Das neue CDU-Logo: Ein Lehrstück, wie strategische Markenführung NICHT funktioniert
„Eigentlich eine überschaubare Herausforderung: Mit einem neuen Logo will CDU-Chef Merz die Partei auf Erneuerung und Geschlossenheit trimmen“, schreibt die WELT.
Weder ist die Herausforderung in meinen Augen so überschaubar wie sie hier beschrieben wird, noch lösen sich inhaltliche Herausforderungen wie diese durch die Überarbeitung eines Logos. Nicht bei Unternehmen und schon gar nicht bei Parteien mit ihren komplexen Strukturen.
Das Problem der CDU scheint doch woanders, nämlich in der Tiefe, zu liegen, wo man erstmal selbstkritisch ganz genau hinschauen müsste, um parteiinterne Differenzen überwinden und danach geschlossen auftreten zu können.
„Das neue Erscheinungsbild soll nun die Herzen der Landesverbände gewinnen“, zitiert die HORIZONT Generalsekretär Linnemann.
Schwierig. Das klingt fast so, als habe man diese gar nicht in den Prozess mit einbezogen, sondern ihnen (wie der breiten Öffentlichkeit auch) einfach ein fertiges Ergebnis präsentiert, um es ihnen jetzt ungefragt überzustülpen.
Augenhöhe und Zusammenhalt sehen anders aus. Reaktanz vorprogrammiert.
Auf der CDU-Homepage heißt es hingegen: „Wir glauben an den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Deshalb stellen wir das Verbindende über das Trennende.“
Ah ja.
Die Logo-Aktion war jetzt trennend oder verbindend? Akuter Phrasenalarm.
„Logo und Farben neu, während das Grundsatzprogramm noch auf sich warten lässt“, lautet die Bildunterschrift der W&V korrekterweise.
Und das bringt doch das eigentliche Problem auf den Punkt.
Ganz ehrlich: Wen interessiert dieses neue Logo? Darauf hat die Welt nicht gewartet, sorry.
Menschen wollen in den seltensten Fällen eine selbstreferenzielle Beschäftigung von Politikern und Parteien mit ihrer Oberfläche. Das ist weder wertschöpfend noch zukunftsgestaltend und bringt unsere Gesellschaft nicht voran, weil es, wie man sieht, leider nicht inhaltlich getrieben ist.
Menschen wollen von Parteien wissen, welche Themen ihnen am Herzen liegen und erwarten zu Recht Antworten darauf, wie und wodurch sie unsere gesellschaftlichen Herausforderungen lösen wollen.
Menschen wollen Inhalte. Und über Inhalte könnten sich Parteien sogar optimal profilieren – dafür braucht es kein neues Logo!
In Zeiten der Unsicherheit steigt die Sehnsucht nach Klarheit. Und Halt. Und Haltung. All das können Marken leisten!
Menschen wünschen sich in Zeiten wie diesen souveräne Führung mit klaren Vorstellungen, die anschlussfähig und emotional zugänglich sind - nicht unbedingt für Jeden gleichermaßen, das ist klar.
Menschen wünschen sich Politiker mit Persönlichkeit. Menschen, die reale Werte vertreten, zu ihrem Wort stehen und Haltung zeigen. Aber nicht aufgesetzte Haltung, sondern aufrichtige!
Was uns zurück zum Markenthema bringt.
Marken-Missverständnis Nr. 1: Marke = Logo.
NEIN, einfach nein.
Das Logo ist nicht „die Marke“.
Das Logo ist der Teil der Marke, der man sofort vor Augen hat, wenn man über eine Marke spricht. Die Marke ist viel, viel mehr.
Das Logo als visuelles und kommunikatives Instrument soll idealerweise zum Ausdruck bringen, wofür die Marke – in diesem Fall die Partei CDU – inhaltlich steht und was spezifisch für sie ist. Worauf Menschen sich verlassen können, was sie von der Marke erwarten können.
„Frisch, modern, dynamisch: Das ist der Anspruch, den die CDU mit ihrem neuen Logo verbindet." (W&V)
Ist ja schön, dass das der Anspruch (und vielleicht ein klitzekleines bisschen Wunschdenken?) der Parteispitze ist. Aber ist die CDU denn frisch, modern, dynamisch? Oder will sie es einfach nur sein? Einen Anspruch mit einem Logo zu verbinden heißt ja noch lange nicht, dass die Partei diesen Anspruch auch erfüllen könnte.
„Aufbruch, Erneuerung, Modernität - dafür steht die CDU.“ (CDU Homepage)
WIRKLICH? Beweise statt Behauptungen, bitte. Danke.
Mein Eindruck deckt sich damit zwar nicht, aber es kann natürlich sein, dass ich ein nicht-repräsentativer Einzelfall bin.
Aus Markensicht stellen sich folgende Fragen:
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Marke ist kein Wunschkonzert
Marke ist nicht irgendein (Wunsch-)Bild, von dem du unbedingt willst, dass es wahr ist. In dem Fall die Parteispitze.
Marke ist auch nicht das (Wunsch-)Bild, das Andere von dir haben sollen.
Das Bild, was sich jemand von der Marke CDU macht, kann niemandem aufoktroyiert werden. Die Marke CDU entsteht in der Wahrnehmung, in den Köpfen der Menschen, auf Basis ihrer Erfahrungen und dem, was sie von der CDU mitbekommen. Im echten Leben, nicht weil es in irgendeinem Grundsatzpapier oder CI-Manual steht.
Marke ist das Bild, was du erzeugst – durch deine Haltung, dein Verhalten und deine Handlungen.
Die wahrgenommene Realität der Menschen ist der Maßstab und die Grundlage für jede Markenwahrnehmung (Image). Und das sogenannte „Image“ hängt eben viel weniger von irgendwelche Marketingkampagnen und CI-Updates ab als man glaubt.
