Die neue Schule
Digitalisierung und Wertewandel erfordern ein Umdenken – die Grundlagen aber bleiben.
Gerade wird wieder einmal die Schule neu erfunden - zum wievielten Mal? (siehe David Precht in der NZZaS https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/richard-david-precht-fordert-eine-bildungsrevolution-ld.1502488)
Schülerinnen und Schüler sollen intrinsisch motiviert sein, selbst ihren Stunden gestalten, kooperativ und mit digitalen Tools lernen. So weit so gut, weil alt bekannt!
Aber Bildung ist im Kern ein persönlicher Entwicklungsprozess und mehr als nur sich Wissen aneignen und Techniken lernen. Gute Bildung befähigt den Menschen, zu sich selbst zu finden und in der Gesellschaft zu überleben. Ein gebildeter Mensch ist diszipliniert, konzentriert auf seine Tätigkeiten und bereit, durch hartnäckige Wiederholungen Fehler zu korrigieren und permanente Verbesserungen zu erreichen.
Lernen findet auch und vor allem ausserhalb der Schule statt.
«Die einzige Zeit, in der meine Ausbildung unterbrochen wurde, war meine Schulzeit.» sagte George Bernard Shaw. Was wir lernen ist weniger wichtig als dass wir lernen! Ob Programmierung, eine alte Sprache oder Algebra – solange unsere kognitiven Fähigkeiten in einem professionellen Lernprozess entwickelt und gestärkt werden, ist das eigentlich egal.
Nicht was wir lernen ist wichtig, sondern dass wir befähigt werden, zu lernen!
Lust und Laune
Motivation und Lust fördert das Lernen. Jede gute Lehrerin weiss, dass demotivierte Schüler nichts auf die Reihe kriegen. «Intrinsic learning» heisst das heute im einschlägigen Jargon. Unterstützen wir Lernprozesse mit spielerischen Elementen (neu-deutsch: Gamification) entstehen durch Erlebnisse nachhaltige einprägsame Erkenntnisse: Der erste Preis in einem Wettbewerb, aber auch ein simples Lernspiel jeden Tag kann uns Erfolgserlebnisse bereiten.
Aber Lernen allein ausgerichtet nach dem Lustprinzip verzerrt die Realitäten des Lebens, ohne Disziplin findet kein Lernen statt. In einer schnell sich ändernden Umwelt überleben setzt Lernfähigkeiten voraus. Und die Umwelt wird uns nicht fragen, ob wir eine neue Herausforderung mögen oder nicht – eine schmerzliche Erfahrung der heutigen Generation 50plus. Viele Angehörige dieser Altersgruppe hängen ab, weil sie sich nicht gewöhnt sind, ungeliebte Lern-Herausforderungen anzunehmen:
- «Ein ganzes Leben lang habe ich Zugbillete am SBB-Schalter gekauft ... warum soll ich nun eine App benutzen???»
Digitalisierung in der Bildung – Euphorie und Realität
Digitale Tools ermöglichen intelligente Problemlösung, ermöglichen schnellen Austausch mit Partnern und Kollegen und erschliessen weltweit Informationen in einem noch nie gekannten Masse. Auf allen Stufen der Bildung sind sie heute unverzichtbar.
Sie sind aber auch die mächtigsten Distractors («Ablenker»), die man sich nur vorstellen kann: Die Kombination von Schrift, Bild und Ton in Kombination mit laufenden Aktualisierungen von «News» und «Chats» ergibt eine toxische Mischung für die Zerstörung von Konzentration und Aufmerksamkeit. Man prüfe sich selber, wie oft während eines Tages das Smart-Phone on-line geht, ohne wirklichen Grund.
Digitale Tools sind Hilfsmittel im Lernprozess, aber sie ersetzen den Lernprozess nicht. Im Gegenteil: Unkontrolliert eingesetzt zerstören sie jedes vernünftige Lernen!
Nachdenken
Lernen muss geschehen im Wechsel von on-line und off-line, unter Nutzung der digitalen Möglichkeiten und Nutzung des menschlichen Gehirns, im Dialog mit sich selber und anderen Menschen.
Lernen geschieht durch Nachdenken! Nehmen Sie sich immer wieder diese Freiräume zum Denken – und tragen Sie es in Ihrer Agenda ein: Montag, 13.30 – 14.30 Uhr: Nachdenken.
Werner Inderbitzin
Ehemals Rektor der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
www.wernerinderbitzin.ch
Professor, former Director International Relations at OST, former Head International Relations ZHAW School of Management and Law, 35 years of expertise in international Higher Education Management.
5 JahreWunderbarer Artikel. Intelligent und feinfühlig.