Freiwillig Demontierte Partei

Freiwillig Demontierte Partei

Liebe Leserin, lieber Leser,

fast hätte es die FDP geschafft.

Der erste Wirbel um die "D-Day-Leaks" war auf gutem Wege, im beginnenden Wahlkampf unterzugehen. Doch am Donnerstag wurden die Liberalen davon jäh eingeholt. Nachdem ein Papier zur berühmt-berüchtigten Ampel-Exit-Strategie an die Öffentlichkeit kam (erst nach Presseanfragen bei Table.Briefings, dann stellte die Partei es auf die eigene Website), musste Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in einer der wohl kürzesten Rücktrittsankündigungen (ganze 45 Sekunden) seinen Posten räumen. Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann, der mutmaßliche Verfasser des Papiers, folgte am gleichen Tag. Keine drei Monate vor der Bundestagswahl muss die FDP somit die zentralsten Posten für den Wahlkampf neu besetzen.

Man kann nun von Christian Lindner halten was man will, das kommunikative Handwerkszeug kennt der begnadete Redner und Wahlkämpfer. Ob er es immer richtig einsetzt, ist eine zweite Frage. Auf X meldete er sich mit einem Video zu Wort, nachdem er in den vergangenen Tagen versuchte, in Nachrichten und Talkshows Schadensbegrenzung zu betreiben. Das Papier habe er "nicht zur Kenntnis genommen". Der feine inhaltliche Unterschied zwischen "etwas zur Kenntnis nehmen" und "etwas wissen" bleibt bemerkenswert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein so brisantes Papier in diesen Zeiten am Parteichef vorbeigeht, bewegt sich dennoch auf dem Niveau der aktuellen FDP-Umfragewerte.

  • Neuer Generalsekretär wird nun Marco Buschmann, den der Spiegel im aktuellen Lichte porträtiert. Erste Wahl war aber wohl Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wie das gleiche Medium berichtet.
  • Carsten Reymann veröffentlichte neben seiner offiziellen Rücktrittserklärung auch einen Brief an die Parteimitglieder. Wer ihn als Bundesgeschäftsführer beerbt, ist noch unklar.
  • Ex-Schatzmeister Harald Christ wird es auf jeden Fall nicht. Der ist nun aus der FDP ausgetreten.
  • Die Liberalen im Nordosten gehen nach einem internen Streit gleich ohne Generalsekretär in den Wahlkampf.
  • "Lindner steht auf einer Tretmine", kommentiert Kommunikationsberater Marcus Ewald das krisenkommunikative Verhalten der Liberalen bei t-online im Duktus des Papiers.
  • Aus gleichem Anlass hat Evelin Ruhnow beim Spiegel einen Brief vom Lügenbaron Münchhausen an Lindner in einer Satire verfasst.
  • Die "überspezifischen Antworten" des FDP-Chefs in den jüngsten Interviews erklärt Robert Pietsch
  • Auf Unterschiede in den Versionen des FDP-Papiers weist Robert Pausch auf X hin.
  • Die Reaktionen der politischen Konkurrenz hat der Spiegel zusammengestellt.
  • Humoristische Netzreaktionen versammelt der WDR.
  • Vor exakt zehn Jahren gab es übrigens schon mal eine Pyramide in einem FPD-Papier, allerdings mit weit weniger Auswirkungen. 
  • Egal, wie die Bundestagswahl ausgeht, im März kann Christian Lindner sich zumindest privat freuen: Der FDP-Chef wird Vater.
  • Merchandise-Ideen zur aktuellen Lage hat der FDP-Parteishop (siehe Fundstück der Woche).


Olaf Scholz wird das Geschehen mit Genugtuung verfolgen, wenngleich er wenig Zeit dafür hatte: Die SPD hat am Wochenende ihre Wahlsiegkonferenz im Willy-Brandt-Haus abgehalten und wurde dabei nur kurz von der "heute show“ gestört. Die Wahlkampagne wurde bereits im Vorfeld präsentiert und greift mit dem Slogan “Wir kämpfen für Dich” ebenfalls in die Schublade des Kriegsvokabulars.

