Daten, Diversity und die Zukunft der Arbeitswelt
Die Jubiläumsausgabe von „Zukunft Personal Nachgefragt“, live gestreamt am 3. Dezember, markierte nicht nur 25 Jahre Zukunft Personal Europe und Zukunft Personal Süd sowie ein Jahrzehnt HR Innovation Award, sondern auch einen Wendepunkt. Während der Titel „Mit Herz und Hirn ins HR von morgen“ verheißungsvoll nach Zukunft klang, lag die wahre Stärke dieser Sendung in ihrer Fähigkeit, die Gegenwart zu analysieren und ihre Herausforderungen ohne Umschweife anzusprechen. Die drängende Frage des Abends lautete: Wie gestalten wir die nächsten 25 Jahre?
Wenn Performance zur neuen Währung wird
Das Programm zeigte eindrucksvoll, wie stark sich die Vorstellungen von Arbeit, Organisation und Führung wandeln. Sven Semet , Experte für KI im Personalmanagement, brachte es auf den Punkt: „Talente sind nicht an Netzwerke oder Lebensläufe gebunden. KI eröffnet uns die Möglichkeit, Potenziale zu erkennen, die bisher unsichtbar blieben.“ Die klassische Frage nach Position und Hierarchie weicht der Suche nach Systemleistung.
Marc Wagner , Vordenker für Organisationsentwicklung, ging noch einen Schritt weiter: „Unternehmen müssen antifragil werden. Nur wer flexibel genug ist, in unsicheren Zeiten zu wachsen, wird bestehen.“ Seine Aussage zeichnete die Stärke einer Organisation nicht mehr durch individuelle Erfolge aus, sondern durch ihre kollektive Widerstandsfähigkeit. „Performance“, so wurde klar, ist nicht länger die Aufgabe Einzelner, sondern das Ergebnis eines ganzheitlichen Ansatzes.
Time for New Beginnings: Ein Appell zur Neuausrichtung
Der Abend hatte nicht nur die Reflexion der Vergangenheit zum Ziel. Cindy Rubbens , Jury-Vorsitzende des HR Innovation Awards, stellte klar: „Die HR-Welt braucht Mut zur Veränderung.“ Diversity und Flexibilität, so ihre Forderung, seien entscheidende Gradmesser für die Innovationskraft von Unternehmen. Doch nur, wenn diese Themen ernsthaft angegangen werden. „Diversity darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Es ist ein strategischer Vorteil – wenn man ihn ernst nimmt.“
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der digitalen Transformation. Mark Gregg , Innovator für Benefits, erklärte: „Wir müssen Benefits neu denken. Einzelmaßnahmen reichen nicht. Plattformen, die echte Mehrwerte schaffen und Mitarbeitende ganzheitlich ansprechen, sind der Schlüssel.“ Gregg unterstrich, wie weitreichend sich die Rolle von HR in den letzten Jahren verändert hat: Von administrativen Aufgaben hin zu strategischen Themen, die das gesamte Unternehmen betreffen.
Von Daten zu Entscheidungen: Die datengetriebene HR-Kultur
Ein weiterer zentraler Diskussionspunkt war der Umgang mit Daten. Robindro Ullah , Experte für datengetriebene HR-Kultur, brachte eine unmissverständliche Botschaft: „Wer seine Daten nicht versteht, versteht auch seine Mitarbeitenden nicht. Und wer seine Mitarbeitenden nicht versteht, verliert sie.“ Sein Appell, Datenquellen besser zu verknüpfen und aus ihnen echte Erkenntnisse zu generieren, war mehr als ein gut gemeinter Rat – es war eine klare Forderung an die Branche, endlich den Datenschatz zu heben, der in vielen Unternehmen ungenutzt bleibt.
