Duell der Titanen: Gated vs Ungated Content im B2B Marketing!
Was man über die beiden Denkschulen wissen muss, um erfolgreich Leads zu generieren...
In diesem Artikel möchte ich mal ein brisantes Thema in der B2B-Marketing-Welt aufgreifen: 🔒 Gated Content vs 🌍 Ungated Content.
Bei dem "Duell der Marketing-Strategien" stehen sich - ähnlich wie beim finalen Showdown zwischen Iron Man und Captain America in dem Film "Civil War" - zwei Denkschulen gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Alles frei - oder nichts ohne Kontrolle?!
Doch für welche Methode soll man sich entscheiden? Braucht's eine Grundsatzentscheidung oder gibt's eventuell auch einen goldenen Mittelweg? Und: Was eignet sich am besten für ein B2B Unternehmen wie unseres?
Alles gute Fragen, auf die ich Antworten gesucht (und mittlerweile gefunden) habe…
Was genau ist eigentlich Gated bzw. Ungated Content?
Bevor wir uns auf die Diskussion einlassen, möchte ich zunächst klarstellen, wofür die beiden Begriffe stehen:
Gated Content bezeichnet Inhalte, die hinter eine "Paywall/Schranke" gesperrt wurden, d.h. sie sind nur dann zugänglich, wenn man vorher persönliche Informationen, wie z.B. die eigene E-Mail-Adresse, preisgibt. Whitepapers, E-Books, sowie Webinare und Online-Kurse sind prominente Vertreter dieser Strategie.
Ungated Content hingegen ist frei zugänglich und kann ohne jegliche Registrierung konsumiert werden. Blogartikel & Infografiken, aber auch Videos werden zumeist "uneingeschränkt" ausgespielt.
Schauen wir uns einmal die jeweiligen Vor- und Nachteile dieser beiden Strategien an...
Was spricht für Gated Content?
🎣 Qualifizierte Leads: Speziell im Inbound-Marketing wird Gated Content zur Generierung qualifizierter Leads eingesetzt. Damit lassen sich nämlich jede Menge wertvoller Kontaktinformationen sammeln, die es einem erlauben, die Zielgruppe noch besser zu verstehen und gezielt(er) anzusprechen.
📊 Besseres Tracking: Wenn sich die User an den diversen Touchpoints "outen" müssen, ist es auch leichter deren Interaktionen und den Erfolg der geteilten Inhalte zu verfolgen. Wer eine bestimmte Anzahl an MQLs (Marketing Qualified Leads) pro Monat liefern muss, kommt ums Tracking nicht herum.
💼 Zielgerichtete Folgeaktivitäten: Wer auf diese Weise viele Daten gesammelt hat, kann dann genauer auf die (vermeintlichen?) Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen eingehen und maßgeschneiderte Marketingkampagnen entwickeln (wir sagen gerne "nurturing" dazu) oder konkrete Vertriebsaktivitäten anstoßen.
Welche Vorteile bietet Ungated Content?
📢 Höhere Reichweite: Je weniger Zugangshürden es gibt, desto breiter das Publikum, das man theoretisch erreichen kann. Das macht die virale Verbreitung von Inhalten überhaupt erst möglich.
😃 Positive Nutzererfahrung: Viele User finden es angenehm, wenn ihnen freier Zugang zu wertvollen Inhalten gewährt wird. Die Chance ist hoch, dass sich diese positive Experience auch auf die unteren Stufen des Verkauf-Trichters überträgt und die User von sich aus beim Unternehmen "anklopfen", wenn die Zeit für die Kaufentscheidung reif ist.
🚀 Ranking in Suchmaschinen: Frei zugängliche Inhalte werden auch von Suchmaschinen leichter indexiert und können dadurch das organische Ranking der Webseite verbessern, die den Inhalt hostet - und damit auch mehr Traffic generieren.
Fazit: Wo Licht ist, ist auch Schatten
Es ist fast auf den ersten Blick zu erkennen: die Vorteile der einen Strategie entsprechen auch gleichzeitig den Nachteilen der anderen. Wir müssen also abwägen, welche Maßnahme im jeweiligen Fall erfolgversprechender ist...
Bei Canon setzen wir im B2B Umfeld seit etwas mehr als 5 Jahren auf eine Marketing Automation Lösung (mehr dazu gerne hier). Was mit derartigen Systemen einhergeht, ist oftmals die Empfehlung, möglichst viele Leads via Gated Content zu generieren.
Eh klar, denn je mehr Daten ich sammle, desto fundierter fallen die Entscheidungen aus, die ich auf Basis dieser Informationen treffen kann.
