Corona Pandemie als Geschäftsmodell – digitaler Wertetreiber oder mittelfristig eierlegende Wollmilchsau?
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Corona Pandemie als Geschäftsmodell – digitaler Wertetreiber oder mittelfristig eierlegende Wollmilchsau?

Die wirtschaftliche Krise, hervorgerufen durch COVID-19 stellt Unternehmenswerte und -visionen auf den Prüfstand. In diesem Kontext untersuchen diverse Studien und Umfragen den Einfluss auf die Unternehmensstrategie. Die Future of Jobs Survey 2020 des World Economic Forums zeigt, wie hoch der Anteil an Unternehmen weltweit ist, gezielte Strategien als Folge der Pandemie zu adaptieren. 84% der Unternehmen adaptieren die Beschleunigung von digitalisierten Arbeitsprozessen, 83% stellen erweiterte Möglichkeiten für flexibles Arbeiten zur Verfügung und 50% versuchen die Automatisierung von Aufgaben zu beschleunigen.[1] Der Dell Technologies Digital Transformation Index unterstreicht in diesem Kontext den starken Einfluss mit der Aussage von 79% (von insgesamt 4.300 internationalen Geschäftsführer), ihr Geschäftsmodell aufgrund der Pandemie neu zu erfinden. [2]

Auf welches kurz-, mittel- oder langfristige Ziel arbeiten die Unternehmen hin? Inwiefern müssen aufgrund von mehr oder weniger sinnvollem Aktionismus, sowie starkem Einfluss der Pandemie auf die Marktwirtschaft eine Vision, Mission oder Leitbilder im Kontext der Unternehmensstrategie erneuert werden? Im Folgenden ein kurzes Recap, wie sich diese drei Begrifflichkeiten im strategischen Management definieren:


Vision: „Was werden wir in fünf (bis zehn) Jahren Großes erreicht haben?

Die Vision einer Organisation entspricht in der Ausformulierung einer mittel- bzw. langfristigen Zukunftsvorstellung, welche primär Orientierung verschafft. Darüber hinaus sorgt eine Vision für Kontinuität und Stabilität. Eine Unternehmensvision muss in jeglicher Hinsicht in der unternehmerischen Handlung berücksichtigt werden, da sie die langfristige Planung, sowie eine nachhaltige (Weiter-) Entwicklung des Unternehmens sicherstellt.[3]


Mission (Statement): „Was wollen wir für unsere Kunden leisten?“

Mit enger Verbindung zur Kernkompetenz ist die Mission/das Mission Statement bzw. der Kernauftrag Ausdruck der Kernidentität einer Organisation. Durch die Formulierung eines oder mehrerer Oberziele, bezugnehmend zu den Stakeholdern, kann die Mission die Antwort auf Fragen wie „Welche Kundenbedürfnisse wollen wir erfüllen?“, „Welchen Nutzen bieten wir unserem Kunde?“ oder „Wie können wir unseren Kunden wettbewerbsfähiger machen?“. Die Essenz liegt hierbei weniger in der Kunst des Sprachgebrauchs, sondern im prägnanten Ausdruck und dem Aufzeigen, in welchem konkreten Szenario die Organisation dem Kunden einen spezifischen Mehrwert bieten möchte.[4]


Leitbild: „Wer sind wir? (Selbstverständnis), Was ist uns wichtig? (Werte), Wie verhalten wir uns mit Blick auf unsere Stakeholder? (Verhaltensnormen), Was sind unsere Oberziele? (Mission Statement)[5]

Das Leitbild wird aus der Vision und der Mission abgeleitet und enthält das Selbstverständnis und die daraus abgeleiteten für alle verbindlichen Grundprinzipien auf der Verhaltensebene. Ähnlich wie die Vision schafft das Leitbild eine Orientierung in Bezug zu Handlungs-, Struktur- und Verhaltensprinzipien für ein organisationales Miteinander im Hinblick auf Märkte, die Stakeholder-Beziehung, aber auch auf Führung und Qualität. Durch die Definition von Leitbilder und kollektiven Identitäten, Werten und Zielen, kann das Leitbild mit Fokus auf die Praxis auch als Soll-Zustand bzw. Wunschdenken der Unternehmenskultur verstanden werden.[6]


Unternehmerische Verantwortung: Vision, Mission, Leitbild vs. Lockdown

Was bedeutet dieses kurze theoretische Recap nun für das strategische Management der Unternehmen während der Pandemie?