Zehn Jahre HR Innovation Award: Impulse für die Zukunft
Mit dem Jubiläum des HR Innovation Awards rückte auch die Innovationskraft von Start-ups ins Rampenlicht. „Innovation kommt nicht von etablierten Namen, sondern von mutigen Ideen,“ so Rubbens. Die Auszeichnung habe über die Jahre bewiesen, wie wichtig es sei, jungen Unternehmen eine Bühne zu bieten. Gleichzeitig kritisierte sie die mangelnde Risikobereitschaft vieler Innovations-Labs in Unternehmen: „Das echte Risiko ist nicht da.“
Ein Blick nach vorne: Die nächsten 25 Jahre beginnen jetzt
Die Sendung endete mit einer deutlichen Botschaft: Die Zukunft gehört denen, die mutig genug sind, Veränderungen aktiv zu gestalten. Die Jubiläen der Zukunft Personal waren nicht nur feierliche Anlässe, sondern eine Einladung, die Arbeitswelt der Zukunft neu zu denken. Themen wie KI, Diversity und datengetriebene Entscheidungen sind nicht länger Zukunftsmusik – sie sind die Anforderungen der Gegenwart.
Während der Livestream in seiner letzten Minute die Zuschauer mit einem Appell zum Handeln entließ, wurde eines klar: Die Zukunft Personal Nachgefragt ist mehr als eine Plattform für Diskussionen. Sie ist ein Taktgeber, ein Ort, an dem die Zukunft der Arbeit nicht nur debattiert, sondern aktiv gestaltet wird. Time for New Beginnings – das Motto bleibt. Denn die nächsten 25 Jahre beginnen jetzt.
Exkurs zur Next Economy Open
Der Vortrag von Phineas Speicher auf der Next Economy Open (#NEO24) zu LLMs als "Second Brain" lässt sich als eine Einladung begreifen, die Grenzen unseres Denkens neu zu betrachten. Die Metapher des "Second Brain" beschreibt die Fähigkeit von KI-Modellen wie ChatGPT, den Prozess des Denkens nicht zu ersetzen, sondern zu ergänzen. Hierbei zeigt sich eine bemerkenswerte Parallele zu Ludwig Wittgensteins Überlegungen zur Sprache als Form des Weltverstehens: KI wird nicht als passives Werkzeug verstanden, sondern als ein dialogischer Partner, der durch seine Struktur neue Perspektiven eröffnet.
Der Dialog mit der KI
Speicher beschreibt, wie das Prinzip der menschlichen Kognition — insbesondere das Problemlösen — durch die begrenzten Kapazitäten unseres Arbeitsgedächtnisses eingeschränkt wird. LLMs wie ChatGPT überwinden diese Einschränkungen, indem sie Informationen verarbeiten, verknüpfen und generieren können, die das menschliche Denken erweitern. Dies erinnert an Wittgensteins Satz: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Hier wird die KI zu einem Instrument, diese Grenzen zu verschieben.
Der Kern dieses Ansatzes liegt in der Fähigkeit der KI, durch Prompts nicht nur auf Fragen zu antworten, sondern Denkprozesse strukturell zu unterstützen. Stefan Holtel hebt in seinen Ausführungen hervor, dass die Qualität der Prompts nicht nur von der KI, sondern wesentlich vom Nutzer abhängt. Diese Interaktion erfordert ein Verständnis der „Sprache“ der KI, das wiederum neue Kompetenzen im Umgang mit Technologie hervorbringt.
Die Praxis des „Second Brain“
Speicher unterstreicht, dass das Konzept eines „Second Brain“ weit über die bloße Problemlösung hinausgeht. Es erfordert einen bewussten, methodischen Umgang mit der KI. Der Analyst Stefan Holtel hat das sehr schon in seinen Publikationen dargelegt. Er beschreibt den Prozess des Prompt Engineerings als eine Form der Kunst, die zwischen der Strukturierung und der kreativen Nutzung von Sprache vermittelt.
Der „Second Brain“-Ansatz zeigt sich vor allem in seiner Flexibilität und Anwendbarkeit: Ob in der Erstellung von Problemanalysen, der Verarbeitung von Daten oder der Entwicklung von Ideen – ChatGPT unterstützt den Nutzer dabei, kognitive Hürden zu überwinden und innovative Lösungen zu finden. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine spiegelt Wittgensteins Auffassung wider, dass der Gebrauch von Sprache den Kontext ihrer Bedeutung definiert. Die Praxis des „Second Brain“ wird so zu einem gemeinsamen Aushandlungsprozess zwischen Mensch und KI.
