Frauen in die IT, oder wie gucke ich mir den Kaffee heiß?
Achtung, hier schreibt eine Frau. Und die sind ja einigermaßen bekannt dafür, ihre Gedankensprünge auch gerne mal verschlüsselt zu präsentieren. Oder ist das wieder mal so ein typisches Vorurteil?
Ich weiß gar nicht, wo ich mit diesem Artikel hinsoll. Ob es ein Loblied, eine Verzweiflungsschrift, oder eine Heul-Arie wird. Ach, nix von all dem, sonst liest es ja wieder keiner.
Eins ist aber klar, meine Zeilen entstammen meiner Erfahrung, meiner Wahrnehmung und meiner Hoffnung! Und bitte, nochmal, es ist eine Wahrnehmung, eine Patentlösung biete ich hier nicht und ich will hier auch keine "Whataboutism"-Diskussion einläuten. Aber es könnte ein Denkanstoß sein.
Ich bin eine IT-Liebhaberin
die typische Quereinsteigerin in die IT, und hab dabei ursprünglich so gar nix damit am Hut gehabt. Ich komme aus einem abgebrochenen Kunststudium in München, weil ich nicht der Pinselaffe meiner Professorenriege werden wollte und Hotelfach-Lehre, mit so diversen Fortbildungen und Ausbildereignung für das Fach. Ich wurde damals als Neuheit nach meiner bis dahin gut verlaufenen Hotelkarriere, die mich bis ins Management beförderte, umgeschult, weitergebildet auf „Telearbeit“ – heute nennt man das glaube ich Arbeitswelt 4.0 Remote Work.
Ich habe Codezeilen noch auf schwarzem Bildschirm fliegen sehen, habe im Schnellflug gelernt, wie man Rechner aufsetzt und Festplatten noch im DOS Modus löscht. Blut geleckt in HTML, CSS, Design bin ich in die Selbständigkeit gegangen – habe fast 22 Jahre Firmen in Englisch geschult, 10 Jahre Webseiten gebaut, und Menschen beigebracht, dass Rechner wie junge Hunde sind, die nur darauf warten, für uns etwas zu tun. Auch wenn es für manche armen Seelen vor dem Bildschirm nicht so scheinen mag. Heute bin ich Trainerin und Projektmanagerin in einem feinen, kleinen Bildungsinstitut in Bremen, und liebe meinen Job über alles. Ja, wirklich! Vor allem unser Projekt, mittlerweile kennt man uns – man kennt:
„Frauen starten digital durch“
Meine großartigen Kolleginnen und Kollegen und ich sind diejenige, die 4 Wochen lang dafür sorgen, dass sich Frauen eine Karriere in die IT vorstellen können.
Wir erreichen, dass Frauen, die anfänglich mit leicht mattem Blick und ehrfürchtig zarten Tippern auf der Tastatur das Mysterium PC und IT kennen und nicht mehr fürchten lernen.
Wir sind diejenigen, die den Frauen die Karrierechancen in dieser wunderbaren Welt der IT unter immer größer werdenden Augen präsentieren.
Wir entlocken die stolzen Juchzer und kollektive Freude, wenn die ersten Programmierzeilen den Staffelstab aus der Hand des Rechners auf die Frau vor dem Bildschirm transformieren.
Wir festigen in den Frauen, die bereits die erste Liebe zur IT hinter sich haben, ihre Vorhaben, entweder in der Anwendungsentwicklung oder Systemintegration oder Mediengestaltung oder Webdesign oder anderen breit aufgestellten IT-Felder Fuß fassen zu wollen.
Ich sage mit Stolz auf „meine IT-Ladies, meine IT-Girls“ und "Women can do IT", denn unser Team und ich haben mittlerweile über 120 Frauen in kleinen Gruppen je 4 Wochen gestärkt!
Der Output? Ein kleiner Teil meint, dass die IT in der Zeit zwar spannend war, aber als Beruf nicht in Frage käme. Aber:
85 % der Frauen wollen ihre Karriere in die IT starten!
Ausrichten, weiterbilden, umschulen, aufsatteln, - um sich der schönen neuen Arbeitswelt 4.0 zur Verfügung zu stellen, das ist der Wunsch, der Traum, der Gedanke, die Idee, das Vorhaben!
Und dann… ja, dann kommt viel zu oft … NICHTS!
Oftmals heißt es: Aus, der Karriere-Traum!
Warum?
