Deindustrialisierung stoppen

Deindustrialisierung stoppen

Wie Deutschlands Schlüsselbranchen die Krise meistern können

Die deutsche Industrie – allen voran der Maschinenbau und die Automobilzulieferer – steht unter massivem Wettbewerbsdruck. Hohe Standortkosten, Fachkräftemangel und steigende Energiekosten belasten die Unternehmen ebenso wie der Wandel hin zur Elektromobilität. Um Deutschland als Industriestandort zu erhalten, sind mutige Schritte von Politik und Wirtschaft nötig: Innovationen müssen beschleunigt, Kosten gesenkt und Standortfaktoren grundlegend verbessert werden.

Innovation als Schlüssel zum langfristigen Erfolg

Der deutsche Maschinenbau und die Automobilindustrie zeichnen sich durch Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit aus. Während der Maschinenbau verstärkt in Technologien wie digitale Zwillinge, Automatisierung und Industrie 4.0 investiert, um Effizienz und Kosteneffektivität zu steigern, treibt die Automobilindustrie Entwicklungen in Elektromobilität und vernetzten Fahrzeugen voran. Um diese Dynamik weiter zu fördern, könnten Unternehmen verstärkt auf Künstliche Intelligenz und Smart Factory Technologien setzen, um Produktionsprozesse zu optimieren.

Allerdings zeigt der MINT-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dass Deutschland bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt im internationalen Vergleich zurückgefallen ist. Trotz signifikanter Steigerungen seit dem Jahr 2000 hinkt Deutschland hinter Ländern wie der Schweiz, Schweden, Japan oder Südkorea her, die ihre Investitionen noch stärker erhöht haben.

Ein wesentlicher Hemmschuh ist der Fachkräftemangel: Im Jahr 2023 und 2024 fehlen deutschlandweit rund 190.000 MINT-Fachkräfte, besonders in Energie- und Elektroberufen sowie in den Bereichen Maschinen- und Fahrzeugtechnik.

Zur Stärkung der Innovationskraft können technologie- und themenoffene Förderprogramme wie die Forschungszulage und das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) vielseitig unterstützen:

  • Forschungszulage: Unternehmen können Ihre eigenen Personalkosten, Kosten für Auftragsforschung (im Verbund sowie extern) und neuerdings zudem die Abschreibungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens rückwirkend fördern lassen. Mit einer maximalen Bemessungsgrundlage von 10 Millionen Euro pro Jahr können Großunternehmen aktuell bis zu 2,5 Millionen Euro geltend machen (Förderquote = 25 %). Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitieren ab sofort von einem Bonus, der die Förderquote auf 35 % anhebt und die Attraktivität des Programms weiter steigert.
  • ZIM-Programm: Das ZIM unterstützt Forschungs- und Entwicklungsprojekte von KMU mit Förderquoten von bis zu 60 % der Projektkosten. Neben Einzel- und Kooperationsprojekten werden auch Innovationsnetzwerke gefördert, um gezielt Forschungsvorhaben voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Um die Möglichkeiten von Innovationsförderungen voll auszuschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern, sollten Unternehmen einen systematischen Innovationszyklus implementieren, der strategische Planung und gezielte Technologieentwicklung ins Zentrum rückt. Dieser Ansatz beinhaltet die frühzeitige Identifikation technologischer Trends, die Analyse ihrer Bedeutung für das eigene Geschäftsmodell sowie eine stufenweise Umsetzung in klar strukturierten Entwicklungsphasen. Gleichzeitig muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, um eine zügige und effiziente Realisierung dieser Maßnahmen zu ermöglichen. Dazu gehören der konsequente Abbau bürokratischer Hürden und die Etablierung eines innovations- und investitionsfreundlichen Umfelds, um Deutschlands Position im globalen Wettbewerb nachhaltig zu stärken.

Nikolai Wiebe, Head of Consulting von der EPSA Deutschland, sagt: „Innovation ist der Schlüssel zur Zukunftssicherung. Um Deutschlands Spitzenposition in zentralen Industrien zu verteidigen, müssen Unternehmen gezielt in neue Technologien investieren – und die Politik sollte Förderprogramme gezielt weiter aus- sowie die Förderbürokratie weiter abbauen, um den Weg dafür zu ebnen.“

Hemmnisse für den Innovationsstandort Deutschland

Die Förderung neuer Technologien und Produktionsmethoden wird durch mehrere Faktoren gebremst:

  • Hohe Bürokratie: Die Umsetzung innovativer Ideen wird oft durch lange Genehmigungsverfahren behindert.
  • Fachkräftemangel: Besonders in technischen Bereichen fehlen qualifizierte Mitarbeiter, was die Innovationskraft der Unternehmen einschränkt.
  • Hohe Innovationskosten: Forschung und Entwicklung sind kostspielig, was gerade für KMUs oft eine Hürde darstellt.
  • Unzureichende digitale Infrastruktur: Schlechte Breitbandanbindung, besonders in ländlichen Gebieten, erschwert die Nutzung moderner Technologien.

