Passend zum GDL-Streik zum Ende dieser Woche ist in der aktuellen Zeitschrift für Rechtspolitik ein Pro und Contra zur Frage „Streikrecht bei kritischen Infrastrukturen eingrenzen?“ erschienen (ZRP 2024, 61, Heft 2).
Mein Kollege Prof. Dr. Martin Franzen von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat das Pro übernommen, ich – ein Bahnfahrer ohne Auto – das Contra.
In aller Kürze: Die Forderung nach einer Begrenzung des Streikrechts durch den Gesetzgeber, die so alt ist wie der Streik selbst, überzeugt mich wegen dessen überragenden Bedeutung für eine funktionierende Tarifautonomie nicht. Wer Ja zum Tarifvertrag sagt, muss auch Ja zum Streik sagen. In aller Kürze:
Die freiwillige Einigung auf eine Schlichtung kann sinnvoll sein, um festgefahrene Verhandlungen aufzubrechen und den Tarifkonflikt zu versachlichen, ein Schlichtungszwang mit nicht schlichtungsbereiten Verhandlungspartnern ist es nicht. Zudem senkt er das Mobilisierungspotential für einen späteren Streik und schwächt die Kampfkraft der Gewerkschaft erheblich.
Ähnliches gilt für Ankündigungsfristen und Abkühlungsphasen. Eine Ankündigungsfrist beeinflusst die Streiktaktik und kann die Wirkung des Streiks stark beeinträchtigen. Gegen Abkühlungsphasen spricht zudem, dass ein Streik außerhalb eines dynamischen Verhandlungsprozesses nicht plötzlich „angeknipst“ werden kann.
Diese Überlegungen gelten auch für Streiks in „kritischen Infrastrukturen“. Selbst wenn es gelingt, diesen schillernden Begriff zu konkretisieren, ist es jedenfalls gerade die Idee des Streiks, dass er wirtschaftlich (sehr) wehtun kann und seine Folgen auch Dritte treffen können. Das ist der Preis, den wir für eine funktionierende Tarifautonomie zu zahlen haben.
Arbeitnehmer:innen, die in solchen „Strukturen“ tätig sind, haben auch nicht weniger Rechte als andere. Im Übrigen können im Kernbereich staatlichen Handelns Beamt:innen eingesetzt werden, die nicht streiken dürfen. Und geht es um eine Mindestversorgung zur Befriedigung von elementaren persönlichen und staatlichen Bedürfnissen, muss die Gewerkschaft Notdienste zulassen.
Wer sich weniger Streiks der GDL wünscht, der zu Unrecht allein die Verantwortung für den bisherigen Verlaufs des Tarifkonflikts zugewiesen wird, muss ganz woanders ansetzen: am „Brandbeschleuniger“ Tarifeinheitsgesetz. Wer eine Gewerkschaft dazu zwingt, Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb zu sein, damit die eigenen Tarifverträge gelten, darf sich nicht darüber wundern, wenn diese Gewerkschaft (auch) um Mitglieder kämpft.
Wie hat gerade Dr. Marcel Gröls auf LinkedIn formuliert: „Die Parteien werden sich letztlich einigen, wie sie es immer getan haben. Bis es so weit ist, freue ich mich über etwas mehr Gelassenheit und verbale Abrüstung in der Berichterstattung.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.