Das neue Nachweisgesetz - von der Mücke zum Elefanten!
Kaum jemand kennt das Nachweisgesetz, da es für die meisten Arbeitgeber kaum praktische Auswirkungen hatte. Ähnlich unbemerkt hat die Bundesregierung nun ein Änderungsgesetz zum Nachweisgesetz in den Bundestag eingebracht. Die darin enthaltenen Neuregelungen werden erhebliche organisatorische und administrative Folgen für alle Arbeitgeber haben. Hinzu kommt, dass Arbeitgebern bei Verstoß gegen das neue Gesetz ein Bußgeld droht.
Was ist das Nachweisgesetz
Das Nachweisgesetz (NachwG) existiert seit Mitte der 1990er. Es verpflichtet Arbeitgeber spätestens 1 Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses, die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen, zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer zu übergeben (§ 2 NachwG).
Warum hatte das NachwG bislang kaum praktische Bedeutung?
Alle Punkte, über die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer innerhalb eines Monats informieren sollte (§ 2 NachwG), finden sich typischerweise im Arbeitsvertrag. Insofern reichte bislang regelmäßig der Abschluss und die Aushändigung des unterzeichneten Arbeitsvertrages aus um den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Was ändert sich nun?
Das neue Nachweisgesetz sorgt leider für erheblich mehr Bürokratie und birgt erhebliche Risiken:
Erweiterung des Umfanges der Unterrichtung
Zum einen sind künftig deutlich mehr Punkte schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Dies sind die folgenden zusätzlichen Daten:
-Die Dauer der vereinbarten Probezeit
-Die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
-Die Möglichkeit und Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden
-Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen
-Der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt
-Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Kündigungsfristen sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
-Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
-Bei einer Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland sieht der Gesetzesentwurf ebenfalls umfangreiche Pflichten zur Niederschrift vor.
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Besonders problematisch ist hier, dass der Arbeitgeber künftig neben den Kündigungsfristen, der Einhaltung der Schriftform und der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage den Arbeitnehmer auch über das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren informieren muss.
Wenn man bedenkt, wie viele gesetzliche Regelungen bei Kündigungen über die Voraussetzungen des § 1 KSchG (Vorliegen eines Kündigungsgrundes) hinaus ggf. noch einzuhalten sind - z.B. Anhörung des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung, Zustimmung des Integrationsamtes, das komplexe Verfahren bei Massenentlassungen - so kann man sich leicht vorstellen, wie komplex diese Unterrichtung nach dem neuen Nachweisgesetz sein wird.
Kürzere Fristen
Die Frist zum Nachweis wurde deutlich verkürzt. Zwar gelten nun verschiedene Fristen für die verschiedenen Punkte, über die unterrichtet werden muss; da allerdings kaum ein Arbeitgeber den bürokratischen Aufwand auf sich nehmen wird, den Arbeitnehmer mehrfach zu verschiedenen Zeitpunkten zu unterrichten, muss er im Ergebnis die kürzeste Frist einhalten. Hiernach muss nunmehr bereits am ersten Arbeitstag die Unterrichtung ausgehändigt werden.
Schriftliche Unterrichtung = schriftlicher Arbeitsvertrag
Während die europäische Richtlinie die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung der Unterrichtung vorsah, findet sich im nunmehr von der Bundesregierung vorgelegten Änderungsgesetz nur die eigenhändige Unterzeichnung als Möglichkeit. Die elektronische Form wird sogar ausdrücklich ausgeschlossen.
Dies bedeutet auch, dass der Arbeitsvertrag, der die meisten Punkte enthält, über die unterrichtet werden muss, künftig schriftlich geschlossen werden muss. Alle verständlichen Bestrebungen vieler Arbeitgeber hier elektronische Varianten wie z.B. DocuSign zu nutzen werden damit unmöglich gemacht.
Warum muss ich mich daran halten - das Bußgeld
Mit dem neuen Gesetz wird zusätzlich ein Ordnungswidrigkeitentatbestand eingeführt. Mit bis zu € 2.000,— Bußgeld wird zukünftig bestraft, wer seiner Nachweispflicht nicht (gar kein Nachweis), nicht richtig, nicht vollständig (nicht über alle Punktei informiert) nicht in der vorgeschriebenen Weise (schriftlich) oder nicht rechtzeitig (Fristen) nachkommt.
Wann treten die Änderungen in Kraft?
Das Europäische Parlament hat im Jahr 2019 die sogenannte „Arbeitsbedingungen-Richtlinie“ verabschiedet. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten die Änderungen bis spätestens zum 01.08.2022 umzusetzen. Es ist zu erwarten, dass die o.g. Gesetzesänderungen in Deutschland spätestens zu diesem Zeitpunkt in Kraft treten.
Für Verträge die ab dem 01.08.2022 beginnen, müssen die neuen Regelungen also eingehalten werden. Für bereits bestehende (Alt-)Arbeitsverträge gilt, dass über die (neu hinzugekommenen) wesentlichen Bedingungen nur dann informiert werden muss, wenn Arbeitnehmer dies verlangen, dann allerdings innerhalb von 7 Tagen.
Was sollten Sie tun?
Jeder Arbeitgeber sollte sich gut auf die anstehenden Änderungen vorbereiten. Wir werden für Sie den Gesetzgebungsprozess im Blick behalten. Sobald klar ist, ob die Gesetzesänderung so in Kraft treten wird, werden wir ein Dokumente entwerfen, das Sie Arbeitnehmern zusätzlich zum Arbeitsvertrag übergeben können und das sämtliche notwendige Informationen enthält.
Wenn Sie hieran Interesse haben, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an meine Mitarbeiterin, Frau Klatt (sk@scharf-und-wolter.de). Sobald der genaue Umfang des Dokumentes klar ist, werden wir Ihnen mitteilen, zu welchem Pauschalpreis Sie dieses bei uns erwerben können.
Dr. Alexander Scharf
Fachanwalt für Arbeitsrecht