Fremdsprachen lernen im Selbststudium: Wie erfolgreich kann das sein? Ein Selbstversuch
Wir alle kennen sie, die Apps, die uns auf Social Media vorgeschlagen werden und wir in der Werbung sehen. Versprochen werden perfekte Sprachkenntnisse, ganz leicht vom Handy aus. Aber welches Sprachniveau ist wirklich möglich? Wo stoßen wir beim Selbststudium an unsere Grenzen? Welche anderen Möglichkeiten gibt es noch, und wann macht es wirklich Sinn, Hilfe anzunehmen?
Lernen mit einer App
Im Selbstversuch habe ich begonnen, Schwedisch mit einer App zu lernen. Vor Jahren hatte ich einen Anfängerkurs besucht, dieses Wissen war zwar verschüttet, aber mit Hilfe der App wurden die Vokabeln aufgefrischt und da ich jeden Tag ans Lernen erinnert wurde, habe ich auch regelmäßig geübt. Bis ich die App "durch" hatte. Schwedischkurs abgeschlossen. Bis dahin hatte ich noch kein einziges Wort Schwedisch gesprochen. Was nun?
Hörverständnis verbessern
Da das Angebot für Präsenzkurse für Schwedisch in Österreich nicht sehr umfangreich ist, musste eine Alternative her und war auch schnell gefunden: Audiobücher, und zwar diejenigen, die ich schon so gut wie auswendig kannte. Als Harry-Potter-Fan hatte ich die Bücher schon in vier Sprachen gelesen bzw. gehört, somit war das meine logische Wahl. Anfangs war es ziemlich ernüchternd, denn hätte ich "Den Stein der Weisen" nicht bereits gekannt, wäre es schwer gewesen, der Geschichte zu folgen. Beim zweiten Mal anhören wurde es besser, nach Buch zwei und drei der Reihe konnte ich dann sagen, ich habe großteils verstanden. Buch vier fühlte sich dann schon sehr gut an. Das Problem, das sich ergab, war, ich hatte bis dahin immer noch kein Wort Schwedisch gesprochen, abgesehen von ein wenigen Situationen im Urlaub, bei denen ich beim Einkaufen eine Plastiktasche dankend abgelehnt habe.
Problem: Sprechen stellt eine Herausforderung dar - wie auch die Grammatik
Welche Lösung bot sich nun an? Hinsetzen und mit meinen vielen Büchern Grammatik lernen war keine Option, dafür hatte ich nicht die Muße. Es führt kein Weg mehr daran vorbei, ich brauchte jemanden zum Reden. Mit einer Namensvetterin begann ich dann via Skype Schwedischstunden, bei denen wir hauptsächlich redeten und dabei auch viel Grammatik wiederholen mussten, da weder die App noch das Hörverständnis ausreichend Input waren, um selbst grammatikalisch korrekt produzieren zu können. Zusätzlich zeigte sich, dass ich Probleme hatte, die Wörter richtig zu schreiben. Ich konnte zwar schnell eine Stunde zu verschiedenen Themen durchplaudern, aber die Ortographie stellte wirklich eine Herausforderung dar, sowie auch die Grammatik, die komplett von Anfang an nochmal lernen musste, um fehlerfrei sprechen und schreiben zu können.
Würde ich es wieder genau so machen?
Fazit: Das Selbststudium ist eine Möglichkeit, bei der sehr viel Disziplin nötig ist. Es kommt aber auf jeden Fall irgendwann der Punkt, an dem der angeleitete bzw. in meinem Fall korrigierende Unterricht unumgänglich ist. Lernapps sind eine tolle Möglichkeit, Vokabeln aufzubauen, die Grammatik bleibt dabei aber außen vor. Sprachkenntnisse rein durch Hörverständnis (ob Audiobücher, Podcasts, Serien, Filme, usw.) aufzubauen wird dann zur Herausforderung, wenn es um die schriftliche Produktion geht. Deshalb empfehlen ich von Anfang an, zusätzlich zu Apps und Hören, angeleiteten Unterricht durch eine Lehrerin oder einen Lehrer bzw. eine muttersprachliche Person mit der nötigen Sensibilität für Sprachkenntnisse und deren Vermittlung.
Spreche ich jetzt Schwedisch? Ja. Sicher nicht fehlerfrei, aber nach meiner Selbsteinschätzung auf einem soliden B1-Niveau.
Werde ich weiterlernen? Ja. Aber im angeleiteten Unterricht mit meiner schwedischen Namensvetterin.
Würde ich wieder genau so Schwedisch lernen, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte? Nein. Meine Empfehlung ist definitiv mit Unterstützung einer Lehrerin oder eines Lehrers zu lernen, damit Grammatik, Rechtschreibung und auch Sprechnen nicht zu kurz kommen. Apps sind eine tolle Ergänzung, aber leider kein vollwertiger Ersatz, genauso wie Input durch verschiedene Medien. Sprachen lernen ist und bleibt eine sehr soziale Handlung, da es speziell bei Sprachen um die Kommunikation mit unseren Mitmenschen geht und ohne diese Mitmenschen bleibt es nur Theorie.
Bleibt gesund und viel Erfolg beim Lernen!