Unser zentrales DLG-Team (Demand-Lead-Generation) empfiehlt daher ausdrücklich den Einsatz von sogenannten Progressive Forms, bei denen wir bei jeder Interaktion etwas mehr über unsere Besucher erfahren: weil bereits bekannte Datenfelder (z.B. Anschrift) bei jedem neuen Besuch durch andere (wie bspw. Branche, Firmengröße, Telefon-Nummer, etc.) ersetzt werden.
So bleiben die Formulare halbwegs kompakt, aber man lernt stetig hinzu. Und ja, das ist auch aus der User-Perspektive ganz praktisch.
Allerdings bleibt da immer noch das grundsätzliche Dilemma:
Will ich als User überhaupt (noch) irgendwelche Daten hergeben, nur um bspw. ein Whitepaper herunterzuladen?
Ist das heute noch zeitgemäß?
Zu oft ist es mir als Marketing-Entscheider eines internationalen Konzerns schon passiert, dass ich nahezu unmittelbar nach dem Download kontaktiert wurde, um „meinen Bedarf zu konkretisieren“ - dabei hab‘ ich das Whitepaper vielleicht noch nicht mal gelesen…
Ich versteh‘ ja, dass AQLs (Automation Qualified Lead) zeitnah zu MQLs (Marketing Qualified Lead) und SALs (Sales Accepted Lead) werden sollen (hier die Definitionen dazu), aber das heißt nicht, dass man gleich jeden E-Book Download direkt als „Hot-Lead“ an Sales eskalieren muss.
Denn so ein „Leerschlag“ führt mit Garantie nicht zum gewünschten Erfolg, sondern nur zu Frustration auf allen Seiten... bei Marketing, Vertrieb und bei den Kunden!
Speziell, wenn die Marketing-Abteilung nach Anzahl MQLs/Periode bewertet wird, kann das schnell problematisch werden. Wir haben das bereits früh für uns erkannt und zeitnah auf gemeinsame (Sales-)Ziele umgestellt.
Unser Pan-Europäische Marketing-Head hat dazu eine klare Meinung:
The Purpose of Marketing is to generate (new) business, not leads.
Das Gating-Dilemma: ein Balanceakt zwischen Messbarkeit & Effektivität
Unbestreitbar: Gated Content unterstützt dabei, „qualifizierte“ Leads zu generieren, indem Besucher:innen dazu aufgefordert werden, ihre Kontaktinformationen (und manchmal auch mehr) preiszugeben.
Gut wär’s natürlich, wenn die angebotenen Inhalte qualitativ so hochwertig sind, dass die Interessenten gerne dazu bereit sind, dafür mit Informationen wie deren E-Mail Adresse oder Jobtitel zu bezahlen.
Das hat vor allem in der Vergangenheit sehr gut funktioniert (2014 haben stolze 80% aller Contents eine Registrierung vorausgesetzt), um bspw. E-Mail-Listen für Newsletter aufzubauen und gezielte Folgemaßnahmen einzuleiten. Ganz nach dem Amazon-Vorbild: Kunden, die das gekauft/heruntergeladen haben, interessieren sich auch häufig für…
Wir stellen aber fest: je mehr (durchschnittlicher) Content zu einem Thema verfügbar ist, und je früher im Buying-Cycle wir uns befinden, desto schwieriger wird es, dafür Daten zu bekommen. ChatGPT (1,8 Mrd. Zugriffe im April 2023) und Co. werden für eine regelrechte Content-Explosion sorgen - Gartner erwartet, dass bis 2025 rund 30 Prozent der Marketingbotschaften großer Unternehmen synthetisch erzeugt werden (letztes Jahr waren es noch keine zwei Prozent).
Empfohlen von LinkedIn
Es war seit Jahren abzusehen: immer weniger Prospects wollen mittels Outreach-Strategie kontaktiert werden! Übers Telefon eigentlich gar nicht (mehr), und auch nicht via E-Mail. Die User sind heute selbstbestimmter geworden, sie geben vor, wann und wie sie mit einem Unternehmen in Kontakt treten wollen - und wann nicht. Die Anzahl ungültiger Einträge in Marketing Automation-Systemen ist ein klarer Indikator.
Ich gestehe: früher hab‘ ich selbst auch gern mal die eine oder andere Fake E-Mail Adresse wie no.spam@mail.pls angegeben… das hat auch einige Zeit funktioniert - bis die E-Mail Validierung mittels Double Opt-In Verfahren eingeführt wurde.
