Das Wettrüsten im Vertrieb schreitet voran, die Inhalte kommen nicht mit.
„Die Welt insgesamt, vom Menschen einmal abgesehen, entwickelt sich weiter. Aber beschert uns diese Entwicklung tatsächlich wertvolle und neue Optionen“, fragt sich nicht nur Gunter Dueck. Offensichtlich nicht, denn wie ich aus jeder Unterhaltung zu vertriebs- und verkaufsrelevanten Themen mitnehme, nehmen wir keine Option so richtig wahr, wir lassen es irgendwie geschehen. Und im Augenblick geschieht uns die Digitalisierung, und mit der Digitalisierung geben uns künftig „Künstliche Intelligenzen“ immer mehr die Prozesse vor, die einzuhalten und abzuarbeiten sind.
„Die Digitalisierung wird viele Organisation in eine Prozessokratie transformieren. Funktionen und Fachleute werden durch Prozessdesigner ersetzt, das Management wird kastriert“, meint Gunter Dueck weiter. Und so wird es wohl sein, dass demnächst nicht einmal mehr gegen die festgefügten Prozesse angedacht werden kann.
„Künstliche Intelligenz“ ist auch im Vertrieb gerade der letzte Schrei. Seltsamerweise höre ich in Gesprächen mit Verkäufern und Vertriebsverantwortlichen, dass KI selten bis gar nicht liefert, was es verspricht, umso mehr in komplexen B2B-Beziehungen.
Manches gründet wohl schon auf das Missverständnis, das wir bereits mit unserem Vokabular heraufbeschwören, wenn wir uns über Digitalisierung und KI unterhalten. Wir nennen es „künstlich“, weil es nicht organisch ist, denn die Maschine macht und nicht der Mensch. Doch wie intelligent kann das Künstliche sein, wenn es eigentlich nur das ist, was eine Maschine erlernt, und um das zu tun hat es erst einmal jemand entwickeln und programmieren müssen. Künstliche Intelligenz im B2B-Verkauf ist heute noch nicht mehr als voreingenommene Algorithmen, verpackt in einen riesigen Marketinghype, ausgerichtet am technologischen Stand der heute verfügbaren Software und Netzwerke, oder wahlweise an den neuesten Mode-Konzepten der großen Beratungshäuser. Für letztere ist das auch höchst profitabel. Für viele andere bleibt irgendwo der Hund begraben.
Warum auch sonst kämpfen Verkäufer immer noch jeden Tag damit, ihre Ergebnisse zu verbessern? Wo sind all die jahrzehntelangen Investitionen in Technologien und Methoden? Und warum soll gerade das nächste Werkzeug anders sein? Und wie anders ist anders wirklich? Und haben wir überhaupt schon den Wert all unserer bisherigen Investitionen erkannt, geschweige denn ausgeschöpft?
Meine Empfehlung dazu ist: Solange die zugrundeliegende Denke und Einstellung zum Vertrieb nicht sauber verankert ist und funktioniert, warten Sie lieber! Ein nächst-bestes Werkzeug, sogar mit KI/ML, wird es nicht wirklich besser machen... und aus vielen Gelegenheiten habe ich gelernt: Automatisiere niemals einen schlechten Prozess, Du wirst ihn nicht mehr los!
Ein solides Mehr-Wert-Versprechen, Training, Coaching und die richtige Unternehmenskultur sind viel wichtiger. Und das wahre Geschenk der Digitalisierung ist nicht die Fülle an Information, es sind die unendlichen Möglichkeiten sinnvoller Zusammenarbeit! Das Problem ist, dass gerade die letzten 30 Jahre ein intensives Trainingscamp für gelebte Nicht-Zusammenarbeit waren. Routiniert belohnt wurde der Einzelne, für seine individuelle Leistung, weniger für seine Wirkung. Gefeiert wurde der „Beste Verkäufer“ – vermeintlich, weil nur im Sinne von Quota-Achievement.
Mit Guido Bosbach bin ich generell einig, dass viele der heute üblichen Methoden ein schräges Bild abgeben: Mitarbeiter sind „Full Time Equivalents“ - Budgets werden aus der Historie abgeleitet und für das kommende Geschäftsjahr vorgeschrieben - Entscheidungen werden entsprechend der Richtlinienkompetenz getroffen - Abteilungen mit maximaler Entfernung zum Markt legen Ziele und Strategien fest - dafür sollen Mitarbeiter noch immer über Boni und Incentives motiviert werden - in Großraumbüros sollen Kommunikation und Konzentration gleichzeitig möglich sein… diese Liste könnte man wohl ewig fortsetzen. Und daneben belegen diverse Studien Jahr für Jahr, dass das Engagement der Mitarbeiter dauerhaft niedrig und die Zukunftsaussichten in vielen Unternehmen schlecht sind. Ein halbwegs gesunder Berater würde erkennen, aber wohl nicht immer sagen: Wir sparen uns da zum falschen Ende.
Das Problem mit der Digitalisierung – und dem ganzen anderen Zeugs – ist, wie wir dieses "Neue", die Technologien nutzen. Für sich selbst genommen bietet die Technologie nichts, außer Versprechen und Möglichkeit. Und zu oft produzieren wir damit viel Mist, dafür aber in Lichtgeschwindigkeit. Genauso gerne wird „das neue Ding“ als gute Entschuldigung gezogen wenn es einmal nicht so klappt. Trotzdem es erwiesen ist, dass das eigentliche Problem meist auf der menschlichen Seite der Technologie zu suchen ist.
