Brainstorming: Fluch oder Segen?
|Wie sie die bekannteste Kreativmethode am besten nutzen - und wie nicht!|
Brainstorming ist das bekannteste Instrument zur Generierung von Ideen - und für viele leider auch das Einzige. Fast jeder hat schon mindestens eine Brainstorming Session hinter sich, bei der „auf Knopfdruck“ in einer Gruppe Ideen zu einem Thema gefunden werden sollen - und die Teilnehmer am Ende mit dem Gefühl zurückbleiben, ihre Zeit verschwendet zu haben. Dennoch wird die Methode immer wieder verwendet. Ist Brainstorming nun empfehlenswert oder nicht? Und wie kommen dabei die besten Ideen zustande?
Klassisches Brainstorming und dessen Grenzen
Das klassische Brainstorming (man stelle sich dazu das Bild vor, mit der vereinten Kraft der Gehirne auf ein Problem zu stürmen) wurde im Jahr 1939 von dem New Yorker Werbeguru Alex Osborn erfunden. Damit sich das volle kreative Potenzial der Gruppe entfaltet und die Teilnehmer sich nicht gegenseitig blockieren, hat er vier Grundregeln definiert:
- Keine Kritik an anderen Beiträgen
- Quantität geht vor Qualität – je mehr Ideen desto besser
- Je ausgefallener der Einfall, desto besser
- Andere Ideen möglichst einbeziehen und auf den Beiträgen anderer aufbauen.
Laut Osborn sollte eine solche Gruppe, die diese vier Regeln beherzigt, in der Lage sein, doppelt soviele Ideen zu produzieren wie eine Einzelperson.
"Oftmals hemmen die Teilnehmer sich gegenseitig"
Doch wie so oft unterscheidet sich die Praxis von der Theorie. In den letzten Jahrzehnten wurde die Methode Brainstorming in verschiedenen wissenschaftlichen Studien getestet. Jedes Mal unterlag die brainstormende Gruppe derselben Anzahl an Einzelpersonen, wenn es um die Anzahl der produzierten Ideen ging. Dies liegt insbesondere an Reibungsverlusten, die in der Gruppe entstehen. Teilnehmer müssen warten, bis andere ausgesprochen haben und sind mehr damit beschäftigt, sich ihren Beitrag zu merken, als anderen zuzuhören und auf ihren Ideen aufzubauen. Besonders im beruflichen Kontext führen Hierarchie und Konkurrenzdenken in der Gruppe bei manchen Teilnehmern zu Hemmungen. Außerdem zeigen auch viele der Studien (und Erfahrungen), dass Brainstomings als „Ideationprozess“ oft nicht zum gewünschten Ergebnis führen, da die Ideen nicht besonders innovativ oder im Unternehmen nicht umsetzbar sind. Dies führt dann dazu, dass Unternehmen zwar viele Ideen aber wenige Innovationen haben.
Erfolgreiches Brainstorming
Trotz all der negativen Erfahrungen und Erkenntnisse ist die Folgerung, dass Brainstorming schlicht eine schlechte Methodik ist, dennoch falsch. Die Methodik kann auch sinnvoll eingesetzt werden, wenn dabei einige zusätzliche Regeln beachtet werden:
1. Zielsetzung: Grundsätzlich sollte das Brainstoming eine möglichst genaue Aufgabe und Zielsetzung haben. „Neue Marketing-Ideen“ ist für ein Brainstorming eher ungeeignet, „Wie können wir Virtual-Reality nutzen, um unseren Kunden im Geschäft tolle Erlebnisse zu ermöglichen“ schon eher. Je genauer, um so besser!
2. Inspiration: Keine neue Idee ohne neue Inspiration! Komplett freies Denken überfordert Teilnehmer insbesondere bei offenen Fragestellungen zu sehr. Besser ist es, wenn hier bereits zu verschiedenen „Suchfeldern“ der Fragestellung Inspirationen wie z.B. Moodboards, Produkte oder Wordclouds vorbereitet sind, auf deren Basis die Teilnehmer dann kreativ werden können.
3. Einer und Alle: Die Stärken des isolierten Denkens und Gruppendenkens lassen sich kombinieren, indem die Gruppenmitglieder zuerst alleine über das zu lösende Problem nachdenken. Wenn dann die Ideen des Einzelnen erschöpft sind, kommen die Teilnehmer zusammen, um Synergieeffekte aus der Gruppenarbeit zu nutzen, indem Ergebnisse verglichen, Ideen miteinander kombiniert und diskutiert werden. Diese Idee hat auch Osborn in einem späteren Werk hinzugefügt, sie ist jedoch nicht in das allgemeine Bild von Brainstorming übergegangen.