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Die Pädagogik der Dialogführung
Ein zentrales Thema ist die Frage, wie Menschen lernen können, mit KI sinnvoll zu interagieren. Speicher sieht die Notwendigkeit einer systematischen Schulung im Umgang mit Prompts und Dialogstrategien. In Anlehnung an Wittgenstein könnte man sagen: Es geht darum, die „Sprachspiele“ der KI zu verstehen, ihre Regeln zu erlernen und sie in den eigenen Kontext zu übertragen. Speicher schlägt vor, diese Kompetenzen frühzeitig in Bildungssystemen zu integrieren, um eine Generation hervorzubringen, die KI nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung begreift.
Die Grenzen verschieben
Der Vortrag von Phineas Speicher offenbart eine spannende Vision: LLMs als „Second Brain“ könnten eine Revolution der Wissensarbeit und des Denkens darstellen. Doch wie Wittgenstein betont, liegt die Bedeutung nicht im Werkzeug selbst, sondern in seinem Gebrauch. So zeigt sich in der Kombination aus Speichers methodischem Ansatz und Holtels didaktischer Perspektive eine bemerkenswerte Chance: eine Zukunft, in der Mensch und Maschine gemeinsam neue Horizonte erkunden.
Die Frage der Dialogführung nach Überlegungen von Stefan Holtel
Stefan Holtel legt in seinem Werk „Droht das Ende der Experten?“ besonderen Wert auf die Qualität der Dialogführung als Schlüssel zur effektiven Nutzung von KI-gestützten Tools wie ChatGPT. Für Holtel ist die Interaktion mit der KI ein dynamischer Prozess, der weit über die bloße Eingabe von Prompts hinausgeht. Er versteht den Dialog als eine Form der Ko-Kreation, bei der die Nutzer die Regeln und Möglichkeiten des „Sprachspiels“ beherrschen müssen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.
Die Bedeutung des Prompt Engineerings
Holtel beschreibt das Prompt Engineering als Kernkompetenz in der Arbeit mit KI. Ein gut formulierter Prompt sei nicht nur präzise, sondern auch strategisch darauf ausgerichtet, die Stärken des Modells auszunutzen und seine Schwächen zu umgehen. Dabei hebt er hervor, dass die Qualität der Antworten nicht nur von der KI selbst, sondern maßgeblich von der Fähigkeit des Nutzers abhängt, klare und kontextbezogene Anfragen zu formulieren. Holtel nennt dies den „Kreislauf der Verständigung“: Die KI reagiert auf die Inputs, die wiederum vom Nutzer interpretiert und angepasst werden müssen, um die Interaktion zu verfeinern.
Dialogische Kompetenz als Lernziel
Ein zentraler Punkt in Holtels Forschung ist die Frage, wie Nutzer lernen können, diese dialogische Kompetenz zu entwickeln. Er schlägt vor, dass Trainingsprogramme nicht nur technische Aspekte der KI-Nutzung vermitteln sollten, sondern auch kommunikative Fähigkeiten fördern müssen. Ein effektiver Dialog mit der KI erfordere ein tiefes Verständnis dafür, wie Sprache wirkt und welche Macht sie in der Interaktion entfaltet.
Dies erinnert an Wittgensteins Konzept der „Sprachspiele“, bei denen die Bedeutung eines Wortes durch seinen Gebrauch in einem spezifischen Kontext bestimmt wird. Ebenso wird die Effektivität eines Prompts durch den spezifischen Anwendungsfall und das Ziel des Nutzers definiert. Holtel regt an, Nutzer systematisch an diese neuen Formen der Interaktion heranzuführen, um die Lücke zwischen menschlicher Intuition und maschinellem Verständnis zu überbrücken.
Von der technischen zur philosophischen Perspektive
Holtels Ansatz verdeutlicht, dass die Dialogführung mit ChatGPT nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine philosophische Frage ist. Wer ist der Autor in diesem ko-kreativen Prozess? Und welche Verantwortung trägt der Mensch in der Steuerung der KI? Diese Fragen verknüpfen Holtels praktische Empfehlungen mit einer ethischen Reflexion über die Rolle des Menschen in der Wissensarbeit der Zukunft.
Dieser Exkurs ergänzt den Vortrag von Phineas Speicher, indem er die dialogische Dimension des „Second Brain“-Konzepts beleuchtet und zeigt, wie systematische Schulung und reflektierter Umgang mit Sprache die Nutzung von LLMs entscheidend verbessern können.
