Die Macht des Schweigens oder das Schweigen ist nichts für Lämmer (Teil 2)

Die Macht des Schweigens oder das Schweigen ist nichts für Lämmer (Teil 2)

Hätte ich doch nicht angekündigt, zu meinem letzten Text über das Schweigen käme eine Fortsetzung. Ich hätte jetzt meine Ruhe. So ist das mit der Ankündigungs-Kommunikation.

Si tacuisses, philosophus mansisses – das haben bereits die alten Römer gesagt. Weil ich mich aber nicht Philosoph schimpfe, reizt mich sehr die vielleicht sogar unterschätzte Disziplin «Schweigen in der Kommunikation». Weil, wie es schon Paul Watzlawick sagte: «Man kann nicht nicht kommunizieren». Und schon stehe ich vor dem ersten Problem: Will ich über das Schweigen sprechen, muss ich es brechen. Und bereits ist die Stille auf und davon.

In der Linguistik hat Schweigen ja nicht nur zwischen Wörtern, Satzteilen und Satzzeichen Platz, sondern es hat auch eine pragmatische Relevanz, weil Schweigen sowohl eine positive wie eine negative Wirkung hinterlässt. Das Schweigen unterscheidet sich vom Sprechen, weil es «den Sinn» bewahrt, die Fülle der Bezüge und Zusammenhänge, ohne sie auseinanderzulegen und in eine Abfolge zu bringen, wie es beim Sprechen und Schreiben erforderlich ist.

Gut am Schweigen ist also, dass du dein eigenes verbales Pulver noch nicht vollends verschossen hast. Denn das Verschwiegene kannst du immer noch aussprechen. Das Gesagte verschweigen ist nicht nur schwierig, nein, es ist gar unmöglich. Das Schweigen ist Teil der Verhandlungstaktik und damit ein machtvolles Kommunikationsmittel. Zumal dann, wenn eine Aussage erwartet wird. Und einfach geschwiegen wird. Weder ein Nicken noch ein Kopfschütteln, einfach ein Garnichts passiert. Eine lange Pause, in der Spannung aufgebaut wird. Das kann beim Gegenüber Unsicherheit oder Zweifel auslösen. Bis hin zur Verzweiflung. Ob das gut ist? Ich weiss es nicht. Oder in diesem Kontext: Ich schweige darüber.

Es gibt noch andere Schweiger als den machtvollen. Den eisigen zum Beispiel, der nicht nur im Winter im Einsatz ist, sondern mit Schweigen seine Ablehnung zum Ausdruck bringt. Den konventionellen, der in gesellschaftlichen Regeln gefangen ist oder schweigt, weils erwartet wird. Den ängstlichen, der etwas verbockt hat und aus Furcht vor Entdeckung schweigt. Den dolorösen, der im Schmerz schweigt. Den absichtslosen, der es versäumt hat, zu antworten oder den rätselhaften, der die anderen im Ungewissen lässt, weil vielleicht hinter seinem Schweigen gar kein Kalkül steckt, oder doch?

Habe ich noch einen Schweiger vergessen? Nebst Til? Vielleicht das Schweigen der Verlierer und das Schweigen der Lämmer. Das Schweigen der Liebenden, die vor lauter Vertrautheit in einem wohltuenden, verbindenden Schweigen schwelgen. Und allenfalls Jahre später in einem gelangweilten oder gehässigen Anschweigen enden.

Apropos anschweigen: Silben und vorangestellte Adjektive vermögen dem Schweigen nochmals einen Twist verleihen: Beschweigen, gerade das gemeinsame, fördert die Zusammengehörigkeit, weil alle etwas wissen, aber nichts sagen, wenn höchstens nur still. Verschweigen hingegen ist etwas, das das Wahre verbergen will, um Himmels Willen, ja nicht darüber sprechen, sonst kommt die Wirklichkeit ans Tageslicht. Zu dieser verschwiegenen Angelegenheit gehören auch das Ausschweigen und das Totschweigen.

So. Nun aber genug übers Schweigen geredet. Ich verabschiede mich stillschweigend für heut und wünsche euch allen eine ruhige Adventszeit.


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Martin Pütter

Support Information & Communication at The Office of Economy and Labour, Canton of Basel-Stadt (Amt für Wirtschaft und Arbeit BS)

2 Jahre

I like the picture... 🎣 🤣

Cornelia von Dewitz

Corporate Communication ¦ Marketing ¦ Digital Transformation ¦ Change Management

2 Jahre

Ja nicht Ruhe geben, Alexander! Danke für den Beitrag, das Aufzeigen der Dimensionen des Schweigens und die vielfältigen (bewussten oder unbewussten) Intentionen dahinter. Zu diesem Thema könnte ich eine ganze Replik schreiben. Tolles Bild auch!

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