Kosteneffizienz steigern: Einsparpotenziale identifizieren und gezielt umsetzen

Die deutsche Industrie steht seit der Corona-Pandemie und den geopolitischen Umwälzungen vor der Herausforderung, ihre Lieferketten robuster und risikoärmer zu gestalten. Laut ifo Institut haben 58% der Unternehmen im Jahr 2023 ihre Lieferketten diversifiziert und neue Zulieferer integriert, während 17% ihre Fertigungstiefe erhöht haben, indem sie zuvor ausgelagerte Prozesse wieder ins Unternehmen zurückgeholt haben.

Dabei bleibt jedoch die Optimierung der Gesamtkostenstruktur oft im Hintergrund, obwohl gezielte Maßnahmen zur Kostensenkung wesentlich zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen können. Gleichzeitig variieren die Einsparpotenziale stark zwischen Branchen und Unternehmen, abhängig von deren spezifischem Ausgangsniveau und Effizienzstandards. Unternehmen müssen daher individuelle Ansätze entwickeln, um ihre Kostenstruktur zu analysieren und gezielt zu optimieren.

Mögliche Ansatzpunkte sind:

  • Energieeffizienzmaßnahmen: Die Optimierung von Produktionsprozessen und der Einsatz moderner Technologien können Energiekosten senken, wobei die Einsparpotenziale stark von der Branche und dem aktuellen Technologiestand abhängen.
  • Zusammenarbeit mit Lieferanten: In Branchen wie dem Maschinenbau können durch enge Kooperationen und die Integration von Lieferanten neue Einsparmöglichkeiten erschlossen werden. In der Automobilindustrie hingegen sind viele Potenziale bereits ausgeschöpft, sodass der Fokus stärker auf Prozessoptimierungen oder strategische Anpassungen liegt.
  • Effiziente Beschaffung: Digitalisierung, Bündelung von Einkaufsvolumen und strategische Verhandlungen können moderate Einsparungen realisieren, die jedoch sorgfältig an den Marktbedingungen ausgerichtet sein müssen.
  • Flexiblere Arbeitsmodelle: Durch die Einführung effizienter Personalplanung, wie Homeoffice oder variable Arbeitszeitmodelle, lassen sich Personalkosten je nach Betriebsstruktur punktuell optimieren.
  • Digitalisierung und Automatisierung: Eine stärkere Automatisierung und die Nutzung datenbasierter Analyseinstrumente können Prozesse in Bereichen wie Logistik oder Produktion effizienter gestalten.

Die Potenziale für Kosteneinsparungen sind real, jedoch keinesfalls pauschal oder unbegrenzt. Jedes Unternehmen muss individuell prüfen, welche Ansätze auf Grundlage seiner spezifischen Voraussetzungen und strategischen Ziele umsetzbar sind. Dabei spielt das bestehende Exzellenzniveau eine entscheidende Rolle: Während einige Unternehmen bereits nahezu optimal aufgestellt sind, gibt es in anderen noch Spielraum für signifikante Verbesserungen. Eine differenzierte Herangehensweise und ein realistischer Blick auf die Möglichkeiten sind essenziell, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Marc Kloepfel, CEO der Kloepfel Group, hält fest: „Einsparpotenziale sind der versteckte Schatz vieler Unternehmen. Wer sie systematisch hebt, stärkt nicht nur seine Wettbewerbsfähigkeit, sondern schafft auch die Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Resilienz in unsicheren Zeiten.“

Fazit: Ein gemeinsamer Kraftakt für den Standort Deutschland

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erfordert einen gemeinsamen Kraftakt. Unternehmen sind bereit, Risiken einzugehen und in Forschung und Entwicklung zu investieren – vorausgesetzt, die Politik schafft verlässliche Rahmenbedingungen. Ein entschiedener Bürokratieabbau, der Ausbau der Infrastruktur und eine zukunftsorientierte Fachkräfte- und Rohstoffstrategie sind unerlässlich.

Insbesondere im Bereich der Fachkräfteanwerbung sind schnelle Anerkennungsverfahren, reduzierte bürokratische Hürden und eine stärkere Offenheit gegenüber internationalen Fachkräften entscheidend. Gleichzeitig sollten Freihandelsabkommen offensiv vorangetrieben werden, um den Zugang zu internationalen Märkten und Ressourcen zu sichern.

Nur durch ein abgestimmtes Handeln von Wirtschaft und Politik kann Deutschland seinen Ruf als innovativer Industriestandort bewahren und die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich meistern.

Autoren:


Dr. Stephan Hofstetter, Partner, Kloepfel Consulting


Nikolai Wiebe, Head of Consulting, EPSA Deutschland 

Redaktion: Christian Fischer

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