Endlich- Gedanken zum Totenmonat November
„Endlich!“- Gedanken zu Allerheiligen
Der November gilt als der Monat, an dem wir an Allerheiligen und Allerseelen an unsere Verstorbenen denken und uns selbst mit der Vergänglichkeit des eigenen Lebens auseinandersetzen.
Vor einiger Zeit las ich von einem Grab, das sich auf dem Lainzer Friedhof von Wien befindet. Auf dem Grabstein stand nur das eine Wort: „Endlich!“. Was wollte der Verstorbene oder seine Angehörigen mit diesem unscheinbaren Wort zum Ausdruck bringen? Wir werden es wohl nie herausfinden können. Jedenfalls lädt dieses kleine Wörtchen „endlich“ zum Nachdenken ein.
„Endlich“ kann bedeuten, dass eine lang empfundene Wartezeit; eine Zeit ungeduldigen Wartens, der Verzögerung, des Zweifelns, des ungewollten Aufenthaltes, des Staus der Gefühle, der Anspannung, zu Ende gegangen ist. Mit „endlich“ kann man etwas Befreiendes und Erlösendes von einem qualvollen oder belastenden Zustand assoziieren: bedrückende und einschnürende Lebenssituationen zum Beispiel, die sich endlich auflösen. „Endlich“- spätestens im Tod- ist auch der Lebenskampf, die Konkurrenz, das Rennen, Hasten, die Anspannung in der Arbeit oder der Druck unglücklicher Beziehungen vorbei…sie sind endlich und werden eines Tages an ihr Ende kommen. Oder ein langer, mühevoller Sterbeprozess findet seine Erlösung im Tod.
„Endlich“ hat etwas Tröstliches, indem es auf die Endlichkeit von allem Schweren, Belastenden, Traumatischen und Schmerzvollen verweist. So als wollte das Wörtchen tröstend sagen: Deine Schmerzen, Krankheiten und Einschränkungen werden nicht ewig dauern, sie sind wie das „Böse“ in uns und in der Welt endlich. Sie sind begrenzt und werden eines Tages aufhören!
„Endlich“ lässt sich aber nicht nur verstehen, dass ich etwas losgelassen habe oder von etwas Schwerem befreit bin, sondern im Sinne, dass ich etwas gefunden habe. Es geht nicht nur ums Loslassen, sondern auch ums Finden (wie auch im Sterbeprozess): Endlich am Ziel! Endlich in der Heimat! Endlich frei! Endlich ist alles weit, leicht und licht geworden in meinem Leben. Endlich erfüllen sich Erwartungen und tiefe Sehnsüchte. Der Liederdichter Lothar Zenetti drückt es in einer modernen Version von Psalm 126 in einer religiösen Sprache so aus: „Wenn Gott uns heimbringt/aus den schlaflosen Nächten/aus dem fruchtlosen Reden, /aus den verlorenen Stunden, /aus der Jagd nach dem Geld,/ aus der Angst vor dem Tod,/aus Kampf und Gier/- Wenn Gott uns heimbringt, das wird ein Fest sein!“ (Lothar Zenetti: Wie ein Traum wird es sein. Texte der Zuversicht, 2016)
Das Wörtchen „endlich“ hat auch etwas Beruhigendes für unser Mühen im Sinne: Denk daran, dass dein Leben endlich ist, übernimm dich nicht mit deinen Anstrengungen, hänge Deine Ziele nur so hoch, dass du sie in deiner begrenzten Lebenszeit erreichen kannst und dich nicht dabei erschöpfst und ausbrennst.
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Zugleich hat das Wörtchen „endlich“ aber auch etwas Aufmunterndes und Herausforderndes an die noch Lebenden: Dein Leben ist endlich- also verschlaf und versäum dein Leben nicht, mach etwas daraus oder in den Worten von Elmar Gruber: „Mach etwas aus deinem staubigen Leben, bevor du dich aus dem Staub machst.“ Denn „…Noch duftet die Nelke /singt die Drossel /noch darfst du lieben/Worte verschenken/ noch bist du da/Sei was du bist/Gib was du hast// (Rose Ausländer, Mein Atem heißt jetzt, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1981)
Wer von „endlich“ redet, muss zumindest eine Ahnung von „unendlich“ haben.
Die Religionen, insbesondere der christliche Glaube, sprechen vom ewigen Leben, gemeint ist damit nicht eine unendliche Verlängerung unseres zeitlichen Daseins, sondern ein von Gott geschenktes unzerstörbares, nicht endendes zeitloses Leben (griech. zoe) im Unterschied zum irdisch vergänglichen und sich erschöpfenden Leben (griech. bios und psyche).
Sowohl Juden wie Christen haben in ihren Gotteshäusern ein sogenanntes „ewiges Licht“. Das katholische Totengebet spricht vom ewigen Licht, das den Verstorbenen leuchten soll; die Rede vom ewigen Licht, das nicht wie irdische Kerzen abbrennt, kann symbolisch an die beständige Gegenwart Gottes für unser Leben erinnern und uns über letzte irdische Lichter hinaus leuchten.
Gustav Schädlich-Buter
TRANSART | u.a. Deutscher Kritikerpreis für Bildende Kunst, Berlin 1979 | MoMA PS1-Stipendium New York 1982/1983
3 WochenDanke, lieber Gustav, für Deinen 'erhellenden' Text!