4. Moderation:Wichtig ist zudem die Rolle eines Moderators, der in diesem Zusammenhang „Facilitator“ genannt wird. Seine Aufgabe ist es, die Gruppe anzuleiten und besonders die stilleren Mitglieder ins Geschehen einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, Ideen beizutragen. In Untersuchungen mit geübten Facilitatoren konnte die brainstormende Gruppe in Experimenten genauso viele Ideen hervorbringen wie eine Einzelperson. Während die Ideen des Einzelnen aber im Laufe des Experiments nachließen, war der Output der Gruppe dank der Hilfe des Facilitators stabil und hätte den der Einzelpersonen bei einer längeren Dauer übertroffen.
5. Technologie: Auch die Einbindung von Technologie kann sehr hilfreich sein. Bei elektronischem Brainstorming, welches mit Hilfe von Meetingsystemen online durchgeführt wird, werden hemmende Einflüsse der Gruppe durch Anonymisierung und Parallelisierung der Eingabe abgeschwächt. So verstärken sich die positiven Effekte des elektronischen Brainstormings sogar mit zunehmender Gruppengröße.
6. Teilnehmer: Es erweist sich oft als hilfreich, sogenannte „Outsider“ oder „Störer“ in das Brainstorming mit einzubeziehen. Während Mitarbeiter innerhalb einer Organisation meist ähnliche Denkstrukturen entwickeln, können Outsider durch neue Ansätze diese alten Denkstrukturen aufbrechen. Dies können z.B. Berater, Agenturmitarbeiter oder auch Praktikanten sein, welche noch nicht die „Konzerndenke“ haben.
Brainstorming ≠ Brainstorming
Brainstorming ist tatsächlich alles andere als ein Allheilmittel. Die schlechten Erfahrungen damit kommen aber zumeist daher, dass es als ein solches gesehen wird und Teilnehmer bzw. Auftraggeber erwarten, dass ohne weitere Vorbereitung oder Strukturierung plötzlich innovative Ideen gefunden werden. Dies kann aber nicht funktionieren. Die o.g. Punkte zeigen, dass ein produktives Brainstming den größtmöglichen Effekt hat, wenn es lediglich eine Methodik innerhalb eines strukturierten Ideationsprozesses ist. Dazu gehören dann sowohl die Vorbereitung mit Research nach Trends und Inspirationen als auch eine gute Zusammenstellung der Gruppe und Vorüberlegungen zu Aufgabenstellungen und Zielen. Dies macht zwar zunächst deutlich mehr Arbeit, ist aber in der Folge auch deutlich effektiver.
Wenn Brainstoming jedoch unbedacht angegangen wird, ist es tatsächlich eher Fluch als Segen. Dann verschwendet es die Zeit der Mitarbeiter und demotiviert diese, während die Führungskräfte im Irrglauben sind, dass neue Ideen produziert wurden.
Wenn wirklich innovative Ideen produziert werden sollen, ist es sinnvoll, dies als echtes „Projekt“ zu betrachten und eine dafür geeignete Methodik wie z.B. den 5C-Prozess zu verwenden bzw. diesen von Experten durchführen zu lassen. Mit den o.g. Tipps lässt sich aber auch das nächste „Brainstorming“ sicherlich bereits effektiver gestalten!
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Quellen:
Venture Idea: 5C-Prozess. (Vom Innovationsbedarf zur Innovation)
Bas Kast Und plötzlich macht es KLICK! Das Handwerk der Kreativität oder wie die guten Ideen in den Kopf kommen. S. Fischer, Frankfurt 2015
Stroebe et al. (2010) Beyond productivity loss in brainstorming groups: The evolution of a question
Advances in Experimental Social Psychology. VOL 43. p. 157-203
Goldenberg and Wiley, J (2011) "Quality, Conformity, and Conflict: Questioning the Assumptions of Osborn’s Brainstorming Technique," The Journal of Problem Solving: Vol. 3: Iss. 2, Article 5.
Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit David Dorn erstellt.
Lead Product Manager at Kalibrate
7 JahreSehr interessanter Artikel. Good work!
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8 JahreTop Artikel!
Psychopraticienne( Analyste transactionnelle certifiée), kinésitherapeute
8 Jahrespannend zu lesen, mir fällt dazu noch Maja Storch ein ,Ideenkorb