  • Ob diese Kampagne zu martialisch wirkt, überlegt Johan Schloemann bei der SZ
  • Nach der Konferenz machte sich Scholz wohl auf den Weg in die Ukraine. Über seinen Überraschungsbesuch in Kyjiw – den zweiten seit Kriegsbeginn 2022 – berichtet das ZDF.
  • Über die Ukraine sprach Scholz auch in seinem Interview im “Lage der Nation”-Podcast.
  • Populismus-Kritik bekam er allerdings für seine Warnung an Merz vor einem "Russisch-Roulette"-Spiel mit der Sicherheit Deutschlands.
  • Wie die SPD-Basis mit der lange unentschiedenen Konkurrenz zwischen Scholz und Pistorius als Kanzlerkandidaten umgeht, beleuchtet die Tagesschau.

Die CDU hingegen startete mit einem kleinen, aber klassischen Fauxpas in den Wahlkampf. Unter dem Motto "Wieder nach vorne" präsentierte die Partei erste Eindrücke ihrer Kampagne - allerdings mit einem Bild aus Dänemark statt Deutschland. Auch die Schwesterpartei CSU hatte vergangene Woche kurzzeitig ein  Kommunikationsproblem – mit einem ihrer Instagram-Kanäle, der zum Ziel von Hackern wurde. Ändert aber alles nichts daran, dass die Union nach wie vor beste Aussichten auf einen Wahlsieg hat. Die FAZ fährt schon mal die Minister:innen des Kabinetts Merz auf. Warum das wohl recht wenig Frauen beinhaltet, analysiert Livia Gerster. Wieder nach vorne ist auch Angela Merkel getreten. Die Alt-Kanzlerin stellte ihr Buch "Freiheit" am Dienstagabend im Deutschen Theater in Berlin vor und gewährte einige Einblicke in ihre Regierungsjahre – und bekommt dafür sogar eine Entschuldigung des Kreml-Chefs.

  • T-online hat mit ersten Käufer:innen gesprochen und fasst kontroverse Meinungen zusammen.
  • Eine Kurzrezension bietet zudem unsere Rubrik Buch der Woche.
  • Warum Merkels “Männer!”-Zitat zu kurz greift, beschreibt Lukas Wallraff in der taz mit Blick auf die Frontfrauen der internationalen Rechten.
  • Den Titel der Memoiren hat die FAZ (€) genauer unter die Lupe genommen. 
  • Nicht nur wegen der 35.000 verkauften Exemplare am ersten Tag muss sich Merkel kaum Gedanken um ihre finanzielle Absicherung machen: Wie es um Merkels Altersbezüge als Ex-Kanzlerin bestellt ist, zeigt Business Punk.

Sollten Sie am 23. Februar noch nichts vorhaben, in Berlin leben und sich finanziell auch ein kleines Zubrot verdienen wollen: Die Hauptstadt sucht noch Wahlhelfer:innen und gewährt sogar 120 € "Erfrischungsgeld". Zur Online-Anmeldung geht es hier. Ob das Winterwetter die Ergebnisse beeinflussen wird, hat der Tagesspiegel eruiert (€). Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff



Parteien & Parlamente

Images und Gefühle zu Parteien

Welche politischen Begriffe werden mit welchen Parteien verbunden und welche Gefühle lösen sie aus? Diesen Fragen geht eine neue Studie der Konrad Adenauer Stiftung nach. Nur bei drei Begriffen zeigten sich unter den Wahlberechtigten dabei eindeutige Images: Während die CDU klar als “konservativ” (59 %) und die Grünen als “nachhaltig” (52 %) angesehen werden, wird die AfD primär “rassistisch” genannt. Mit “bürgerlich” wird am ehesten die SPD assoziiert (32 %), zur FDP gehört der Begriff “Wohlstand” (25 %) und die Linke wurde am häufigsten bei “Streit” und “weltoffen” genannt (jeweils 12 %). Emotional dominieren im Zusammenhang mit der eigenen Partei positive Gefühle wie Hoffnung, Vertrauen und Zuversicht. Negative Gefühle werden dabei vor allem durch die AfD ausgelöst – mit Ausnahme ihrer Wählerschaft, die derartige Emotionen besonders mit den Grünen assoziiert.