Kein Wunder also, dass Tools wie „10-Minutes-Mail“ wie Schwammerl aus dem Boden schossen. Das sind E-Mail-Dienste, mit denen ein Double Opt-In-Prozess untergraben werden kann, weil sie es ermöglichen, eine temporäre Wegwerf-Adresse für die Anmeldung und die anschließende Bestätigungs-E-Mail zu nutzen. Follow-Up Aktivitäten, sog. Nurture-Mails, landen dann natürlich im Nirvana. Clever, aber ärgerlich!
Um dem entgegenzuwirken, reagierten manche Unternehmen mit dem Ausschluss von bestimmten, häufig für Privatzwecke genutzte Domains (z.B. @gmx.de). Auch wieder mühsam - oder teuer, wenn man auf Echtzeit-Validierungslösungen setzt.
Aber braucht es das gegenseitige Wettrüsten überhaupt?
Wär’s nicht (ohnehin) besser, wenn die User sich von selbst melden, weil sie an einem Kauf interessiert sind? Im Inbound-Marketing sprechen wir hier bezeichnenderweise vom „Hand-Raiser“ - also von jemanden, die/der buchstäblich „die Hand hebt“, um zu signalisieren, dass sie/er Kontakt mit jemanden vom Vertrieb aufnehmen möchte.
Wenn Ungated Content also nur stark genug ist (Frage: "Was ist eigentlich guter Content?"), reicht das zur Geschäftsanbahnung nicht (ohnehin) aus?
In unserem CRM triggern jedenfalls nur noch Kontaktformulare eine unmittelbare Follow-Up Aktivität auf Vertriebsseite. Alle anderen „Digital Activities“ werden zwar ggfs. erfasst, lösen aber keinen Leadprozess aus.
Ist Ungated Content nun der „King im Ring“?
Die schnelle Antwort: ein klares Jein!
Ungated Content hat definitiv seine Vorteile: insbesondere in Bezug auf das Erreichen einer breiteren Zielgruppe und die Verbesserung der Markenbekanntheit.
Aber das reicht eben nicht immer aus, um konkrete Geschäftsbeziehungen anzubahnen.
Wenn ich gar keine Kontaktdaten habe, tu‘ ich mir schwer, selbst den ersten Schritt zu gehen.
Dadurch könnten viele potenzielle Leads verpasst werden. Vor allem jene, bei denen der „Schmerz“ noch nicht groß genug war. Verpasste Gelegenheit?
Die Entscheidung, welche Assets gated und welche ungated angeboten werden sollen, hängt daher vielfach von den Marketingzielen, der Art des Inhalts und der Zielgruppe ab.
Wenn’s um Reichweite & Engagement geht, ist man mit frei zugänglichen Inhalten oft besser dran. Dazu zählen:
Die eignen sich auch bestens für den oberen Funnel-Bereich, d.h. die frühen Stadien im Buying Cycle. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von Demand Generation.
Umgekehrt spricht einiges dafür, umfangreiche, gut recherchierte und hochwertige Inhalte (Achtung: ich hab‘ hier 3 Qualitätskriterien genannt :-) hinter eine Registrierungsbarriere zu legen - denn sie sind bestens geeignet, um erste Kontaktinformationen von möglichen Interessenten zu sammeln (d.h. Lead-Generation).
Die Datensammelwut bei Whitepaper & E-Books gilt‘s aber definitiv im Zaum zu halten. Viel mehr als eine (hoffentlich geschäftliche) E-Mail Adresse sollte man daher meines Erachtens beim Erstkontakt nicht einfordern.
Ja, ist blöd, weil man keine „ordentliche“ Anrede im E-Mail zusammenstellen kann, aber das Vertrauen muss man sich halt erst aufbauen. Je nachdem wie weit ich in meiner Customer Journey vorangekommen bin, bzw. wie gut man mich bisher mit Informationen versorgt hat, steigt auch meine Bereitschaft als User mehr von mir herzugeben.
Weitere Gated Content Klassiker sind:
Was ich auch mehr und mehr beobachte, sind individuelle Webplattformen, wie die Smart Links des LinkedIn Sales Navigator. Die haben den Vorteil, dass ich als Versender tracken kann, wer wie lange welches Asset angesehen bzw. heruntergeladen hat.
Genial, um den richtigen Nachfass-Zeitpunkt nach einer Kundendemo oder der Angebotszustellung zu finden, aber anstrengend, wenn ich mich bloß mal umschauen bzw. orientieren wollte. Für early buying stages also eher ein No-Go.
