Frischer Wind oder Sturm? Wenn permanente Veränderung zur Change Fatigue führt.

Frischer Wind oder Sturm? Wenn permanente Veränderung zur Change Fatigue führt.

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit meiner Coachee Elisa, bei dem mir erneut bewusst wurde, wie tiefgreifend die Auswirkungen von «Change Fatigue» auf die Arbeitskultur sein können. Elisa berichtete mir, dass kontinuierliche Veränderungen in ihrem Unternehmen zur Norm geworden sind und sie gar nicht mehr weiss, was sie noch tun soll, wenn sie ihren Mitarbeitenden mitteilen muss, dass sich wieder etwas geändert hat. «Mit jeder Neuerung sinken die Motivation und das Engagement meiner Mitarbeitenden. Es belastet mich mittlerweile genauso wie mein Team», erzählt sie seufzend.

 

Hohe Belastung durch ständige Veränderungen

Die spürbare Erschöpfung und Frustration in ihrem Team führt Elisa vor allem auf die Vielzahl an Veränderungen zurück, denen sie sich gegenübersehen. Doch während unseres Gesprächs wurde klar, dass es nicht unbedingt nur die Menge der Veränderungen war, die das Gefühl der «Change Fatigue» auslöste, sondern vor allem die Art und Weise, wie diese Veränderungen kommuniziert und umgesetzt wurden.

Wir alle kennen Sprichwörter wie: «Nichts ist so beständig wie der Wandel.» «Das Leben ist eine einzige Veränderung» usw. Doch, wenn dieser Wandel permanent ohne klare Richtung oder Sinn erfolgt, richtet er mehr Schaden an, als er Nutzen bringt. Es wäre so, als würde dein Partner jeden Morgen die Kaffeemaschine an einem anderen Ort im Haus aufstellen, mit dem Kommentar: «Veränderung bringt frischen Wind. Lass dich darauf ein.» Wahrscheinlich landet durch einen solchen Wandel über kurz oder lang der Partner vor der Tür oder die Kaffeetasse an der Wand …  

 

Die Kluft zwischen Planung, Kommunikation und Umsetzung

Ähnlich ergeht es auch den Menschen in Elisas Teams: «Viele meiner Mitarbeitenden empfinden die ständigen Veränderungen als irrational, schlecht durchdacht, unkoordiniert oder einfach nur nervig.» Zunehmend erlebt sie ein Gefühl der Resignation und selbst vormals sehr engagierte Mitarbeitende gleiten mehr und mehr in den «Dienst nach Vorschrift» ab. Erst vergangene Woche in einem Meeting wurde deutlich, dass das Vertrauen in die Führung mit jeder Veränderung schwindet und die Mitarbeitenden unter chronischer «Veränderungsmüdigkeit» leiden.

Das führt mich zu einer der grössten Herausforderungen, die ich sowohl in meiner Laufbahn als Führungskraft als auch Coach beobachtet habe: Die Kluft zwischen denjenigen, die Veränderungen entwerfen, und denen, die diese Veränderungen umsetzen müssen. Allzu oft werden Veränderungen von oben nach unten diktiert, ohne die wertvolle Perspektive derjenigen einzubeziehen, die an der Basis arbeiten. Dies führt zu einem Gefühl des Zynismus und der Entfremdung, da die Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass ihre Meinungen und Erfahrungen nicht zählen.

Diese Problematik wird häufig durch den Einbezug externer Berater wie McKinsey & Co. noch verstärkt. Diese Berater entwickeln oft theoretische Konzepte, die auf den ersten Blick gut durchdacht erscheinen, aber die Lösungen sind nicht auf die spezifische Unternehmenskultur des Unternehmens zugeschnitten. Zudem mangelt es vielen von ihnen an praktischer Erfahrung im operativen Geschäft, da sie oft jung und unerfahren sind. Dadurch entstehen Vorschläge, die in der Praxis schwer umsetzbar sind und häufig die Bedürfnisse und Herausforderungen der Mitarbeitenden vor Ort ignorieren.

 

Ohne Einbeziehung der Mitarbeitenden keine echte Veränderung

Ich rate Elisa, die Bedenken und Ideen ihrer Teams ernst zu nehmen und aktiv in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Nur so kann sie verhindern, dass Veränderungen als lästige Pflicht empfunden werden, die lediglich von oben herab verordnet werden. Mitarbeitende sollten das Gefühl haben, dass sie einen echten Beitrag leisten und dass ihre Stimme Gehör findet. Dies fördert nicht nur das Engagement, sondern auch die Bereitschaft, Veränderungen mitzutragen und erfolgreich umzusetzen.

 

Erfolgsfaktoren für nachhaltige Veränderung

Eine erfolgreiche Veränderung erfordert somit mehr als nur eine neue Strategie oder Struktur. Es braucht klare Kommunikation, die Einbeziehung der Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess und eine realistische Einschätzung dessen, was mit den vorhandenen Ressourcen erreicht werden kann. Wenn diese Elemente fehlen, werden Veränderungen als Selbstzweck wahrgenommen, was letztlich zu einem Versagen der Führung führt.

Die entscheidenden Fragen lauten also: Wie können wir verhindern, dass «Change Fatigue» zu einem ständigen Begleiter in unseren Organisationen wird? Wie können wir sicherstellen, dass Veränderungen sinnvoll, gut geplant und effektiv umgesetzt werden? Der erste Schritt ist, den Fokus stärker auf die Menschen zu legen, die von diesen Veränderungen betroffen sind – weniger auf den Wandel selbst.

In diesem Zusammenhang frage ich euch: Was sind eure Erfahrungen mit «Change Fatigue»? Wie geht ihr in euren Teams mit Veränderungen um? Was sind die Strategien, die euch geholfen haben, Veränderungen erfolgreich zu gestalten?

Ich freue mich auf eure Meinungen und Diskussionen zu diesem wichtigen Thema.

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