Demokratie & Gesellschaft

German-Dream-Awards

Zivilgesellschaftliches Engagement zeichnen jährlich die German-Dream-Awards aus, die vergangene Woche für das Jahr 2024 verliehen wurden. Als “Vorbild des Jahres” wurden dabei Steffen Unglaub und Doritta Kolb-Unglaub vom Verein “Colorido” ausgezeichnet, der in Plauen (Sachsen) für eine plurale Gesellschaft arbeitet. “Brückenbauer:innen” wurden Shai Hoffmann und Jouanna Hassoun für ihr “Trialog-Projekt” als Gesprächsformat zum Nahostkonflikt. “Starke Stimmen” sind in diesem Jahr Panah Ahmed und Kristina Vogel, die über Mehrfachdiskriminierungen und Ableismus aufklären. Den “Germandreamer”-Award erhielt der Influencer Tahsim Durgun für seine humorvollen Erklärungen von Politik und gesellschaftlichen Missständen. Zudem wurde der “Ehrenpreis” an die afghanische Taekwondosportlerin Marzieh Hamidi verliehen, die sich seit ihrer Flucht 2022 für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt.


Lobbyismus & Politikberatung

f_LAB als neues Beratungsangebot

Lösungen für die Kommunikationsberatung der Zukunft und eine wirksame und transformative Kommunikation entwickeln: Dieses Ziel hat sich das neu gegründete f_LAB gesetzt. Als Denkfabrik der Agentur fischerAppelt soll sich das Lab auf Paradigmenwechsel und den kulturellen Zeitgeist konzentrieren. Dazu werden Narrative und Diskurse analysiert, affektive Arrangements untersucht und mittels eines praxisorientierten Ansatzes weiterverarbeitet, wobei als Endprodukte sowohl Zukunftspapiere und Research-Dossiers als auch themenbezogene Konferenzen angestrebt werden.


Demokratie & Gesellschaft

Margot-Friedländer-Preis

Seit 2014 wird der Margot-Friedländer-Preis verliehen – nun erstmals neu konzipiert von ihrer eigenen Stiftung. Der Preis soll Personen und Organisationen ehren, die sich für Toleranz und Menschlichkeit sowie gegen Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit engagieren. Hauptpreisträger 2024 ist der Verein Apropolis aus Burgwedel (Niedersachsen) für seine Workshops zu Vorurteilen und Diskriminierung. Der Schulpreis wurde an die “Interessensgemeinschaft Friedenstaube” des Otto-Nagel-Gymnasiums in Berlin-Marzahn verliehen. Weitere Preisträger:innen sind der Verein Zweitzeugen (Bünde, Nordrhein-Westfalen), das Zentrum “Barrierefrei erinnern” (Lebenshilfe Thüringen), der Lehrer Hedi Bouden (Hamburg) und die Schülerzeitung “josefine” der Mädchenrealschule St. Josef (Hanau).


Demokratie & Gesellschaft

Infoportal für Expats

Die Willkommenskultur in Deutschland für Expats und Internationals nachhaltig stärken: Dieses Ziel hat das neue Portal Plus Forty Nine. Zu diesem Zweck bietet es unter anderem eine Podcast-Serie, eine interaktive Q&A-Rubrik und eine Sammlung hilfreicher Links für den Alltag. Zudem wird täglich ein englischsprachiger Newsletter mit aktuellen Nachrichten und relevanten Ereignissen aus Deutschland und international herausgegeben, die (nicht nur) für Expats aus Botschaften, NGOs und Wirtschaft relevant sind.


Ukraine & Russland


Parteien & Parlamente


Ministerien & Behörden


Demokratie & Gesellschaft


Lobbyismus, Politikberatung & Interessenvertretung


Personalien


Politische Kommunikation


Künstliche Intelligenz


Social Media




Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.



Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021

von Angela Merkel

Als Angela Merkels Memoiren angekündigt wurden, war nicht unbedingt absehbar, dass die Veröffentlichung genau mit einem anlaufenden Bundestagswahlkampf zusammenfällt. Die „Erinnerungen“ der langjährigen Kanzlerin, die sie zusammen mit ihrer politischen Beraterin und ehemaligen Büroleiterin verfasst hat, erhalten dadurch eine zusätzliche Aktualität, wenn nicht gar Brisanz, da einige von Merkels Weggefährten und Konkurrenten weiter aktiv sind. Echte Abrechnungen enthält das Buch allerdings nicht und auch kaum Selbstkritik an ihrer Kanzlerschaft. Dafür bietet es einen anekdotenreichen Einblick in Merkels Aufwachsen in der DDR sowie ihren Weg in die Politik. Die Arbeit im Maschinenraum der Macht und die Begegnungen auf internationalem Parkett werden hingegen recht nüchtern dargestellt, politische Wertungen nimmt Merkel nur bei der Rechtfertigung ihrer Ukraine- und Migrationspolitik vor. Inhalte und Stil des Buches entsprechen dabei gewissermaßen dem Regierungsstil der Kanzlerin: sachlich und integrativ, teilweise aber auch langweilig und uninspiriert.  

Weitere Buchempfehlungen finden Sie auf www.politbooks.de.



@simboson

Auf die Spitze getrieben


Man könnte fast glauben, Pyramiden sind irgendwie ein Ding der FDP. Verstärkt wird der Eindruck von diesem Threads-Fundstück von SPD-Kommunikator Simon Lavo-Braumann aus dem FDP-Shop.


JOB DER WOCHE


Deutscher Frauenrat: Referent:in (w/m/d) für Öffentlichkeitsarbeit

Der Deutsche Frauenrat (DF), Dachverband von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen, ist die größte frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung in Deutschland. Als Referent:in (w/m/d) für Öffentlichkeitsarbeit stärkst du die Kommunikation zu zentralen Themen der Frauen- und Gleichstellungspolitik und bringst den DF als starke Stimme in die Bundespolitik und das politische Tagesgeschehen ein.   


Weitere Politjobs:

War der richtige Job noch nicht dabei? Mehr Jobs aus dem Politikbetrieb finden Sie auf politjobs.com und in unserem wöchentlichen politjobs Newsletter.

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EVENT DER WOCHE


Bertelsmann Stiftung: Gamechanger Kreislaufwirtschaft, KI und Re- & Upskilling

09.12.2024 | 16:30 - 18.00 Uhr Bertelsmann Repräsentanz, Unter den Linden 1, 10117 Berlin  


AI@HPI Conference: Shaping an AI landscape defined by responsibility Veranstalter: Hasso Plattner Institute | Hasso Plattner Institute Prof.-Dr.-Helmert-Straße 2-3, 14482 Potsdam | 03.12.2024 - 04.12.2024, 09:00 - 16:00 Uhr

Wie erkenne und überprüfe ich Falschinformationen? CORRECTIV klärt auf. Veranstalter: CORRECTIV & Digitaler Engel | Digitalevent | 04.12.2024, 14:00 - 15:30 Uhr 

Desinformation entlarven – Tipps und Tricks gegen Fake News von den Faktenfindern der Tagesschau Veranstalter: Volkshochschule Heidelberg (VHS) | Digitalevent | 05.12.2024, 18:00 - 19:30 Uhr

Was tun gegen Hate-Speech und Fake-News  Veranstalter: Deutsche Beamtenbund-Jugend NRW | Geschäftsstelle der dbb Jugend nrw, Friedrich-Ebert-Str. 1, 40210 Düsseldorf | 07.12.2024, 10:00 - 16:00 Uhr 

Streit ums Politische Veranstalter:  Böll-Stiftung/Schaubühne | Digitalevent | 09.12.2024, 19:30 - 21:00 Uhr



STAKEHOLDER DER WOCHE

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden ist eines der bedeutendsten Geschichtsmuseen Europas und beschäftigt sich in seinen diversen Dauer- und Sonderausstellungen historischer Objekte mit der Frage nach den Ursachen und Folgen von Krieg und Gewalt. Neben dem Hauptstandort in Dresden gehören zum Museum auch der Flugplatz Berlin-Gatow mit Ausstellungen zur militärischen Luftfahrt sowie die Dauerausstellung “Faszination Festung” auf der Festung Königstein. Direktor des Museums ist Rudolf J. Schlaffer.


Redaktion: Philipp Sälhoff (V. i. S. d. P.), Maike Dörnfeld, Ronja Pohl, Benjamin Triebe

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