Der blaue Elefant tritt mit einer Dreistigkeit in die Öffentlichkeit. Es ist der 5. Januar 1975, als im Vorspann der Sendung mit der Maus nicht der namensgebende Star der Show erscheint, sondern ein kleines Rüsseltier. Es hält ein Schild hoch mit der Aufschrift "Die Sendung mit dem Elefanten". Die Maus, für eine Millisekunde mal nicht Herrin der Lage, stürmt ins Bild und entreißt dem Elefanten das Schild. Das hier ist immer noch die Sendung mit der Maus, eh klar. Doch von diesem Moment an hat sie nach gut drei Jahren als alleinige Sendungsheldin einen Co-Star.
In den darauffolgenden 50 Jahren haben die Zeichner und Trickfilmer der WDR-Sendung 359 Spots mit dem Elefanten kreiert. Das sind die kurzen Filme, die zwischen den Sachgeschichten laufen. Viele der Clips beweisen, dass die freche Aktion vom ersten Aufeinandertreffen mit der Maus eigentlich gar nicht zu seinem Charakter passt. Tatsächlich ist der Elefant nämlich ein sehr soziales Wesen. Wo die Maus wettbewerbsorientiert daherkommt und auch mal zu Tricks greift, um in Wettbewerben zu gewinnen, gibt sich der kleine Elefant genügsamer.
Die Maus findet seit bald 54 Jahren für fast alles eine
Lösung. Ist ihr ein Berg zu steil, stößt sie ihn um, damit sie ihn stattdessen
herunterrutschen kann. Scheitert sie beim Golfen am letzten Loch, verrückt sie es, so wie es ihr passt. Die Maus erinnere sie an ein Grundschulkind, das
nachdenkt und dabei zu Lösungen kommt, sagt die WDR-Redakteurin Heike Sistig. Noch
mehr Ähnlichkeiten hat die Maus allerdings mit den Titelhelden von Arztserien aus
dem Vorabendprogramm: Wie der smarte und sympathische Herr Doktor weiß auch
sie immer, was zu tun ist. Und ist dabei eine ganz schöne Streberin.
Der Elefant ist das Spirit-Animal aller, die manchmal etwas länger brauchen
Der blaue Elefant hingegen verhält sich eher so, wie viele wirklich sind: dem Leben ganz grundsätzlich zugeneigt, aber etwas tollpatschig unterwegs. Mal stürzt er wenig galant vom Skateboard, mal versagt er beim Weitsprung, mal fällt ihm sein Ball in ein schwarzes Loch (den dann natürlich die Maus herausfischt). WDR-Redakteurin Sistig sagt, der Elefant entspreche vom Wesen her einem Kitakind: "Ihm passieren die Dinge." Doch nicht nur die Kleinsten können sich mit dem freundlichen Tier identifizieren. Der Elefant ist das Spirit-Animal aller, die gedanklich manchmal etwas länger brauchen als ihre Mitmenschen und fehlendes Geschick durch freundschaftliche Gesten zu kompensieren versuchen.
Das wiederum unterscheidet den Elefanten auf angenehme Weise vom zweiten Sidekick der Maus, der 1987 erschaffenen Ente. Sie ist zwar fröhlich und frech, aber auch laut, nervös und, wie weniger zugeneigte Zuschauer finden, penetrant. Dem Elefanten hingegen seien schon früh die Sympathien der Kinder und älteren Maus-Fans zugeflogen, sagte der inzwischen verstorbene Zeichner der Sendung, Friedrich Streich, im Jahr 2007 in einem Interview: "Alle Journalistinnen haben mir gesagt, sie hätten den Elefanten immer mehr geliebt. Er ist wohl ein Symbol fürs Liebhaben."
Und er beweist, dass gute Freunde auch auf ihre Mitmenschen, Pardon, Mitmäuse einen positiven Einfluss haben können. In einem Spot wird der Elefant immer unglücklicher, weil die Maus jeden Tag ungezählte Fanpost aus ihrem Briefkasten fischt, während ihm nie jemand schreibt. Nach dem zweiten Tag hat die Maus eine Idee: Sie schreibt dem Elefanten selbst einen Brief, den dieser kurz darauf findet und Luftsprünge vor Freude macht. Eine kurze Episode, die die Freundschaft der beiden wunderbar illustriert – und trotzdem ganz schön unrealistisch ist: In welcher Welt, bitte, bekommt der Elefant keine Mengen an Fanpost?