Die Frage der Zukunft: Wo die Probleme liegen und wie eine junge Initiative Abhilfe schafft

Die Frage der Zukunft: Wo die Probleme liegen und wie eine junge Initiative Abhilfe schafft

Abitur … und was dann? Diese Frage hat in den letzten Jahren weiter an Brisanz gewonnen. Noch nie zuvor gab es so viele verschiedene Bachelorstudiengänge in Deutschland: Seit 2008 hat sich die Zahl dieser von knapp 11000 auf mehr als 18000 vermehrt. Möglichkeiten und Angebote im Ausland zu studieren durch Erasmus, private und öffentliche Stipendien und andere Finanzierungsmöglichkeiten, sowie die Nachfrage nach Leuten die eine Ausbildung machen sind so zahlreich wie vermutlich nie zuvor. Zusätzlich dazu machen immer mehr Abiturabsolvent/innen ein Jahr Auszeit, zum Beispiel in Verbindung mit FSJs, Auslandsreisen oder Praktika. All diese Möglichkeiten sind einzeln gesehen gut: Theoretisch sollte bei diesem Angebot für jede und jeden etwas dabei sein. Allerdings geht durch die Einführung von G8 ebenfalls mit einher, dass Schüler/innen sich all diese Fragen zu einem (noch) früheren Zeitpunkt in ihrem Leben stellen müssen. Trotz des gleichzeitigen zahlreichen Angebots an Karrieremessen, Fähigkeitentests und Tagen der offenen Tür, brechen immer mehr Studienanfänger ihr Erststudium ab: Waren es 1999 noch knapp mehr als 24%, ist diese Zahl auf etwa ein Drittel angestiegen. Das lässt vermuten, dass große Teile der jungen Erwachsenen keine gute Basis an Informationen und Sicherheit in ihrer Entscheidung für einen bestimmten Weg finden, auch unter Außerachtlassen der „Scheinstudent/innen“.

Diese Statistik ist zunächst auf gesamtgesellschaftlich-ökonomischer, Ebene schockierend: Ein durchschnittliches Studienjahr eines/r Studierenden an einer staatlichen Universität kostet diese (und damit in weiten Teilen den Staat) 10790€. Allein die Abbrüche unter den etwa 500.000 Studienanfänger/innen 2019 werden also vermutlich eine direkte Belastung ohne klaren Gegenwert von etwa 1.5 Milliarden Euro darstellen. Dazu kommen noch die individuell getragenen Kosten für Materialien und mehr, sowie die „Opportunity Costs“ der vergangenen Möglichkeiten, die Zeit anderweitig zu nutzen.

Gleichermaßen sind diese Zahlen auf individuell-psychologischer Ebene bedenklich. Zahlreiche wissenschaftliche Studien beschreiben insbesondere den Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen, unter denen etwa ein Sechstel deutscher Student/innen leiden und Studienabbrüchen. Oftmals hängen diese mit Frustration über Leistungen und/oder Studieninhalte zusammen und könnten, zumindest in Teilen also durchaus vermieden werden. Gleichzeitig schaffen Studienabbrüche weitere Unsicherheit über die eigene Zukunft, die eigenen Stärken und den eigenen Weg.

Was also tun? 

Mit Wayweiser hat eine Gruppe junger Berufstätiger und Studierender aus dieser Erfahrung jüngst eine Initiative gegründet, die Abhilfe schaffen soll. Die Plattform verbindet Schüler/innen mit persönlichen Mentor/innen in ihren Wunschstudiengängen, Ausbildungen oder Anderem und an der/den Wunschuniversität(en) oder Fachhochschule(n). Diese tauschen sich dann in einem lockeren Gespräch per Mail, Telefon, Videoanruf, oder nach Corona persönlich aus. Darüber hinaus berät Wayweiser auf einem unkomplizierten und kostenlosen Weg Schülerinnen und Schüler, die noch unsicher sind, wo die Reise hingehen soll. Dabei basiert das Ganze auf ausschließlich ehrenamtlichem Engagement der Mentor/innen (und Wayweiser) und ist dementsprechend völlig frei von Drittinteressen oder Kosten für Schüler/innen. 

Dadurch eröffnet Wayweiser allen, die nicht von Haus aus Zugang zu einem extensiven Netzwerk haben die Möglichkeiten und Chancen eines Solchen und gibt Studierenden eine Plattform, um ihre Erfahrungen gewinnbringend an Interessierte weiterzugeben. Dieser Austausch mit „Gleichgesinnten“ soll ebenfalls helfen noch existierende Barrieren, beispielsweise im Bezug auf Genderklischees abzubauen und Jeder/Jedem die Möglichkeit zu geben sich in jedwede Richtung zu orientieren. Hier baut die Initiative erneut auf Befunde der Wissenschaft: Im Austausch mit einem Forscher zum Thema Karriereentscheidungen nach dem Abitur haben die Wayweiser einen weiteren "wunden Punkt" entdeckt: Viele Abiturient(inn)en treffen Entscheidungen bezüglich ihrer Zukunft unter starkem aktiven, aber vor allem passiven Einfluss (und Druck) der Eltern: Auch hier bietet Wayweiser eine Möglichkeit, sich außerhalb dieses Einflussbereichs valide Informationen und Gedankenanstöße seitens Dritter einzuholen und sich so gegenüber Möglichkeiten, die nie Thema zuhause waren aufzuschließen.

Netzwerk, Information, Austausch und Möglichkeiten für alle: Dieses Motto hat sich Wayweiser zur Aufgabe gemacht. Dabei ist Wayweiser ebenfalls ein Paradebeispiel, wie die Coronazeit sinnvoll genutzt werden kann. Zum einen haben sich die Gründer/innen diese zum Anlass für Wayweiser genommen, zum anderen scheint Wayweiser gerade in diesen Tagen noch wichtiger. Gerade nun fallen anderweitige Informationsmöglichkeiten wie Tage der offenen Tür oder Karrieremessen weg, die Zukunft schläft aber nicht: Auch in diesem Jahr werden wieder viele junge Erwachsene ein Studium anfangen. Und vermutlich werden ebenfalls viele es auch wieder abbrechen. Wayweiser zeigt allerdings, dass und wie Austausch eine Möglichkeit sein kann, dass diese Entwicklung so nicht weiter geht: Auf bessere Vorstellungen und Entscheidungen zur eigenen Zukunft.

Robert Max Lange

EU Policy Advisor on Renewable Energy and Climate | LL.M. European Law • B.Sc. PPLE

4 Jahre

Tolles Projekt!

Alexander Bonanni

Vice President Strategy & Projects

4 Jahre

Eine super gute Idee! Hätte ich damals gerne in Anspruch genommen 😉

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