken können, dass ich eines Tages einmal Donald Trump für etwas dankbar sein würde. Ja, genau, dem Donald Trump, dem geistigen wie moralischen Tiefflieger aus dem Oval Office, dem präsidialsten Unfall der Demokratie. Erst sein unerträglich lautes Schweigen auf den feigen Mord an George Floyd hat der Diskussion über den strukturellen Rassismus in den USA Raum gegeben, hat den Boden für eine inhaltliche Auseinandersetzung in der Gesellschaft bereitet, hat die Spaltung innerhalb der Gesellschaft offengelegt – und hat letztlich Unternehmen reagieren lassen. Zuerst durch sehr klare, unmissverständliche Botschaften gegen jede Form von Rassismus. Seit ein paar Tagen reagieren sie aber auch durch ebenfalls klare und wirkungsvolle Aktionen. Sie machen Plattformen wie Facebook und twitter tatsächlich mitverantwortlich für die Verbreitung von Hass, für die Spaltung innerhalb der Gesellschaft, für das Aufwiegeln in den dunkelsten aller Echokammern. Für die zutiefst asoziale Seite vornehmlich sozialer Medien.
Das ist genau die Verantwortung, die Facebooks Marc Zuckerberg und Sheryl Sandberg stets weit von sich gewiesen haben. Das ist die presseähnliche Verantwortung, auf die zu übernehmen sie niemals wirklich scharf waren, weil ohne diese Verantwortung ihr Geschäftsmodell als bloße Plattform halt schon deutlich smarter ist. Oder war.
Verantwortung kann man sich entweder nehmen, oder man bekommt sie zugewiesen.
Und so sind es die Werbung buchenden Unternehmen wie Unilever, Starbucks, Adidas und neuerdings auch VW, die mit ihrem Anzeigenboykott eben Facebook genau die Verantwortung für das dunkle Treiben auf ihrer Plattform zugewiesen haben. Und diese drei Zugpferde sind nicht alleine, der Kampagne #StopHateforProfit haben sich mittlerweile mehr als 900 Unternehmen angeschlossen, die derzeit alle ihre werblichen Aktivitäten auf Facebook pausieren. Es muss offensichtlich weh tun, bevor Marc Zuckerberg reagiert.
Die Aktion von Unilever & Co. hat nun am Dienstag vergangener Woche Julia Jäkel erneut ihre Stimme erheben lassen. Ihr richtiger und aus heutiger Sicht fast visionärer Aufruf für mehr Corporate Social Responsibility in der werbungtreibenden Wirtschaft vor drei Jahren scheint erhört worden zu sein. Auf LinkedIn zeigte sich die G+J Chefin meiner Meinung nach völlig zurecht erfreut darüber, dass die von ihr angestoßene Diskussion arbeitet, und wiederholte zugleich ihre Aufforderung für ein gesamtgesellschaftlich verantwortliches Handeln in Unternehmen.
Was ich mir jetzt noch wünschen würde? Dass das Beispiel der Werbungtreibenden bei mehr Medienmachern auf die Agenda kommt – und alle das Thema dann aber auch wirklich von Ende-zu-Ende denken.
Ein Aufruf zu Verhaltensänderung ist einfach, wenn man sich selbst damit nicht meint.
Was ich damit meine? Dass die Redaktionen am Baumwall in Hamburg Facebook ganz selbstverständlich unverändert weiter nutzen. Von stern bis essen & trinken wird weiterhin fleissig Content für Facebook produziert. Oder soll ich besser sagen für den Traffic, den diese Medienmarken via Facebook generieren und den sie anschließend im selben Werbemarkt monetarisieren, der doch eigentlich Facebook zur Verantwortung ziehen soll, und der dies mittlerweile auch tut?
Jetzt kann man möglicherweise zurecht einwenden, dass man den Hatern bei Facebook nicht das Feld überlassen darf. Dass es gerade die Verantwortung gesellschaftlich relevanter Medien ist, präsent zu sein, den Diskurs zu führen, Hass und Hetze Fakten entgegenzusetzen. Das trifft dann also mehr auf Medienmarken wie den stern zu, als auf Titel wie essen & trinken. Was wäre denn jetzt nun, wenn Redaktionen (von München über Hamburg bis Berlin) zumindest zeitlich befristet aufhören würden, Traffic via Facebook zu generieren. Wenn sie in der Zeit aber dennoch weiter aktiv wären auf Facebook, aber dort mit genau derselben Corporate Social Responsibility von der Julia Jäkel spricht. Dann würde auch aus ihrer klaren und unmissverständlichem Botschaft ebenfalls eine klare und wirkungsvolle Aktion.