Die Opferschutzorganisation Weißer Ring fordert Konsequenzen aus dem Missbrauchsprozess im französischen Avignon. "Gisèle Pelicot ist nicht nur eine bewundernswert tapfere Frau – ihr ist ohne jede Einschränkung zuzustimmen, wenn sie fordert: 'Die Scham muss die Seite wechseln'", sagte die Bundesgeschäftsführerin des Weißen Rings, Bianca Biwer.

Niemand müsse sich schämen, Opfer einer Straftat geworden zu sein. Für Taten seien Täter verantwortlich, niemals die Opfer, sagte Biwer weiter. "Ich wünsche mir sehr, dass diese Erkenntnis endlich auch in Deutschland die letzten Zweifler erreicht, die immer noch meinen, die Kleidung eines Vergewaltigungsopfers oder der Trennungswunsch eines Femizidopfers hätten etwas mit dem Verbrechen zu tun."

Vielleicht trage das furchtlose Auftreten Pelicots in der Öffentlichkeit zu dieser Erkenntnis bei, sagte Biwer. Doch sie forderte auch: "Man sollte jedem Opfer eines Verbrechens, das seine Privatsphäre schützen möchte und auf Anonymität besteht, dies auch zugestehen."

Urteil wird heute erwartet

In dem Prozess wird heute das Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert für Dominique Pelicot 20 Jahre Gefängnis und für die übrigen Angeklagten zwischen 4 und 18 Jahre Haft.

Der 72 Jahre alte Pelicot hatte im Prozess gestanden, seine damalige Partnerin über fast zehn Jahre hinweg immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und Fremden zur Vergewaltigung angeboten zu haben. Gisèle Pelicot geht davon aus, etwa 200 Mal vergewaltigt worden zu sein.

Neben Dominique Pelicot stehen in Avignon 50 Männer vor Gericht. Mehr als die Hälfte der Beschuldigten verlangt einen Freispruch.