Platt gesagt: es kam Corona- die Firmen stellten keine Praktika zur Verfügung, die Leistungsbezüge liefen aus und die Anschlussqualifikation war zu lang hin, die Plätze der Umschulungen belegt, der häufigste Grund allerdings: keine Kinderbetreuung, die sichergestellt wäre.
Es ist in Sachen Kinderbetreuung zugegebenermaßen eine Frage des charakterlichen Strickmusters, wie festzustellen war: Wer hat den Biss, und setzt den Willen durch, organisiert knallhart die Angehörigen und eventuellen Leistungsträger im Familienverbund, versammelt sie um einen Tisch und verkündet:
„So, Leute, ich will eine Umschulung machen, das bedeutet für euch: mitarbeiten: Wir machen jetzt einen Plan, wie es funktionieren kann. Gemeinsam!“
Manche tun es – manche nicht.
Weil sie sich nicht trauen, es sich nicht leisten können, die Familien einfach mal zwei oder drei Jahre nach hinten zu setzen. Weil sie keine lückenlose Betreuungsmöglichkeit für die Kinder haben, um sich so auf ihre neue Lebensphase zu fokussieren. Weil sie geeicht sind auf die Annahme, die Frau muss sich um das häusliche Wohl kümmern nebst Angehörigen kümmern. Konditionierung ist neben vielen ein großes Thema, das wir in unserem Workshop adressieren.
Das war Wahrnehmung Nummer eins.
Kommen wir zu Nummer zwei: Was sagt denn die Realität in dem schönen Konstrukt. Frauen in die IT – und vor allem Quereinsteiger/-innen?
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Ich lese sie, ich höre sie, ich sehe sie: die wunderbaren Diskussionen und Ansätze: wir brauchen mehr Frauen in der IT, auch Quereinsteiger/-innen! Gespräche, Artikel, Interviews, Programmentwürfe, Treffen zu diesem Thema, runde Tische, auch mal eckige- so wie manche Köpfe um diese herum. So weit weg von meinen Ladys. Keine Firma, die sich einbringt, ein Programm mit uns zu stricken, das meinen Frauen danach eine Chance gibt, ohne gleich eine komplette Umschulung zu machen. Keine Antwort von Firmen auf meine Anfragen zur Kooperation. Und bitte, das ist kein Company-bashing, falls eine gerade lesende Firma jetzt entrüstet die Luft einzieht. Ich habe dafür weiter unten eine Antwort.
Und das ist meine Wahrnehmung Nummer zwei!
Ich verbinde beides, dann haben wir das Alpha und das Omega:
Meine Frauen als das Alpha, die teilweise unbeleckt leuchtende Augen für IT produziert bekommen, SIND die Quereinsteigerinnen, die sich fortbilden wollen, und das Omega sind die Firmen, die Planstadt der Verbände, Parteien, Interessensgruppen und unzweifelhaft der Frauenvertretungen der diversen Ressorts. Sollte ich jetzt eine wichtige Stabsstelle oder eine immens entscheidende Partei ausgelassen haben, möge man mir das als unverflochtener DAU* verzeihen. (*DAU= Dümmster anzunehmender User – IT-Jargon)
Laut unserer Sprache ist es auch das A und O. Aber zwischen A und O gibt es die entscheidende Umsetzung, damit ich von A nach O komme.
Da stehen immer noch die praktisch umsetzbaren Projekte (im Weg).
Wie können Frauen ihre Kinderbetreuung zum Karrierewechsel sichern?
Achtung, Firma: wieder ausatmen: Wie kann man einer Firma, die selbst am untersten dünnen Rand einer Personaldecke strickt, weil sie wirtschaftlich arbeiten muss und die Kosten explodieren, zumuten, sich eine eventuell völlig unbeleckte, angehende ITlerin ins Haus zu holen, und sich adäquat um sie kümmern, am besten mit Inhouse-Schulung und/oder Ausbildung, die auch noch anständig vergütet wird. Denn Lehrlingsgehälter können die Frauen, die umsteigen wollen, sicher nicht gebrauchen!
Wie ist es denn tatsächlich um die Pools an Firmen bestellt, die den gewillten Frauen eine Karriere mit einigermaßen ruhigen Gewissen, was Kind und Kegel angeht, ermöglichen könnte? Natürlich gibt es das feine Modell: Umschulung, direkt einen Praktikumsplatz und einen garatierten Job nach der Umschulung im selben Betrieb, oder Dachverband. Und wer da nicht drin ist? Es muss anders und individueller gehen!