Die Markenwahrnehmung der CDU hängt davon ab, ob sich die CDU so verhält, wie das, was sie von sich behauptet.
Und nur, falls die CDU „frisch, modern, dynamisch“ wäre – was auch immer das bedeutet – macht es auch Sinn, auf Design-Ebene so aufzutreten.
Alles andere verstärkt die wahrgenommene Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit und führt zum Verlust jeder Glaubwürdigkeit.
Marken-Missverständnis Nr. 2: Inhaltliche Probleme lassen sich durch einfache Oberflächenverschönerungen kaschieren
Auch hier ein klares NEIN.
Inhaltliche Herausforderungen und Uneinigkeiten lösen sich nicht, indem überhastete Oberflächenveränderungen an externe Dienstleister in Auftrag gegeben werden.
Deutlich zielführender und nach wie vor dringlicher wäre die Beantwortung der Frage nach der strategischen Ausrichtung der Partei, dem Markenkern wenn man so will. Das mit allen Beteiligten intensiv auszuklamüsern, sich auf eine Linie zu einigen und verständlich auf den Punkt zu bringen, hätte wesentlich mehr Einfluss auf das wünschenswerte Ziel eines geschlossen Auftritts aller Landesverbände.
Nur, wofür die Marke CDU konkret und spezifisch steht, scheint nach wie vor ungeklärt. Kein Wunder, dass nicht alle mitziehen.
Bevor das Inhaltliche nicht geklärt ist und alle damit einverstanden sind, braucht es auch keinen inszenierten Logo-Reveal, der auf vielen Ebenen für Spott und Häme gesorgt hat.
Marken bergen enorm viel Potenzial in sich, wenn sie nicht oberflächlich verstanden, sondern bewusst geführt würden
a) Marken haben die Kraft, Identifikation zu stiften und Menschen zu vereinen.
Wenn sie richtig verstanden und nicht als Marketinginstrument missbraucht würden. Wenn sie strategisch und authentisch geführt würden und sich nicht anpassen, je nachdem wie der Wind weht. Wenn es eine aufrichtige, tiefergehende Selbstreflexion und eine darauf aufbauend passende Ausrichtung sowie dahinterliegende, beweisbare Leistungen gäbe.
Egal, ob wir von Parteien, Unternehmen oder auch Städten als Marken sprechen, die leider nach wie vor einen großen Fokus aufs Marketing legen. Dann werden im Namen der Marke leider zu oft Dinge versprochen, die in der Realität nicht nachvollziehbar oder erlebbar sind. (Dazu sei auch die Folge ZDF Magazin Royale Werbung in eigener Sache mit Jan Böhmermann empfohlen, der diese Art Unsinn zum Glück richtigerweise im Marketing verortet.)
Und nein, diese aufrichtige Beschäftigung mit sich selbst ist nicht leicht. Sie ist anstrengend, unbequem und teilweise schmerzhaft; weswegen sie so oft weggelassen, delegiert oder ignoriert wird.
Aber sie ist notwendig, wenn man es als Marke Ernst meint. Und ernstgenommen werden will.
b) Marken haben die Kraft, Menschen für eine große Idee zu begeistern und sie zu motivieren, mitzumachen.
Was ist die große Markenidee (der CDU), der sich Menschen anschließen wollen? Für die sie ihre kostbare Energie einsetzen wollen, um notwendige Veränderungen kreativ und produktiv anzupacken? Um neue Wege zu gehen; aus Überzeugung, nicht aus Zwang.
Große Ideen sind etwas, von dem wir grundsätzlich mehr bräuchten, um Deutschland voranzubringen.
Mein Fazit:
Was da ist? Ein neues Logo. (Das niemand so richtig gebraucht hat.)
Was fehlt: Eine große Idee.* (Die es gebraucht hätte.)
*Und das gilt leider, wenn man ehrlich ist, für fast alle Parteien.
Weswegen die Causa „CDU-Logo“ in diesem Artikel nur als anschauliches Beispiel für eine flächendeckende Problematik herhalten muss.
Head Of Department bei Ivoclar Vivadent AG
1 JahrÜbrigens die Qualität der Präsentation des neuen Logos durch die „Mitarbeiter“ der CDU macht die Planlosigkeit offensichtlich. Hier wurde nichts verstanden, warum man gestalterisch eine Veränderung umgesetzt hat. Drum konnte man es nicht nachvollziehbar erklären. Wenn die Gründe zur Änderung nicht plausibel erklärt werden können, kann eine Änderung nicht gelebt werden. Das gilt für Gestaltung so wie für Strategie.
30 Jahre Geschäftsführender Inhaber bei UNIQ Designbüros
1 JahrDas CD hat mit strategischer Markenführung nur sehr wenig zu tun. Selbst wenn es klasse wäre, ginge es nur um die einheitliche Gestaltung und Design-Richtlinien. Das CD ist kein CI. Trotzdem ist das Debakel mit Kursiver, verzweifelt auf weiß positioniert, geklebt und mit türkis-pastellem, postmodernem Hintergrund ein Relikt der 80er-/90er-Jahre. Das geht gar nicht. Schrecklich.
Mentor for Entrepreneurs & Athletes | Sidekick for Startups | Founder | Venture Capitalist | Mittelstandsberatung für Innovation | Unternehmensnachfolge
1 Jahr‚Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit‘ Schön geschrieben Martha Kift 🩵 (gab leider kein Herz in Cadenabbia-Türkis)
Advocating for PEACE by Connecting the dots | Passionate about driving systemic change for a peaceful regenerative future #Mission2030 We must unite for #Peace 🙏☮️
1 JahrWie können solche Fehler passieren?