Aktueller Interims-CEO der HUGO BOSS AG Yves Müller zieht in einer Interviewserie der Zeitung Absatzwirtschaft im August 2020 aus dieser Situation relevante Erkenntnisse. Unternehmen müssen auch in Krisensituationen wie der Corona Pandemie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und Haltung bewahren. Jegliche Zögerung, welche die Gesundheit der Kunden, Partner und Bürger anzweifelt, schadet nicht nur Reputation und Markenkern, sondern kostet unter Umständen Menschenleben. Speziell in dieser Situation ist es wichtig, das langfristige Ziel im Auge zu behalten. Dementsprechend wurden Stores bereits im März 2020 vorübergehend geschlossen und interne Expertise und Ressourcen genutzt, um gemeinnützig Mund-Nasenschutzmasken, sowie Schutzanzüge zu produzieren und zu spenden.[7] Entsprechend des Leitbildes agierte auch der weltweite Branchenführer der Luxusgüterindustrie LVMH, indem Desinfektionsmittel anstatt Parfum und darüber hinaus auch weitere Mund-Nasenschutzmasken für Frankreich produziert wurden. [8] Europas führender Premium-Beauty Händler vollzieht in diesem Zuge einen strategischen Schritt vom Omni-Channel-Händler zur digitalen Beauty-Plattform. Unter Berücksichtigung der Zukunfts-Strategie #ForwardBeauty.DigitalFirst nimmt Douglas entsprechend der Vision, Mission und Leitbilder dessen soziale, ökologische und unternehmerische Verantwortung wahr.[9] Die verkaufsstarke Vorweihnachtszeit wird durch den Lockdown der Bundesregierung allerdings für viele Unternehmen zur strategischen Prämisse. In diesem Kontext sollten stets langfristige Auswirkungen der Marken- und Marktpositionierung berücksichtigt werden. Hintergrund: Während des harten Lockdowns im Dezember 2020 müssen unter anderem Parfümerien geschlossen werden.[10]Mittels Gesetzeslücke plante Douglas vereinzelte Stores als Drogerie zu positionieren, um die Schließung durch die von der Bundesregierung beschlossenen Auflagen zu umgehen (Einen Tag später kommunizierte Douglas allerdings alle Parfümerien, wie veranlasst, geschlossen zu halten.).[11]


Der Kunde und auch der Mitarbeiter vergessen nicht

Es wird ersichtlich, dass Vision, Mission und Leitbild relevante Instrumente für Perspektive, Stabilität und Orientierung stellen, wesentliche Prinzipien vermitteln sollen und stark an den Kernqualifikationen ausgerichtet werden. Die Not der Bevölkerung bzw. die Gunst der Stunde kann dazu dienen, kurzfristig durch die Pandemie Umsatz zu generieren, greift allerdings tief in die eigens gesetzten Grundsätze ein. Entsprechend definierte Strategien sind ein ineinandergreifendes Konstrukt, bei welchem nicht nur ökonomische Zielvorhaben, sondern auch umweltspezifische und gesellschaftliche Verantwortung Hand in Hand gehen. In Zeiten wie diesen ist es angebracht, strategische Werte als Fundament anzusehen, sowie die Digitalisierung und Innovationsgeist als Treiber zu nutzen. Strukturen und Prozessabläufe müssen überdacht werden, nicht aber Werte.[12]

Bezugnehmend auf den angesprochenen Aktionismus und resultierendem Motto „Ich erfinde mich neu – Hauptsache: digital.“ stellt sich die Frage, inwiefern Strategie und die entsprechende darauffolgende Organisationsgestaltung (in der digitalen Transformation) aufeinander abgestimmt werden müssen?




[1] World Economic Forum (2020): The Future of Jobs Report 2020

[2] Dell Technologies Digital Transformation Index

[3] Ant, Marc (2018): Effizientes strategisches Management, Wiesbaden, Springer Gabler

[4] und [5] Ebert, Helmut (2019): Visionen, Leitbilder und Missionen. Statements als Instrumente der Führungskommunikation, Wiesbaden, Springer Fachmedien

[6] siehe [3], [4]

[7] Absatzwirtschaft (2020): Hugo-Boss Interimchef: Drei Erkenntnisse aus der Corona Krise; HUGO BOSS AG (2020a): Hugo Boss beschließt umfangreiche Maßnahmen, Metzingen, 18.03.2020; HUGO BOSS AG (2020b): Hugo Boss nimmt gesellschaftliche Verantwortung wahr, Metzingen, 06.04.2020; HUGO BOSS AG (2020c): Hugo Boss geht Herausforderung im Zuge der Pandemie entschlossen an, Metzingen, 05.05.2020; HUGO BOSS AG (2020d): „Threedom of Work“, Metzingen, 19.08.2020

[8] LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE (2020a): LVMH prepares to manufacture and distribute free hydroalcoholic gel in large quantities, Paris, 15.03.2020; LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE (2020b): LVMH to supply several million surgical masks in France, Paris, 21.03.2020

[9] Douglas GmbH (2020): Unternehmensprofil;

[10] Staatsministerium Baden-Württemberg (2020): Übersicht der geschlossenen und offenen Einrichtungen, Stuttgart, 16.10.2020

[11] Manager Magazin (2020a): Douglas umgeht Lockdown als Drogerie, 16.12.2020; Manager Magazin (2020b): Douglas-Chefin entschuldigt sich, 17.12.2020

[12] Heimann, FUTUR III (2020): Hilfe ist, wenn man trotzdem teilt: Warum diese Krise kein Geschäftsmodell ist

Florian Förster

International Strategic Account Manager - Endress+Hauser - Food & Beverage

3 Jahre

Fabian Müller Vision, Mission und das Leitbild - Vor allem aber auch die Frage nach dem „Warum existiert ein Unternehmen“ und damit verbunden die Werte zeigen sich in einer Krise. Unternehmen mit starken Werten und einem gutem Selbstverständnis schaffen es meiner Meinung nach besser und einfacher durch solche Zeit! Somit guter Beitrag 👏🏻

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