Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat seinen Rücktritt als Partei- und Regierungschef verkündet. "Wir sind an einem kritischen Punkt für die Welt", sagte Trudeau vor Pressevertretern in Ottawa. Er werde daher als Chef der Liberalen Partei und Premierminister zurücktreten. 

Sein Amt als Premier wolle er jedoch vorerst weiter ausüben, bis ein Nachfolger an der Spitze der Partei gefunden sei, sagte Trudeau weiter. Die Bevölkerung verdiene "eine echte Option bei der nächsten Wahl". Ihm sei bewusst geworden, dass er nicht die beste Option sein könne, wenn er dabei "Kämpfe" innerhalb der Partei austragen müsse.

"Wie Sie alle wissen, bin ich ein Kämpfer", sagte Trudeau. Fakt sei aber auch, dass das Parlament die letzten paar Monate unter seiner Minderheitsregierung gelähmt gewesen sei. Er habe Generalgouverneurin Mary Simon daher darüber informiert, dass es eine neue Sitzungsperiode des Parlaments brauche. Diese habe seinem Antrag stattgegeben und die weiteren Sitzungen des Parlaments würden nun bis zum 24. März vertagt.

Sinkende Popularität setzte Trudeau unter Druck

Der 53-jährige Trudeau reagierte damit auf den in letzter Zeit zunehmenden politischen Druck auf ihn und seine Partei. Über seinen Rücktritt war bereits spekuliert worden. 

Die Popularität des langjährigen Premiers hatte in den vergangenen Monaten deutlich nachgelassen: In aktuellen Umfragen liegt er inzwischen bis zu 20 Prozentpunkte hinter seinem konservativen Gegner Pierre Poilievre. Vor allem aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten und der Inflation wurde der langjährige Premier unbeliebter und zur Zielscheibe der Oppositionsparteien.

Zudem trat im Dezember überraschend Trudeaus bisherige Stellvertreterin und Finanzministerin Chrystia Freeland zurück, woraufhin Trudeau sein Kabinett umfangreich umbaute. Er tauschte insgesamt acht von 35 Ministerinnen und Ministern aus und betraute vier weitere mit anderen Ressorts. Trotzdem blieb seine Regierung instabil und überstand nur knapp mehrere Misstrauensanträge.

Die konservative kanadische Opposition regiert mit Freude auf die Rücktrittsankündigung Trudeaus. Jene Kanadier, die verzweifelt auf ein Ende dieses dunklen Kapitels in der Geschichte des Landes gewartet hätten, dürften nun, da Trudeau endlich gehe, erleichtert sein, sagte der konservative Parteichef Pierre Poilievre in einer Videobotschaft auf der Plattform X.

Auch gegen Trudeaus Liberale Partei teilte Poilievre aus. Jeder, der sich in der Partei Hoffnungen auf die Nachfolge Trudeaus mache, habe dazu beigetragen, Kanada in den vergangenen Jahren zugrunde zu richten.

Trump droht mit höheren Zöllen auf kanadische Waren

Der Rücktritt kommt für Kanada in einer heiklen Zeit: Am 20. Januar soll der designierte US-Präsident Donald Trump im Amt bestätigt werden. Zuletzt hatte dieser vermehrt mit höheren Zöllen auf kanadische Waren gedroht. Dazu besuchte Trudeau den Republikaner Ende November auf seinem Privatsitz Mar-a-Lago, eine Annäherung konnte er dabei aber offenbar nicht erzielen. Trump bezeichnete den Kanadier seitdem vermehrt als "Gouverneur" von Kanada und sagte, das Nachbarland solle 51. Bundesstaat der USA werden, wenn es die erhöhten Zölle nicht verkraften könne.

Trudeau wurde 2015 erstmals Regierungschef von Kanada. 2019 und 2021 gewann er erneut Wahlen und hielt sich so im Amt. Als Premierminister unterzeichnete er unter anderem neue Handelsabkommen mit den USA und führte eine CO₂-Steuer ein. Zudem wurde unter ihm Cannabis legalisiert, eine öffentliche Untersuchung zu vermissten und ermordeten indigenen Frauen durchgeführt und ein Gesetz zur Legalisierung von ärztlicher Beihilfe zum Suizid verabschiedet.