Adoption, Adaption, Transformation: Thomas Jeneweins Plädoyer für einen mutigen Umgang mit KI
Thomas Jenewein , Business Development Manager bei SAP, betrat die virtuelle Bühne der Next Economy Open nicht einfach als Referent. Er erschien wie ein Architekt des digitalen Wandels, der aus Begriffen wie Adoption, Adaption und Transformation einen Bauplan für die Zukunft der Arbeit entwarf. Doch war es mehr als das. Seine Ausführungen waren ein Versuch, den tiefen Riss zwischen technologischem Fortschritt und menschlichem Beharren sichtbar zu machen – und ihn zu überbrücken.
Jenewein präsentierte keine bloße Anleitung für die Einführung von KI in die berufliche Weiterbildung. Vielmehr skizzierte er ein Panorama des Wandels, das von der Mikroebene individueller Nutzererfahrungen bis hin zur Makroebene gesellschaftlicher Transformation reichte. „Adoption“, so erklärte er, sei nur der erste Schritt: die Annahme der Technologie. Doch echte Veränderung entstehe erst in der „Adaption“, der Anpassung von Prozessen und Arbeitsweisen. Und erst die „Transformation“ sei das Ziel – ein Zustand, in dem Technologie nicht mehr Werkzeug, sondern Teil der menschlichen Kultur werde.
Doch was macht diesen Vortrag so bemerkenswert? Es ist Jeneweins Fähigkeit, die Bruchlinien moderner Technologien freizulegen. Er sprach von Heißluftfritteusen, E-Autos und generativer KI – doch hinter den humorvollen Vergleichen verbarg sich eine ernste Erkenntnis: Jede Innovation trägt den Keim von Angst und Widerstand in sich. Datenschutzbedenken, Ethikfragen, die Sorge vor Arbeitsplatzverlust – all das sind nicht bloß Begleiterscheinungen, sondern zentrale Hindernisse, die es zu überwinden gilt.
Mit intellektuellem Esprit führte Jenewein die Zuschauer durch die Modelle und Werkzeuge, die den Wandel ermöglichen könnten. Das ADKAR-Framework, das Diffusionsmodell der Innovation, das humanzentrierte Design – jedes Konzept war nicht Selbstzweck, sondern ein Puzzlestück in einem größeren Bild. Doch blieb Jenewein nie in der Theorie verhaftet. Er forderte die Eigenverantwortung der Nutzer: „Jeder muss seine Anwendung explorieren.“ Diese Aufforderung war zugleich eine Kritik an der Abhängigkeit von Beraterhäusern und der Passivität vieler Unternehmen.
Narrative für den Wandel
Es war nicht nur ein Vortrag über Technologien, sondern auch über die kulturelle Dimension des Wandels. Jenewein stellte die deutsche Angst vor dem Neuen in den Mittelpunkt – eine Angst, die Innovation lähmt und den Blick für Chancen verstellt. „Was uns fehlt, ist ein Narrativ des Wandels“, sagte er, und damit traf er den Nerv der Debatte. Ohne Geschichten, die Hoffnung und Orientierung geben, bleibt jede Transformation unvollständig.
Am Ende stand keine endgültige Lösung, sondern eine Einladung: eine Einladung, den Wandel nicht nur zu akzeptieren, sondern ihn aktiv zu gestalten. Jeneweins Vortrag war mehr als ein intellektueller Beitrag – er war eine Aufforderung, die Zukunft der Arbeit neu zu denken. Mit einer Präzision und Tiefe, die den Zuhörer nicht loslässt. Es war, um es mit Schirrmacher zu sagen, ein Gespräch, das nicht endet, sondern nachhallt.
Experte für 🧠Psychologie & 🤖Künstliche Intelligenz | Innovative Erfolgsstrategien im modernen Arbeitsmarkt | Um KI-Potenziale zu entfachen, müssen wir die Menschen mitnehmen!
4 TageEs hat mich sehr gefreut, zu diesem spannenden Thema sprechen zu dürfen!
Man hört, sieht und streamt sich.
4 TageWas zum Teilen und Kommentieren: Sven Semet Marc Wagner Cindy Rubbens Mark Gregg Robindro Ullah Phineas Speicher Lutz Becker Stefan Holtel
Digital Transformation of Learning & Learning for the digital Transformation - Business Developer & Podcast Host
1 WocheMit einem Schirmacher Lob kann ich ja entspannt ins Wochenende gehen. Besser wird’s heute nicht mehr. 🤓 Danke Gunnar