„Für die Krankenhaus-IT gibt es ohne offene Struktur keine Zukunft“
Die Fachpublikation kma Online diskutiert in einem aktuellen Artikel über die Ablösung der KIS-Systeme in vielen Krankenhäusern. Sie erfüllen schlicht die Interoperabilitätsstandards nicht oder aber die Hersteller stellen in absehbarer Zeit den Support ein. Die große Frage des Artikels: Wie können Kliniken diese Herausforderungen stemmen?
Aus meiner Sicht gilt es zunächst, den großen Investitionsstau in den Kliniken abzubauen. Natürlich ist das eine Mammut-Aufgabe – vor allem während des laufenden Betriebs. Es ist jedoch genau diese Basis, die bereit sein muss für Innovationen. Wer hier zu spät dran ist, verpasst den Anschluss an die neue Welt. Wir alle erleben im Privaten, wie sehr die Digitalisierung unser Leben verändert, vereinfacht, aber auch schnelllebiger macht. Wer da noch in Silos oder – übertragen auf den Klinikalltag – ausschließlich in Fachrichtungen denkt, wird ganz sicher abgehängt. Einzelne, rudimentäre Lösungen, die nicht miteinander kommunizieren, sind schlicht und ergreifend nicht länger tragbar.
Welcher Digitalisierungsgrad ist heute in Krankenhäusern also nötig und möglich?
Es war auch vorher schon deutlich, wurde durch die Corona-Krise aber noch einmal verschärft: Unser Gesundheitssystem braucht für die Herausforderungen der Zukunft einen höheren Grad der Digitalisierung. Könnten wir schon heute Daten anstatt Patienten beispielsweise zwischen Hausarzt und Klinik austauschen, wären wir vielleicht im Verständnis von Covid-19 schon einen Schritt weiter. Denn letztendlich sorgt ein höherer Digitalisierungsgrad dafür, dass sich die Patientenversorgung verbessert – unabhängig davon, wo dieser sich gerade befindet – und wir wichtige Erkenntnisse für Forschung und Entwicklung gewinnen.
Dabei gibt es zwei wichtige Aspekte, auf die wir uns in Hinblick auf einen höheren Digitalisierungsgrad fokussieren müssen: Ärzte und medizinisches Personal müssen sich auf ihre Patienten und deren Versorgung konzentrieren können und nicht aufgrund fehlender digitaler Prozesse andere Themen bearbeiten müssen. Das heißt zum anderen, dass es Zeit wird, dass Investitionen in mehr Personal und vor allem auch in Innovationen fließen, anstatt ineffiziente Prozesse durch deplatzierte finanzielle Mittel weiter am Leben zu halten.
Wo muss man ansetzen, um den Digitalisierungsgrad zu erhöhen?
Ganz wichtig ist es mir an dieser Stelle, zu betonen, dass wir keinesfalls vor einem reinen IT-Projekts stehen. Soll die Digitalisierung in Kliniken und Versorgungseinrichtungen gelingen, sprechen wir über einen Change Prozess, für dessen Erfolg vor allem die Mitarbeiter „an Bord“ sein müssen. Wir dürfen nicht vergessen: Die umfassende Digitalisierung unseres bestehenden Gesundheitssystems ist kein kleines Update. Sie ist eine Evolution. Wir können also nicht einfach über Nacht das System runterfahren und am nächsten Morgen neu starten. Soll die Evolution gelingen, ist die Führung genauso gefragt und eine enge Zusammenarbeit mit den Anbietern von Primärsystemen von großer Bedeutung. Kurz: Wir sprechen immer über ein Gemeinschaftsprojekt und ein Zusammenspiel der verschiedensten Akteure. Zwar stehen der Patient und seine Versorgung im Mittelpunkt. Digitalisierung ist dabei jedoch kein Selbstzweck. Sie muss auch dem Klinikpersonal auf allen Ebenen einen Mehrwert bieten und den Kliniken selbst wirtschaftliche Vorteile bringen oder die wichtigen Investitionen werden gar nicht erst getätigt.
Offenheit ist ein Muss
Für das Gelingen dieser buchstäblichen „OP am offenen Herzen“ sind offene Strukturen essentiell. Sie sind ein Muss – hier bleibt kein Raum für Diskussionen. Ohne offene Strukturen gibt es für die IT in Kliniken und Versorgungseinrichtungen keine Zukunft. Und auch das wird in der aktuellen Corona-Situation noch einmal deutlich: Die Versorgung der Patienten ist immer ganzheitlich und schließt eine Menge handelnder Akteure ein. Der Hausarzt, der einen Patienten mit Verdacht auf Covid-19 an ein Testzentrum oder eine Klinik überweist, muss in der Lage sein, wichtige Untersuchungsergebnisse oder die Krankenvorgeschichte übermitteln zu können. Genauso wichtig ist es, dass er zeitnah erfährt, ob sich der Verdacht bestätigt hat, sodass er für seine Praxis entsprechend reagieren kann. Gleichzeitig muss die Information eines neuen bestätigten Falls den Behörden gemeldet werden. Und idealerweise erhalten auch jene Wissenschaftler die Patientendaten – natürlich anonymisiert und datenschutzkonform –, die an Medikamenten und Impfstoffen arbeiten.
Und genau das ist das Prinzip, das wir bei m.Doc seit Gründung verfolgen: Eine offene Struktur, die Austausch, Interaktion und Kommunikation ermöglicht.