Effizient & Innovativ mit 'prozessualer Ambidexterität'
Dies ist ein adaptierter Auszug aus dem Buch "Das Comeback der Konzerne" von Lucas Sauberschwarz und Lysander Weiß
Effiziente Innovationen bieten Großunternehmen die Möglichkeit, den Kampf gegen disruptive Start-ups nachhaltig zu gewinnen. Denn sie erlauben es den Unternehmen, in neuen Märkten bzw. gegenüber neuen Bedrohungen in bestehenden Märkten die Stärken aus dem Kerngeschäft zu nutzen (Traktion) und dabei gleichzeitig den notwendigen Disruptionsgrad (Kundenfit) sicherzustellen.
Die effiziente Innovation ist also für sämtliche Unternehmen relevant, die am Innovationswettkampf teilnehmen wollen oder müssen, gleichzeitig aber bereits über ein etabliertes, erfolgreiches Kerngeschäft verfügen. Unternehmen wie General Motors, Nokia, Blackberry, Kodak oder Blockbuster könnten die Notwendigkeit dafür sicherlich bezeugen. Diese Unternehmen zeigen, dass Disruption inzwischen kontinuierlich in allen Branchen angekommen ist und es entsprechend darauf ankommt, das Kerngeschäft erfolgreich zu halten, während neue Geschäftsmöglichkeiten entwickelt werden.
Doch die Herausforderung liegt im „Wie“: Um in diesem Spannungsfeld zwischen Kerngeschäft und disruptiver Innovation zu arbeiten und effiziente Innovationen systematisch zu entwickeln, reichen aktuelle Innovationsmethoden nicht aus. Ein generelles Umdenken ist vonnöten, um das Kerngeschäft als Vorteil gegenüber den Start-ups zu nutzen (statt dieses als Hindernis zu ignorieren) und somit den Kampf gegen disruptive Start-ups nachhaltig zu gewinnen.
Auch die Managementtheorie hat sich bereits ausgiebig mit der Balance zwischen Kerngeschäft und disruptiver Innovation beschäftigt. Hier wird das Phänomen meist unter den Stichworten „Dualismus“ oder „Ambidexterität“ (bzw. „Ambidextrie“) behandelt.
Per Definition geht es dabei darum, „heute effizient zu funktionieren und gleichzeitig erfolgreich für die Zukunft zu innovieren“.
Erfolgreiche Unternehmen sind dabei nicht nur beweglich, innovativ und proaktiv, sondern können auch die Stärken ihrer proprietären Ressourcen nutzen, neue Geschäftsmodelle schnell ausrollen und Kosten in bestehenden Prozessen minimieren. Sie besitzen damit neben der Agilität (bzw. Exploration) für Innovationen auch die Fähigkeit der Angleichung (bzw. Exploitation), also den Sinn dafür, wie Aktivitäten koordiniert werden müssen, um einen positiven Wertbeitrag im Kerngeschäft zu erzielen.
Für ein langfristig positives Wachstum müssen diese beiden Faktoren ins Gleichgewicht gebracht werden. Dies entspricht dann im Erfolgsfall einer ambidexteren Organisation.
Wenn dies gelingt, kann der „Tanker“ schneller sein als das „Schnellboot“. Wie es auch M.H. Meyer in seinem Artikel „Disruptive Innovation – but is it?“ beschreibt, gilt es für Großunternehmen, die Stärken aus dem Kerngeschäft auszunutzen und zu erweitern und mit kundenzentrierten Innovationen auf neue Verwendungszwecke, Märkte und Zielgruppen zu übertragen. Auf diese Weise können etablierte Unternehmen das Zusammenspiel zwischen disruptiver Innovation und dem Vorsprung vor neuen Konkurrenten auf Basis ihrer existierenden Ressourcen, Kunden und Fähigkeiten bewältigen.
Doch auch mit der Kenntnis dieser Theorie zeigt ein Blick in die Innovationslandschaft die große Herausforderung, diese Balance aus effizientem Kerngeschäft und disruptiver Innovation dauerhaft und systematisch zu verwirklichen.
Denn: Wenn Unternehmen sich zu sehr auf die Angleichung bzw. das Kerngeschäft konzentrieren, laufen sie Gefahr, Innovationen zu verpassen und disruptiert zu werden (Erfolgsfalle). Konzentrieren sie sich zu sehr auf disruptive Innovationen, werden die Vorteile des Kerngeschäfts verschenkt und unter Umständen sogar in Gefahr gebracht (Failure-Falle).
Also, was tun? In aktuellen Lösungsansätzen wird entweder in separaten Einheiten oder selbstverantwortlich von Mitarbeitern entweder für das Kerngeschäft oder für explorative Innovationen gearbeitet.
Im ersten Fall, der strukturellen Ambidexterität, werden Innovationseinheiten organisatorisch „separiert“. Die Entscheidung geht hier hierarchisch vom Topmanagement aus, was so versucht, die Balance zwischen Agilität (Erforschung neuer Opportunitäten) und Angleichung (Ausschöpfung bestehender Tätigkeiten) zu finden.
Bei der zweiten Variante, der kontextuellen Ambidexterität, wird dieses Prinzip auf die einzelnen Mitarbeiter umgelegt. Alle im Unternehmen sind aufgefordert, ihre Zeit selbstständig zwischen Tätigkeiten für die Agilität bzw. Innovationen und der Angleichung bzw. Verbesserung des Kerngeschäfts zu verwenden. Die Entscheidungen für die Balance werden in diesem Fall also immer nach Bedarf an der Basis getroffen, während das Topmanagement nur die Rahmenbedingungen dazu schafft.
Alle dieser Ansätze haben aber das gleiche Problem: Sie sehen die Balance als ein „Entweder – Oder“. Entweder werden disruptive Innovationen entwickelt, oder es wird das Kerngeschäft verwaltet und verbessert (auch wenn dies möglichst gleichzeitig passiert), ohne dass beides klar zusammenhängt. Nach dem Konzept der effizienten Innovation folgend muss aber beides im Innovationsprozess kombiniert werden, um es zu einer Lösung zu verbinden und damit wirklich neue Wettbewerbsvorteile zu erschaffen.
Für die systematische Entwicklung solch einer effizienter Innovation braucht es also eine prozessuale Ambidexterität. In dieser kann das Topmanagement die Marschrichtung vorgeben, und Mitarbeiter können anschließend in einem definierten Prozess effiziente Innovationen entwickeln, die sowohl die Stärken und Restriktionen des Kerngeschäfts als auch die Anforderungen des (zukünftigen) Marktes zur Sicherstellung der Kundenzentrierung berücksichtigen. Wie dies gelingen kann, zeigt der 5C-Prozess für effiziente Innovationen im nächsten Artikel.
Artikel 4 aus der Artikelserie zum Buch "Das Comeback der Konzerne" von Lucas Sauberschwarz und Lysander Weiß. Weitere Info's auf www.das-comeback-der-Konzerne.de.
Building dynamic business and inherently agile operations.
5 JahreDie Herausforderung und wie es nicht geht ist schön beschrieben. Nur: Wie geht's denn konkret?