Ich persönlich schau mir lieber ein ungelistetes YouTube-Video an, als eine Vidyard-Videobotschaft über einen Tracking-Link aufzurufen. Auch bit.ly-URLs stimmen mich ein bisschen skeptisch. Euch doch auch, oder?
Daher mein Tipp: Wertschätzung zeigen! Macht deutlich, dass ihr Datenschutz sehr ernst nehmt und ausschließlich relevante bzw. wertvolle Informationen zusendet.
Der richtige Mix macht‘s
Da wir alle Vor- und Nachteile der jeweiligen Content-Strategie kennen, möchte ich nun explizit festhalten, dass Gated Content nach wie vor ein wertvolles Werkzeug in der Marketing Toolbox bleiben sollte - aber eben nur dann, wenn’s auch wirklich angemessen ist.
Im Zweifelsfall: lieber ohne!
Mit den richtigen Tools und Prozessen kann Ungated Content dabei helfen, das Marken-Bewusstsein zu schärfen und das User-Engagement zu fördern, während Gated Content dazu beiträgt, Leads eben als solche zu identifizieren und besser zu qualifizieren.
Die Erfahrung zeigt: die Wahl zwischen Gated und Ungated Content hängt von den spezifischen Zielen und Bedürfnissen des eigenen Unternehmens ab.
Für uns ist im Moment die sinnvolle Kombination aus beidem - mit einem leichten Überhang zu Ungated Content - die beste Lösung.
Wie ist das mit euch: Wo liegen eure Whitepaper? Seid ihr Team-🔒 oder Team-🌍?
💬 Lasst es mich in den Kommentaren wissen oder kommt mal vorbei und wir diskutieren bei einem Kaffee weiter… ich würd’ mich freuen.
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7 Monate🟡Coole Sache, Matthias. Danke fürs teilen!
Sales Manager Region Ost bei Canon Austria GmbH | Prozessoptimierung
1 JahrMatthias, wie immer ein toller Beitrag zu einem herauforderneden Thema! Persönlich sehe ich Gated Contet eher kritsich. Nur weil ich Interesse an möglichen Informationen bekunde (White Paper,...), möchte ich dann nicht mit einer Kontaktwelle überhäuft werden (Mails, Call Center, Vertriebspersonen die einem "Lead" nachlaufen,...). Ich breche, privat als auch beruflich (fast immer 😉), bei dem Wunsch nach meinen Daten ab...so wichtig ist es dann meistens auch nicht. Die Herausforderung bei Leadgenerierung für B2B Marketing ist es, relevante Touchpoints zu setzen und entlang dieser Punkte "interessierte" B2B Kunden zu begleiten...auch können Markenbotschafter auf z.b. LinkedIn Beiträge und auch Arttikel posten um Reichweite und Leads zu generieren. Denken wir daran, wir werden schon so überflutet mit digitalen Inhalten -> digitale Ermüdung.
Inbound Marketing Pioneer | Founder and Managing Partner @ takeoff Inbound Marketing Agentur
1 Jahrmatthias haberler Da hast du dir aber viel Arbeit gemacht. Ich denke, dass man relativ gut beides gleichzeitig machen kann. Beides muss aber verdammt gut sein.
B2B Marketing Solution Business @CanonAustria | Podcast Host 'The Voice of B2B Marketing' | Content Creation, Awareness Marketing, Social Selling 💬🙌🏻 #GernePerDu
1 JahrDanke, Matthias, für dieses Duell der "Strategien" 😅 Die Entscheidung läuft wohl entlang des Contents selbst: je detaillierter, desto eher wird jemand bereit sein, Daten dafür einzutauschen - vorausgesetzt der Content hält dann, was er verspricht, wie Wolfgang schön angemerkt hat. Somit (einmal mehr) eine Abwägung von Fall zu Fall. 👉🏻💬📃
Gestalten mit Fantasie und Leidenschaft!
1 JahrDanke für die gute Übersicht der Pro`s und Con`s. Aus dem Bauch (dem ich noch immer am meisten vertraue ...) neige ich in diesen Marketingzeiten zu "Ungated" als Standard-Approach - warum? Als Zieladressat will ich nicht mehr extra meine Daten hergeben (mir genügen schon die diversen Stalking-Mails entlang meiner Cookies) und ich weiß im Vorhinein ohnehin kaum, ob der Content hält, was er verspricht (zB Studien gibt`s zuhauf, sie sind natürlich interessengesteuert und welchen will ich glauben ...? Fazit: Das Marketingleben samt seinem digitalen Wettrüsten bleibt spannend!