Sales requires effort! There is no magic! Im Verkauf ist so selten Platz für Magie und Zauberei. Und jede neue Technologie ist nutzlos, solange diejenigen, die die neuen Formeln anwenden sollen, nicht die rechte Einstellung haben, nicht auf harte Arbeit eingestellt sind, nicht verstehen, wie sie das, was für sie selbst am besten funktioniert, auch für sich selbst adaptieren.
Aktuelle Erhebungen stellen fest, dass auch 2019 mehr als 60% der B2B-Verkäufer ihre Vorgaben nicht erreicht haben! WOW – das sind verdammt viele Verkäufer die sich selbst fragen werden: What the F...? Und doch werden es immer mehr statt weniger.
Unsere vernetzte Welt braucht die differenzierte Betrachtung und Beratung – gerade wenn es um Veränderung geht. All die Rezepte von der Stange und Next-Best-Practices scheinen gut, doch der Schein trügt, denn er lässt die Dynamik einer individuellen Situation außen vor. Ich kann es immer nur wiederholen wie wichtig und sinnvoll es ist, mehr Wert auf die Basics zu legen, und darauf, dem Kunden zu helfen bei dem was dieser sich vorstellt zu tun.
Doch mit den vielen Standard-Sales-Tools tendieren wir dazu, die Probleme unserer Kunden so zu definieren, dass es zu dem passt, was wir verkaufen - während unser Kunde nur sein Problem im Kopf hat. Was wir ihm verkaufen ist nur ein Stein in seinem Problem-Mosaik, oft genug noch nicht einmal der wichtigste. Und weil Verkäufer nur auf ihre Produkte schauen - weil es für sie halt das wichtigste ist, diese zu verkaufen - stapeln sie in ihren Systemen Karteileiche auf Karteileiche.
Wie viele „Experten“ haben uns nicht schon erzählt, dass sich die Kauf- und Verkaufsprozesse verändern... BLAH BLAH BLAH. Irgendwie komisch ist nur, dass Verkäufer und Manager seit mehr als 20 Jahren die bequeme Lüge pflegen, wie mir eine Pin-Board-Übung letzte Woche bestätigt hat:
a) Verkäufer sagen (schon immer): dass die Kunden sagen, dass unsere Produkte zu teuer sind, oder nicht wettbewerbsfähig – dass wir viel zu spät eingestiegen sind – dass die Kunden selbst nicht genau definieren können, was sie wollen – dass sie kein Budget haben – dass wir noch die richtigen Ebenen überzeugen müssen - dass sie Schwierigkeiten haben, den Zugang zur richtigen Ebene zu finden – etc.
b) Manager sagen (schon immer): dass es immer schwieriger wird überhaupt einen verlässlichen Umsatz zu prognostizieren – dass die Verkäufer zu wenige Projekte vor der Konkurrenz finden – und wir deshalb immer im Preis nachgeben müssen – dass die Projekt-Pipeline der Verkäufer viel zu klein ist – dass die Verkäufer zu lange brauchen um zum Abschluss zu kommen – dass die Verkäufer beim Zugang zum oberen Management zu ineffektiv sind – dass die Marketing-Bemühungen nicht mit den Verkaufs-Bemühungen Schritt halten – etc.
Und wer sich jetzt noch an die Methode „Solution Selling“ erinnert, und in alten Unterlagen kramt, wie ich das gerade getan habe (Workshop, Original vom Mai 1999), der stellt fest: an den damals plakatierten Verkaufs- und Manager Schwierigkeiten hat sich NICHTS verändert. Erstaunlich.
Es spart wohl jede Menge Unannehmlichkeiten, der lästigen Wahrheit die bequeme Lüge vorzuziehen, damals wie heute. Und da nutzen auch keine neuen Regeln: je mehr Vorschriften, desto mehr Verstöße kommen vor. Und an bestimmte Kategorien von Unwahrheiten haben wir uns längst gewöhnt: an die hohlen Phrasen, die beispielsweise den Abgang von Mitarbeitern begleiten: von der „einvernehmlichen Trennung“, oder „auf eigenen Wunsch“. Besonders hohl wird es, wenn der Betreffende dann „weiterhin beratend zur Verfügung steht“.
Phrasen dieser Art werden meist gar nicht mehr als Lügen empfunden, weil sie ohnehin niemand mehr ernst nimmt. Doch dieses Verhalten ist der Spaten, mit dem sich Unternehmen ihr eigenes Grab schaufeln. So wie jeder Mitarbeiter alles daran setzen wird, dem Druck auszuweichen, herrscht bald überall serviles Verhalten vor. Für das Management scheinen dann alle gefügiger, in Wahrheit sind aber alle nur uninteressierter!
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4 JahreStimmt mit eigenen Erfahrungen und den von befreundeten Kollegen überein. Vielen Dank für den Artikel. Hier noch eine Frage zum Satz "Aktuelle Erhebungen stellen fest, dass auch 2019 mehr als 60% der B2B-Verkäufer ihre Vorgaben nicht erreicht haben!". Können Sie mir dazu die Quelle zukommen lassen?