Tja. Und wer solls richten?
Ist der vehemente Schrei nach ausschließlich der Politik der richtige Weg? Wenn ich in meinem kleinen Verständnisuniversum mal so herumreise, ist das Gießkannenprinzip nicht immer der heilige Gral. Er leuchtet schon stark und verführerisch, aber als Allheillmittel taugt er nicht.
Nur finanzielle Anreize können es nicht sein. Und wenn die Firma sagt: I only do it for the money… ob uns und auch der Firma, der IT-begeisterten Karrierewechslerin damit geholfen ist? Nein. Und was bringt es meinen IT-Ladies auf lange Sicht? Der Wirtschaft, dem Standort IT Deutschland, der ächzt und stöhnt,weil wir die hier schlummernde Expertise nicht wecken können, geschweige denn auf die Straße bekommen? Was nützt einer Firma die kurzfristige monetäre Zuwendung, wenn der Hahn an der Stelle zugedreht wird, wo die Expertise ein Re- und ein Upskilling bräuchte? IT ist ein fluides System - es wächst nicht erst mit den Anforderungen an sie.
Meine Wahrnehmungen sind: Die Geister sind willig – aber die Teile des Konstruktionsteams haben noch nicht die Verbindung zwischen A und O gefunden, mit der alle glücklich werden könnten.
Was könnte also helfen? Was wäre denn hier der passende Connector?
Ein Mix vielleicht, finanzieller Support für die Firmen, die sich ehrlich auf Fahne schreiben, mit Quereinsteiger/-innen zu arbeiten. Und ich meine die wahren Umsteigerinnen. Die Frauen, die schon die erste Karriere zumindest begonnen, wenn nicht sogar hinter sich haben, die Frauen, die in ihren bis dato Jobs regelrecht unterfordert waren oder verheizt worden sind. Die Frauen, deren Talent immer geschlummert hat, dass wir hier bei uns in den „digitalen Frauen“ zumindest ansatzweise durchschimmern lassen konnten. Und eine gleichzeitige Abdeckung der theoretischen und zwischenmenschlichen Ansprüche, für die die Firmen erstmal so gar keine Zeit haben: Mindsetting, Coaching, pädagogische Betreuung, fachliche Kompetenzen, individualisierbar und anpassbar auf die Firmenansprüche.
Vielleicht ist auch all das, was bis hierhin genannt wurde, der Grund, warum sich Firmen in unserem Projekt zurückhalten, die wir dringend bräuchten, um Anschlussperspektiven zu schaffen. Firmen und deren Vertreter, die unseren digitalen Frauen die Möglichkeit geben, die Praxisluft der Arbeitswelt 4.0 zu schnuppern.
Mein Team und ich, wir stricken weiter, haben einige feine Ideen in der Schublade, Konzepte auf dem Reißbrett, denn es öffnen sich hoffnungsvolle Vertreter aus der Firmenwelt und den Organisationen hier in Bremen. Trotzdem gibt es nie genug.
Frage: wo wollen wir denn hin?
Wenn wir dahin wollen, unsere IT, KI und unser machine learning gendergerecht auszubalancieren, dem Fachkräftemangel würdevoll und zielführend mit inländischer Expertise zu begegnen, um bessere Produkte, Services und Lebensräume zu schaffen, dann wird es Zeit!
Zeit, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. Schwierig, ich weiß- vor allem klarzumachen, dass jeder rudern muss, wenn wir vorankommen wollen.
So – und mit der Zufriedenheit, wirklich zufällig doch ein hanseatisch anmutendes Schlusswort gefunden zu haben, freue ich mich auf meine neuen Frauen im September, die hoffentlich zahlreich erscheinen! Und Firmen: wenn ihr Interesse an Projekten mit uns habt - lasst uns doch einfach mal ein Kaltgetränk miteinander nehmen und sondieren!
Neue Termine für die digitalen Frauen:
26.09 - 24.10.2022
25.10 - 22.11.2022
23.11 – 20.12.2022
Jeder fängt mal an... und ich bin gerade dabei, (19.11.2019), hier nach 45 J. Kunst,noch einmal digital zu beginnen!
2 JahreNa ja, Frauen und IT ist ein Thema, was mittlerweile durchaus anerkannt ist. Frauen und Kunst, seit Generationen, sowieso... Wie Du aber den Kaffee heiß bekommen möchtest, ist mir ein Rätsel. atelier@wemmje.de lg Andreas Wemmje